Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel LII.

Fergus als Brautwerber.

Als Waverley sich den Hof des Chevalier und die dort herrschenden Zustände etwas genauer ansah, hatte er in der That wenig Ursache, davon erbaut zu sein. Wie die Eichel alle Verzweigungen der künftigen Eiche enthalten soll, so enthielt dieser kleine Hof die Aussaat zu allen Ränken und Intriguen, welche dem Hofe des größten Reiches Ehre gemacht haben würden. Jede Person von einiger Auszeichnung hatte besondere Pläne, welche sie mit einer Wuth verfolgte, die Waverley mit der Wichtigkeit des Gegenstandes im umgekehrten Verhältniß fand. Fast alle hatten ihre Gründe zur Unzufriedenheit, einen triftigen nur der alte würdige Baron, der sich der allgemeinen Sache halber betrübte.

»Schwerlich,« sagte er eines Morgens zu Waverley, als sie das Schloß besichtigt hatten, »werden wir die Belagerungskrone gewinnen, welche, wie Ihr wohl wißt, von den Wurzeln oder Kräutern geflochten wurde, die in dem belagerten Orte wuchsen. Wir werden,« sage ich, »das Schloß Edinburg durch diese Blokade nicht einnehmen.« – Für diese Meinung gab er sehr gelehrte Gründe an, welche der Leser schwerlich wiederholt haben will.

Als Waverley dem alten Herrn entronnen war, ging er nach der Wohnung Fergus Mac-Ivors, um, wie verabredet war, dessen Rückkehr von Holyrood zu erwarten. »Ich habe morgen eine Privataudienz,« hatte Fergus gesagt, »und Du mußt zu mir kommen, um mir Glück zu dem Erfolge zu wünschen, den ich mit Zuversicht voraussetzen darf.« Dieser Morgen war da und Waverley fand in des Häuptlings Zimmer den Fähnrich Maccombich, welcher wartete, um Rapport über seinen Dienst in einem Graben abzustatten, den man durch den Schloßberg geführt und dem man den stolzen Namen einer Tranchée gegeben hatte. Nach kurzer Zeit wurde die Stimme des Häuptlings gehört, der auf der Treppe voll Ungeduld und wüthendem Ausdruck rief: »Callum, Callum Beg! Zum Teufel!« – Bald trat er selbst mit allen Zeichen eines Menschen, der von der heftigsten Leidenschaft erregt ist, in das Zimmer, und in den Zügen weniger Männer brachte die Wuth je eine heftigere Wirkung hervor. Die Stirnadern schwollen an, die Nasenlöcher dehnten sich aus, die Wangen flammten, der Blick wurde der eines Besessenen. Diese Zeichen halb unterdrückter Wuth waren um so furchtbarer, weil sie offenbar durch die gewaltige Anstrengung hervorgebracht wurden, einen Ausbruch der Leidenschaft zurückzuhalten, und von einem innern Kampfe herrührten, der den ganzen Mann erschütterte.

Er schnallte sein Schwert ab, warf es heftig von sich, so daß es bis in die andere Ecke des Zimmers flog, und rief aus: »Ich weiß nicht, was mich abhält, einen feierlichen Eid zu schwören, daß ich es nie wieder in seiner Sache ziehen will. – Lade meine Pistolen, Callum, und bringe sie augenblicklich herein, augenblicklich!«

Callum, den nie irgend etwas störte oder irre machte, gehorchte sehr ruhig. Evan Dhu, auf dessen Stirn der Argwohn, sein Chef wäre insultirt worden, einen ähnlichen Sturm heraufbeschwor, stand in dumpfem Schweigen da und wartete darauf zu hören, wo oder wen die Rache treffen sollte.

»Du bist da, Waverley?« sagte der Häuptling, nachdem er sich einen Augenblick gesammelt hatte. »Ja, ich erinnere mich, daß ich Dich aufforderte, meinen Triumph zu theilen, und Du bist gekommen, um Zeuge meiner – Täuschung, wollen wir es nennen – zu sein.« – Evan übergab jetzt den geschriebenen Rapport, den er in der Hand hielt, und den Fergus mit heftiger Leidenschaft von sich warf. »Ich wünschte zu Gott,« sagte er, »das alte Nest stürzte nieder auf die Häupter der Narren, die es angreifen, und der Schurken, die es vertheidigen. Ich sehe, Waverley, daß Du mich für verrückt hältst; verlaßt uns, Evan, doch bleibt in der Nähe.«

»Der Oberst ist in gewaltigem Allarm,« sagte Frau Flockhart zu Evan, als dieser herunter kam. »Ich will wünschen, daß er wohl ist. Die Adern auf seiner Stirn waren geschwollen wie Peitschenschnüre. Will er nicht etwas einnehmen?«

»Gewöhnlich läßt er Blut bei solchen Anfällen,« antwortete der Hochländer mit großer Gelassenheit.

