Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XXIV.

Nachrichten aus England.

Die Briefe, welche Waverley bisher von seinen Verwandten in England erhalten hatte, waren nicht der Art, daß sie eine besondere Erwähnung in dieser Erzählung forderten. Sein Vater schrieb ihm gewöhnlich mit der prunkhaften Ziererei eines Mannes, der zu sehr durch öffentliche Angelegenheiten bestürmt ist, um für die seiner eigenen Familie Muse zu finden. Dann und wann erwähnte er Persönlichkeiten von Rang in Schottland, denen sein Sohn, wie er wünschte, einige Aufmerksamkeit erweisen möchte, aber Waverley, der bisher durch die Unterhaltung beschäftigt wurde, die er in Tully-Beolan und Glennaquoich gefunden hatte, unterließ es, so kalt hingeworfenen Winken einige Aufmerksamkeit zu schenken, besonders da Entfernung, Kürze des Urlaubs und dergleichen einen passenden Vorwand boten. In der letzten Zeit aber enthielten Mr. Richard Waverleys väterliche Episteln gewisse geheimnißvolle Winke über künftige Größe und mächtigen Einfluß, den er selbst bald erreichen würde. Sir Everards Briefe waren in anderem Tone. Sie waren kurz, denn der gute Baronet gehörte nicht zu den Korrespondenten, deren Briefe die Seiten eines Postbogens noch überfluthen, so daß kein Raum für das Siegel bleibt, aber sie waren freundlich und herzlich und schlossen selten ohne irgend eine Anspielung auf unseres Helden Beschäftigungen, eine Frage nach dem Zustande seiner Börse und irgend eine Erkundigung nach den Rekruten, welche mit ihm von Waverley-Haus zu dem Regiment gekommen waren. Tante Rahel ermahnte ihn, sich der Grundsätze der Religion zu erinnern, für seine Gesundheit zu sorgen, den schottischen Nebel zu scheuen, der, wie sie gehört hätte, einen Engländer durch und durch naß zu machen pflegte, bei Nacht nie ohne seinen großen Mantel auszugehen und vor allen Dingen auf dem bloßen Leibe Flanell zu tragen.

Mr. Pembroke schrieb unserm Helden nur einen Brief, aber er hatte den Umfang von sechs Episteln dieser entarteten Zeit und enthielt auf dem geringen Raume von zehn eng beschriebenen Folioseiten ein Supplement der Addenda, Delenda und Corrigenda in Bezug auf die beiden Abhandlungen, die er Waverley verehrt hatte. Dies war bisher der Stil der Briefe gewesen, die Edward Waverley aus England erhielt; das Packet, welches ihm in Glennaquoich eingehändigt wurde, war von anderem und viel wichtigerem Inhalt. Es würde für den Leser unmöglich sein, selbst wenn wir die Briefe ihrem ganzen Inhalte nach mittheilten, die Ursache, weshalb sie geschrieben wurden, zu erkennen, ließen wir ihn nicht einen Blick in das Innere eines britischen Kabinetts werfen.

Die Minister waren in zwei Parteien getheilt; die schwächste derselben ersetzte durch Eifer der Intrigue ihren Mangel an wahrer Wichtigkeit und hatte unlängst einige Proselyten und mit ihnen die Hoffnung gewonnen, die Nebenbuhler in der Gunst des Herrschers zu vernichten und in dem Hause der Gemeinen zu überwältigen. Unter anderem hatte sie es auch der Mühe werth gehalten, auf Richard Waverley einzuwirken. Dieser Ehrenmann hatte einen gewissen Namen und Einfluß im öffentlichen Leben errungen, mehr durch ein ernstes geheimnißvolles Wesen und eine Aufmerksamkeit mehr auf die Etiquette des Geschäftes als auf das eigentliche Wesen desselben, mehr durch die Geschicklichkeit, lange Reden voller Gemeinplätze und technischer Ausdrücke zu halten, als durch wahre Beredsamkeit, und so galt er bei vielen sogar für einen tiefen Politiker.

Dieser Glaube war so allgemein geworden, daß der erwähnte Theil des Kabinetes, nachdem er Herrn Richard Waverley geprüft hatte, sehr zufrieden mit seinen Gesinnungen und seiner Tüchtigkeit war. Für den Fall, daß die dem Ministerium bevorstehende Umwälzung gelingen sollte, ward ihm in der neuen Ordnung der Dinge ein wichtiger Platz zugedacht, zwar nicht gerade vom ersten Range, aber doch in Bezug auf Besoldung und Einfluß weit höher als der, dessen er sich jetzt erfreute. So verführerischen Vorschlägen ließ sich nicht widerstehen, obgleich der große Mann, unter dessen Patronat er eingetreten war, und unter dessen Banner er bisher festgestanden hatte, der Hauptgegenstand des von den neuen Aliirten geplanten Angriffes war. Unglücklicherweise wurde dieser schöne Plan des Ehrgeizes durch eine voreilige Bewegung in die Luft gesprengt. Alle die darin verwickelten Beamten, die Bedenken trugen, freiwillig zu verzichten, wurden in Kenntniß gesetzt, daß der König ihrer Dienste ferner nicht mehr bedürfe, und bei Richard Waverley, dessen Fall der Minister der Undankbarkeit wegen für schlimmer ansah, wurde die Entlassung von einer Art persönlicher und schmachvoller Geringschätzung begleitet. Das Publikum und selbst die Partei, in deren Fall er verwickelt worden, hatte wenig Mitgefühl mit der Enttäuschung dieses selbstsüchtigen und eigennützigen Staatsmannes; er zog sich daher mit der tröstlichen Betrachtung aufs Land zurück, daß er zugleich Amt, Einfluß und, was er wenigstens eben so sehr beklagte, seine Einkünfte verloren habe.

Richard Waverleys Brief an seinen Sohn war bei dieser Gelegenheit ein Meisterstück. Aristides selbst hätte nichts Schwierigeres leisten können. Ein ungerechter Monarch und ein undankbares Vaterland waren der Schlußstein des wohlgerundeten Satzes. Er sprach von langen Diensten, von unvergoltenen Opfern, obgleich die ersteren durch sein Gehalt überreich bezahlt worden waren, und niemand errathen konnte, worin die letzteren bestanden, ausgenommen etwa darin, daß er die Tory-Grundsätze seiner Familie nicht aus Ueberzeugung verließ, sondern aus Gewinnsucht. Zum Schlusse machte sein Unwille sich in so beredten Ausdrücken Luft, daß er selbst Drohungen der Rache, wie unbestimmt und ohnmächtig sie auch sein mochten, nicht unterdrücken konnte; endlich machte er seinen Sohn auf das Vergnügen aufmerksam, das er darüber empfinden würde, wenn das Gefühl seiner Mißhandlung ihn bewöge, seinen Abschied zu nehmen, sobald er diesen Brief erhielte. Dies, sagte er, sei auch seines Oheims Wunsch, wie er ihm selbst mittheilen würde.