Als Evan aus dem Zimmer war, wurde der Häuptling allmählich gefaßter. »Ich weiß, Waverley,« sagte er, »daß der Oberst Dich überredet hat, Deine Verpflichtung gegen uns täglich zehnmal zu verwünschen, nein, leugne es nicht, denn ich bin jetzt in der Stimmung, meine eigene zu verwünschen. Glaubst Du wohl, daß ich an den Prinzen diesen Morgen zwei Gesuche richtete, und daß er beide zurückwies? Was denkst Du davon?«

»Was kann ich davon denken,« antwortete Waverley, »ehe ich die Gesuche kenne?«

»Was kommt darauf an, Bester? Ich sage Dir, daß ich sie stellte, ich, dem er mehr verdankt, als dreien von denen, die sonst zu seinen Fahnen stießen; denn ich unterhandelte das ganze Geschäft und brachte alle die Perthshireleute auf, von denen sich sonst kein einziger gerührt hätte. Ich denke wohl, ich werde nicht leicht um etwas Unvernünftiges bitten, und hätte ich es gethan, so hätte man es übersehen können. – Aber Du sollst alles wissen, jetzt, da ich wieder etwas freier athmen kann. – Du erinnerst Dich meines Grafenpatents, es ist einige Jahre zurückdatirt für Dienste, die ich damals leistete, und, das wenigste zu sagen, mein Verdienst hat sich durch mein späteres Benehmen nicht verringert. Ich schätze dieses Spielzeug einer Krone im Wappen gewiß eben so wenig als Du oder als irgend ein Philosoph auf Erden, denn ich halte dafür, daß der Häuptling eines solchen Clans wie des Sliochd nan Ivor im Range über jedem Grafen in Schottland steht. Aber ich hatte einen besonderen Grund, diesen verwünschten Titel eben jetzt anzunehmen. Du mußt wissen, daß ich zufällig erfuhr, der Prinz wäre in den alten thörichten Baron von Bradwardine gedrungen, seinen männlichen Erben, einen Vetter des neunzehnten oder zwanzigsten Grades, zu enterben, weil er eine Anstellung in der Miliz des Kurfürsten von Hannover angenommen hat, und seine Besitzungen auf Deine liebliche Freundin Miß Rosa zu übertragen. Da dies der Befehl seines Königs und Oberlehnsherrn war, der die Bestimmung eines Lehns nach Willkür ändern kann, schien der alte Herr sich gern darein zu fügen.«

»Und was wird aus der Huldigung?«

»Verwünscht sei die Huldigung! – Ich glaube, Rosa soll am Krönungstage der Königin den Pantoffel ausziehen und dergleichen. Nun, Bester, da Rosa Bradwardine immer eine passende Partie für mich gewesen wäre ohne diese verwünschte Vorliebe ihres Vaters für den männlichen Erben, fiel mir ein, daß jetzt kein Hinderniß mehr bliebe, ausgenommen etwa, der Baron möchte verlangen, daß der Mann seiner Tochter den Namen Bradwardine annähme, was für mich, wie Du weißt, unmöglich ist, und daß sich dies vermeiden ließe, wenn ich den Titel annähme, auf den ich ein so gutes Recht hatte, und der natürlich die Schwierigkeit heben mußte. War sie nach ihres Vaters Tode noch aus ihrem eigenen Rechte Vicomtesse Bradwardine, um so besser, ich konnte nichts dagegen haben.«

»Aber, Fergus,« sagte Waverley, »ich hatte keinen Gedanken daran, daß Du Neigung für Rosa Bradwardine fühltest, denn über ihren Vater spottest Du ja beständig.«

»Ich habe so viel Neigung für Miß Bradwardine, mein guter Freund, als ich für die zukünftige Herrin meiner Familie und die Mutter meiner Kinder für nöthig halte. Sie ist ein reizendes, verständiges Mädchen und gewiß aus einer der ersten Tieflandfamilien; mit einiger Anleitung Floras wird sie eine ganz gute Figur spielen. Ihr Vater ist freilich ein Original und ein hinlänglich albernes, aber er hat dem Sir Hew Halbere, dem theuren verstorbenen Laird von Balmawhapple und andern so derbe Lehren gegeben, daß es niemand wagt, über ihn zu lachen, seine Albernheit zählt daher nicht. Ich sage Dir, es gab keinen irdischen Widerspruch, keinen. Ich hatte die Sache bei mir vollständig abgemacht.«

»Aber hast Du auch den Baron um seine Einwilligung gefragt oder Rosa?« sagte Waverley.