Der nächste Brief, den Edward öffnete, war von Sir Everard Waverley. Seines Bruders Unglück schien bei dem Gutmüthigen jede Erinnerung an ihre Zwistigkeiten verbannt zu haben, und da er auf keine Weise erfahren konnte, daß dies Unglück in der That nur die gerechte und natürliche Folge seiner mißlungenen Intriguen sei, betrachtete der gute doch leichtgläubige Baronet es als einen neuen schreienden Beweis für die Ungerechtigkeit der bestehenden Regierung. Es sei wahr, sagte er, und er dürfte es selbst vor Edward nicht verhehlen, daß sein Vater eine solche Beschimpfung, die hier zum ersten Male einem Gliede seines Hauses widerführe, nicht erfahren haben würde, hätte er sich dem nicht dadurch ausgesetzt, daß er unter dem gegenwärtigen System eine Anstellung angenommen. Sir Everard zweifle nicht, daß er jetzt die Größe seines Irrthums einsehe und fühle, und es werde seine, Sir Everards, Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß diese traurige Geschichte nicht auch pekuniäre Nachtheile für ihn habe. Es sei genug für einen Waverley, öffentlichen Schimpf erduldet zu haben, die andern Folgen könnten leicht durch das Haupt der Familie abgewendet werden. Aber es sei die Meinung des Herrn Richard Waverley, sowie seine eigene, daß Edward, der Repräsentant der Familie Waverley, nicht in einer Stellung bliebe, welche ihn einer eben solchen Behandlung, wie die seines Vaters, aussetze. Er fordere deshalb seinen Neffen auf, die beste und zugleich die nächste Gelegenheit zu ergreifen, dem Kriegsamte seine Abdankung einzusenden, und deutete überdies darauf hin, daß dort wenig Rücksichtnahme nöthig wäre, wo man gegen seinen Vater so wenig gezeigt hatte. Zugleich sendete er dem Baron von Bradwardine tausend Grüße. Ein Brief der Tante Rahel sprach sich noch deutlicher aus. Sie betrachtete die Ungnade ihres Bruders Richard als die gerechte Strafe für seinen Abfall von dem gesetzmäßigen, wenngleich verbannten Herrscher und für seinen Eid gegen einen Fremden, ein Zugeständniß, welches ihr Großvater Sir Nigel Waverley sowohl gegen das rundköpfige Parlament, als gegen Cromwell zu machen sich weigerte, als sein Leben und sein Vermögen in der höchsten Gefahr schwebten. Sie hoffte, ihr theurer Edward würde in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten, sobald als möglich die Sklavendienste beim Usurpator abwerfen und das seinem Vater angethane Unrecht als eine Mahnung des Himmels betrachten, daß das Abweichen von der Richtschnur der Treue seine Strafe findet. Sie schloß ebenfalls mit Grüßen an Mr. Bradwardine und bat Waverley ihr zu schreiben, ob dessen Tochter Miß Rosa alt genug sei, um ein Paar sehr hübsche Ohrringe zu tragen, die sie ihr als ein Zeichen ihrer Anhänglichkeit zu schicken beabsichtige. Die gute Dame wünschte auch zu wissen, ob Mr. Bradwardine noch so viel schnupfe und so unermüdlich tanze wie damals, wo er vor dreißig Jahren Gast in Waverley-Haus gewesen.

Diese Briefe erregten, wie sich leicht erwarten läßt, Waverleys Unwillen in hohem Grade. Infolge der oberflächlichen Weise seiner Studien konnte er den Regungen des Unwillens, den er bei seines Vaters muthmaßlicher Verletzung fühlte, keine feste politische Meinung entgegensetzen. Die wahre Ursache dieser Ungnade war Edward gänzlich unbekannt, auch hatten seine Gewohnheiten ihn durchaus nicht dahin gebracht, die Politik der Zeit, in welcher er lebte, zu prüfen, oder die Intriguen zu bemerken, in die sein Vater so thätig verwickelt war. Die Eindrücke, die er gelegentlich von den Parteien der Zeit empfangen hatte, waren zufolge der Gesellschaft, in der er in Waverley-Haus lebte, der bestehenden Regierung und Dynastie eher ungünstig. Er theilte daher ohne Besinnen die Rachegefühle der Verwandten, welche das beste Recht darauf hatten, sein Benehmen zu leiten, vielleicht war er auch deshalb nicht minder dazu geneigt, weil er sich an das Langweilige seines Standquartiers, sowie an die untergeordnete Figur erinnerte, die er unter den Offizieren seines Regimentes gespielt hatte. Hätte er noch irgend einen Zweifel gehegt, so würde dieser durch den folgenden Brief seines Kommandeurs beseitigt worden sein, der, da er sehr kurz ist, hier wörtlich mitgetheilt werden soll.

»Mein Herr! Nachdem ich über die Grenzen meiner Pflicht hinaus Nachsicht geübt, eine Nachsicht, die menschliche und noch mehr christliche Erleuchtung gegen Irrthümer gebietet, die aus jugendlicher Unerfahrenheit entspringen können, bin ich in der gegenwärtigen Krisis widerstrebend gezwungen, das einzige noch in meiner Macht bleibende Mittel anzuwenden. Es wird Ihnen daher hierdurch befohlen, drei Tage nach dem Empfang dieses Briefes in **, dem Hauptquartier Ihres Regimentes, zu erscheinen. Sollten Sie dies unterlassen, so müßte ich Sie dem Kriegsamte als abwesend ohne Urlaub melden und auch noch andere Schritte thun, die Ihnen eben so unangenehm sein würden, als, mein Herr,

Ihrem gehorsamen Diener,

P. Gardiner, Oberstlieutenant, Kommandeur des Dragonerregiments ***.«

Edwards Blut kochte, als er diesen Brief las. Er war seit seiner Kindheit daran gewöhnt, in hohem Grade über seine Zeit zu verfügen, und hatte Gewohnheiten angenommen, welche ihm die Regeln der militärischen Disciplin in dieser Beziehung ebenso unangenehm machten, als sie es in anderer Beziehung waren. Ein Gedanke hatte sich ihm auch aufgedrängt, daß dieses Gesetz gegen ihn nicht sehr streng zur Anwendung gebracht werden würde, und diese Meinung war bisher durch die Nachsicht seines Oberstlieutenants bestärkt worden. Auch hatte sich seines Wissens nichts zugetragen, was seinen Kommandeur bewegen konnte, ohne irgend eine andere Mahnung als die Winke, die wir zu Ende des dreizehnten Kapitels anführten, so plötzlich einen harten und, wie es Edward vorkam, so unverschämten Ton diktatorischer Autorität anzunehmen. Wenn er die Briefe damit in Verbindung brachte, die er soeben von seiner Familie erhalten hatte, mußte er vermuthen, daß man die Absicht hätte, ihn in seiner gegenwärtigen Lage den Druck eben der Gewalt fühlen zu lassen, welche gegen seinen Vater geltend gemacht worden war, und das Ganze als einen überlegten Plan ansehen, jedes Mitglied der Familie Waverley zu chikaniren und herabzusetzen.

Ohne sich zu besinnen, schrieb er deshalb einige kalte Zeilen, durch die er seinem Oberstlieutenant für dessen frühere Gefälligkeiten dankte und sein Bedauern darüber aussprach, daß er es für gut befunden, die Erinnerung daran durch einen andern Ton zu verwischen. Der Ausdruck seines Briefes sowohl, als das, was er, Edward, für seine Pflicht hielte, forderten ihn in der gegenwärtigen Krisis auf, seinen Abschied zu nehmen, d. h. er legte die förmliche Verzichtleistung auf eine Anstellung bei, welche ihn einem so unangenehmen Briefwechsel aussetze, und ersuche den Obersten Gardiner um die Gefälligkeit, sie an die geeignete Behörde einzusenden.

Als er diese großartige Epistel geendigt hatte, fühlte er sich etwas unentschlossen über die Ausdrücke, die er bei seiner Verzichtleistung zu wählen hätte; er beschloß, hierüber Fergus Mac-Ivor zu Rathe zu ziehen. Es mag im Vorbeigehen bemerkt werden, daß die kühne und rasche Gewohnheit des Denkens, Handelns und Sprechens, welche diesen jungen Häuptling auszeichnete, ihm ein bedeutendes Uebergewicht über Waverley verliehen hatte. Mit wenigstens eben so viel Verstand und viel mehr Geist begabt, beugte sich Edward dennoch der kühnen und entscheidenden Energie eines Geistes, der durch die Gewohnheit, stets nach einem vorgefaßten und regelmäßigen Systeme sowie nach einer, ausgedehnten Welt- und Menschenkenntnis; zu handeln, geschärft wurde.