»Wozu? Mit dem Baron sprechen, ehe ich meinen Titel angenommen, hätte nur einen vorzeitigen Streit über den Namenswechsel herbeigeführt, während ich ihm als Graf von Glennaquoich nur den Vorschlag zu machen brauchte, seinen verwünschten Bären und Stiefelknecht nebenher in mein Wappen, oder vielleicht als besonderes zweites Schild, kurz auf irgend eine Weise aufzunehmen, die für mein eigenes Wappen nicht schimpflich wäre. Und was Rosa betrifft, so wüßte ich nicht, was sie für einen Einwand erheben sollte, wenn ihr Vater einwilligt.«

»Vielleicht denselben, den Deine Schwester gegen mich erhebt.«

Fergus machte große Augen über diesen Vergleich; er unterdrückte aber klüglich die Antwort, die ihm auf die Zunge trat, und sagte: »Oh, das würden wir leicht alles geordnet haben. – So bat ich also um eine Privataudienz; für diesen Morgen wurde sie zugesagt, und ich forderte Dich auf, mich hier zu treffen, weil ich Narr daran dachte, Dich zu meinem Brautführer zu machen. Gut also, ich setze meine Ansprüche auseinander, sie wurden nicht geleugnet, die wiederholt gemachten Versprechungen, das ertheilte Patent, alles wurde anerkannt. Als eine natürliche Folge davon fordere ich, den Rang annehmen zu dürfen, den mir das Patent anweist. – Die alte Geschichte von der Eifersucht des C. und M. wird mir entgegen gehalten. – Ich weise den Vorwand zurück und erbiete mich, ihre Einwilligung schriftlich zu bringen, infolge des früheren Datums meines Patents gegen ihre albernen Ansprüche. – Ich versichere Dich, ich hätte eine solche Zustimmung erlangt, und hätte sie mit der Schärfe des Schwertes erzwungen werden müssen. – Da kommt die Wahrheit heraus, und er wagt es, mir in das Gesicht zu sagen, mein Patent müsse für den Augenblick noch unterdrückt werden, aus Furcht, den schurkischen Feigling und Nichtsthuer (hier nannte er den Häuptling seines eigenen mit ihm rivalisirenden Clans) zu beleidigen, der keinen besseren Anspruch darauf hat Häuptling zu sein, als ich Kaiser von China, und der seinen feigen Widerwillen hervorzutreten hinter der angeblichen eifersüchtigen Parteilichkeit des Prinzen für mich verbirgt. Und um diesem elenden Ränkeschmied jeden Vorwand für seine Feigheit zu nehmen, erbittet der Prinz es von mir als eine persönliche Gunst, für den Augenblick nicht auf die Erfüllung meiner gerechten Ansprüche zu dringen. – Nach alledem setze einer noch Glauben in die Versprechungen der Fürsten!«

»Und endete Deine Audienz damit?«

»Enden? O nein! Ich war entschlossen, ihm keinen Vorwand für seine Undankbarkeit zu lassen und setzte ihm deshalb mit aller Ruhe, die ich erzwingen konnte, denn ich versichere Dich, daß ich vor Wuth bebte, die besonderen Gründe auseinander, die ich für den Wunsch hätte, daß Se. königliche Hoheit mir irgend eine andere Art, meine Anhänglichkeit und Pflicht zu zeigen, andeuten möchten, da die Wünsche meines Lebens dasjenige zum schwersten Opfer machten, was zu jeder andern Zeit eine Kleinigkeit gewesen sein würde. Dabei setzte ich ihm meinen ganzen Plan auseinander.«

»Und was antwortete der Prinz?«

»Antworten? – Je nun, es ist gut, daß geschrieben steht, verfluche nicht den König, selbst nicht in deinen Gedanken; nun, er antwortete, er sei sehr erfreut, daß ich ihn zu meinem Vertrauten gemacht, weil er dadurch härtere Täuschungen abzuwenden vermöchte; denn er könnte mir die Versicherung auf sein Fürstenwort geben, daß Miß Bradwardine ihre Neigung bereits verschenkt und von ihm das Versprechen erhalten habe, dieselbe zu begünstigen. – Also, mein lieber Fergus, fügte er mit dem freundlichsten Lächeln hinzu, da die Heirat gänzlich außer Frage ist, braucht die Sache, wissen Sie, wegen der Grafschaft, nicht übereilt zu werden. – Mit diesen Worten schlüpfte er davon, und ich stand planté là

»Und was thatest Du?«

»Ich sage Dir, was ich in dem Augenblicke hätte thun können: mich dem Teufel oder dem Kurfürsten verkaufen, wer von beiden die schwerste Rache geboten hätte. Aber jetzt bin ich wieder ruhig. Ich weiß, daß er sie mit einem seiner schurkischen Franzosen oder irischen Offiziere zu verheiraten gedenkt; aber ich will sie genau bewachen, und der mag sich vorsehen, der mich aus dem Sattel heben will. Bisogna coprirsi, Signor

Nach einer weiteren Unterhaltung, die nicht auseinandergesetzt zu werden braucht, nahm Waverley Abschied von dem Häuptling, dessen Wuth jetzt einem tiefen glühenden Verlangen nach Rache gewichen war. Er kehrte nach Haus zurück, kaum fähig, sich Rechenschaft von den gemischten Gefühlen zu geben, welche die Erzählung in seinem eigenen Busen erweckt hatte.


 << zurück weiter >>