Als Edward seinen Freund fand, hatte dieser das Zeitungsblatt noch in der Hand und kam ihm mit dem verlegenen Wesen eines Menschen entgegen, der eine unangenehme Nachricht mitzutheilen hat. »Bestätigen Eure Briefe, Kapitän Waverley, die unangenehme Nachricht, die ich in diesen Zeitungen finde?«

Er gab ihm die Zeitung, in welcher seines Vaters Unglück in den bittersten Ausdrücken wahrscheinlich aus einem Londoner Blatte mitgetheilt war. Am Ende des Paragraphen stand der merkwürdige Satz:

»Wir glauben, daß der Richard, welcher dies alles gethan hat, nicht das einzige Beispiel der schwankenden Ehre des W–v-r–ly H–s-s ist. Man sehe die Zeitung von diesem Tage.«

Mit hastiger fieberischer Angst suchte unser Held die angezogene Stelle auf und fand hier: »Edward Waverley, Kapitän im Dragonerregiment**, cassirt wegen Abwesenheit ohne Urlaub« – und in der Liste der militärischen Beförderungen fand er bei demselben Regiment: »Lieutenant Buttler zum Kapitän für den cassirten Waverley.«

Unseres Helden Busen glühte vor Rache, welche die unverdiente und offenbar vorher überlegte Beschimpfung bei einem Menschen erwecken mußte, der nach Ehre gestrebt hatte, und der so muthwillig der öffentlichen Schande und Verachtung preisgegeben wurde. Als er das Datum in dem Briefe seines Obersten mit dem Artikel in der Zeitung verglich, bemerkte er, daß die Drohung, seine Abwesenheit zu melden, buchstäblich erfüllt worden sei, und zwar, wie es schien, ohne danach zu fragen, ob Edward die Aufforderung erhalten hatte oder geneigt sei, ihr zu genügen. Das Ganze erschien daher als ein überlegter Plan, ihn in den Augen des Publikums herabzusetzen, und der Gedanke, daß dieser Plan gelungen war, erfüllte ihn mit solcher Bitterkeit, daß er sich nach verschiedenen Bemühungen, sie zu verbergen, endlich Mac-Ivor in die Arme warf und in einen Strom von Thränen der Scham und des Unwillens ausbrach.

Es gehörte nicht zu des Häuptlings Fehlern, gegen das seinen Freunden gethane Unrecht gleichgültig zu bleiben, und für Edward fühlte er eine tiefe und aufrichtige Theilnahme, abgesehen noch von gewissen Plänen, mit denen er im Zusammenhange stand. Das Verfahren erschien ihm eben so auffallend wie Edward. Er kannte in der That besser als dieser die Gründe zu dem strengen Befehle, augenblicklich zu seinem Regiment zu stoßen. Daß aber der kommandirende Offizier, ohne weiter nach den Umstanden nothwendiger Verzögerung zu fragen, im Widerspruch mit seiner anerkannten Redlichkeit auf eine so harte unredliche Art verfuhr, war für ihn ein Geheimniß, das er nicht zu ergründen vermochte. Er beruhigte unsern Helden jedoch, so viel es in seiner Macht stand, und lenkte seine Gedanken auf die Notwendigkeit, Genugthuung für seine beleidigte Ehre zu suchen.

Edward ergriff diese Idee hastig. »Wollt Ihr eine Herausforderung von mir an den Oberst Gardiner überbringen und mich dadurch für ewig verpflichten?« fragte er.

Fergus zögerte einen Augenblick und antwortete dann: »Das wäre ein Beweis der Freundschaft, über den Ihr gebieten dürftet, könnte er nützlich sein oder zur Genugthuung führen, aber ich zweifle, daß in dem vorliegenden Falle Euer Kommandeur Euch die Genugthuung für Schritte gewähren würde, die, so hart und ungerecht sie auch sein mögen, doch in dem strengen Bereiche seiner Pflicht lagen. Ueberdies ist Gardiner ein Hugenott und hat über das Sündige des Duells Begriffe, von denen er unmöglich abweichen kann, besonders da sein Muth über allen Verdacht erhaben ist. Außerdem darf ich, um die Wahrheit zu sagen, in diesem Augenblicke aus sehr wichtigen Gründen keiner Garnison nahe kommen, die zu diesem Gouvernement gehört.«

»Und soll ich ruhig und geduldig die empfangene Schmach hinnehmen?« rief Waverley.

»Das möchte ich nie einem Freunde rathen,« entgegnete Mac-Ivor. »Aber die Rache sollte das Haupt treffen, nicht die Hand, die tyrannische und harte Regierung, welche diese überlegten und wiederholten Beschimpfungen veranlaßte und leitete, nicht das bereitwillige Werkzeug, dessen sie sich bei der Ausübung dieser Beleidigungen bediente.«

»Die Regierung!« sagte Waverley.

»Ja,« entgegnete der ungestüme Hochländer, »das thronräuberische Haus Hannover, dem Euer Großvater eben so wenig gedient haben würde, wie er rothglühendes Gold vom Satan in der Hölle angenommen hätte.«

»Aber seit den Zeiten meines Großvaters haben zwei Dynastien diesen Thron besessen,« sagte Waverley gelassen.

»Allerdings,« entgegnete der Häuptling, »und weil wir ihnen so lange die Mittel ließen, ihren angebornen Charakter zu zeigen, weil Ihr und ich in ruhiger Unterwerfung lebten, weil wir durch die Zeiten sogar dahin gebracht wurden, einen Posten unter ihnen anzunehmen, wodurch sie Gelegenheit fanden, uns durch Entziehung derselben öffentlich zu beschimpfen, sollten wir uns wegen der Ungerechtigkeit nicht rächen dürfen, die unsere Väter nur fürchteten, wir aber wirklich erfuhren? – Oder ist die Sache der unglücklichen Stuarts weniger gerecht geworden, weil ihr Titel auf einen Erben fiel, der unschuldig an dem ist, was man der Regierung seines Vaters zur Last legte? – Erinnert Ihr Euch der Verse Eures Lieblingsdichters:

Ein König kann nur geben, was sein eigen, Mag Richard denn von diesem Throne steigen, Doch hätt' er einen Sohn, blieb dem die Krone,

Ihr seht, mein lieber Waverley, ich kann Dichterverse eben so gut citiren wie Flora und Ihr. Doch kommt, erheitert Eure finstre Stirn und vertraut mir. Ich will Euch einen ehrenvollen Weg zu einer schnellen glorreichen Rache zeigen. Laßt uns Flora aufsuchen, welche uns vielleicht noch mehr von dem zu erzählen hat, was während unserer Abwesenheit vorfiel. Sie wird sich freuen zu hören, daß Ihr Eurer Knechtschaft ledig seid. Zuerst fügt aber Eurem Briefe noch eine Nachschrift hinzu, in welcher Ihr den Tag bezeichnet, an dem Ihr die erste Aufforderung dieses calvinistischen Obersten empfinget, und sprecht Euer Bedauern darüber aus, daß die Hast seines Verfahrens Euch hinderte, ihm durch die Einsendung Eures Abschieds zuvorzukommen. Dann mag er über seine Ungerechtigkeit erröthen.«

Dieser Brief wurde gesiegelt, und Mac-Ivor schickte ihn mit einigen Briefen von ihm selbst durch einen besondern Boten ab, dem er den Auftrag ertheilte, ihn dem nächsten Postamte des Tieflandes zu übergeben.


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