Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XXXIII.

Es bessert sich ein wenig.

Gegen Mittag kehrte Mr. Morton zurück und brachte eine Einladung des Majors Melville, Waverley mochte ihm, ungeachtet der unangenehmen Umstände, die ihn in Cairnvreckan zurückhielten, von denen er Herrn Waverley von Herzen gern befreit setzen würde, die Ehre seiner Gesellschaft bei Tische gönnen. Die Wahrheit war, daß Mr. Mortons günstiger Bericht und seine vortheilhafte Meinung den Argwohn des alten Kriegers über Edwards Theilnahme an der Meuterei im Regiment etwas geschwächt hatte, und bei dem unglücklichen Zustande des Landes konnte der bloße Verdacht der Unzufriedenheit oder der Neigung, zu den jakobitischen Insurgenten zu gehen, wohl als Verbrechen, doch nicht als Schande betrachtet werden. Ueberdies hatte eine Person, welcher der Major Vertrauen schenkte, diesem gemeldet, obgleich, wie sich zeigte, ohne Grund, daß die beunruhigenden Gerüchte des vorhergehenden Abends unbegründet wären. Infolge dieser zweiten Nachricht hatten sich die Hochländer von der Grenze des Tieflandes zurückgezogen, um der königlichen Armee auf ihrem Marsche nach Inverneß zu folgen. Der Friedensrichter wußte in der That nicht, wie er diese Nachricht mit der wohlbekannten Gewandtheit einiger Edelleute in der Hochlandsarmee in Uebereinstimmung bringen sollte, aber es konnte dieser Schritt andern wohl der angenehmste sein. Er erinnerte sich, daß dieselbe Politik sie im Jahre 1715 im Norden zurückgehalten hatte, und schloß daraus auf eine ähnliche Beendigung der gegenwärtigen Insurrektion. Die Nachricht versetzte ihn in eine so gute Laune, daß er bereitwillig auf Mr. Mortons Vorschlag einging, seinem unglücklichen Gaste einige Freundschaft zu beweisen, und daß er aus freien Stücken hinzusetzte, er hoffe, die ganze Sache werde sich als ein Jugendstreich herausstellen, der leicht durch eine kurze Haft gesühnt werden könnte. Der freundliche Vermittler war etwas beunruhigt darüber, wie er seinen jungen Freund bewegen sollte, die Einladung anzunehmen. Er wagte es nicht, den wahren Grund anzugeben, welcher in dem gutmüthigen Wunsche bestand, über Waverleys Angelegenheit von dem Major einen günstigen Rapport an den Gouverneur Blackeney zu erlangen. Aus dem aufsteigenden Unwillen unseres Helden erkannte er, daß eine Berührung dieses Gegenstandes seine Absicht zuverlässig vereiteln würde. So bemerkte er denn, daß die Einladung des Major Melville einen deutlichen Unglauben an jedem mit dem Benehmen eines Soldaten und eines Mannes von Ehre unverträglichen Punkte der Anklage bewiese, und daß die Ablehnung dieser Artigkeit als entsprungen aus dem Bewußtsein, daß sie unverdient sei, ausgelegt werden könnte. Kurz, er überzeugte Edward, daß es das männlichste und geeignetste Benehmen sei, dem Major ohne Zwang entgegen zu gehen, so daß Waverley, seinen Widerwillen gegen ein abermaliges Zusammentreffen mit dem kalten pünktlichen Geschäftsmanne bezwingend, seinem neuen Freunde versprach, sich von ihm leiten zu lassen.

Das Zusammentreffen war anfangs steif und förmlich genug. Da Edward aber die Einladung angenommen hatte, und da er sich durch die Herzlichkeit Mortons wirklich beruhigt und erleichtert fühlte, hielt er sich für verpflichtet, ein ungezwungenes Benehmen zu zeigen, wenn er auch keine Herzlichkeit zu erheucheln vermochte. Der Major war ein Lebemann und sein Wein vortrefflich. Er erzählte seine alten Kriegsgeschichten und entfaltete eine große Kenntniß von Menschen und Sitten. Mr. Morton besaß einen Schatz ruhiger, stiller Heiterkeit, welche selten verfehlte, eine kleine Gesellschaft, in der er sich wohl befand, ebenfalls heiter zu stimmen. Waverley, dessen Leben ein Traum war, gab bereitwillig dem vorherrschenden Impulse nach und wurde der Unterhaltendste in der Gesellschaft. Er besaß zu allen Zeiten eine reiche Unterhaltungsgabe, die allerdings leicht durch irgend eine Verstimmung zum Schweigen gebracht werden konnte. Jetzt aber lag ihm daran, in der Erinnerung seiner Gesellschafter einen günstigen Eindruck zurückzulassen, als ein Mann, der unter so traurigen Umständen sein Mißgeschick mit Leichtigkeit und Heiterkeit zu ertragen vermochte. Sein Geist war sehr elastisch und unterstützte seine Absichten. Das Kleeblatt war in einem sehr angeregten Gespräch begriffen, offenbar mit einander höchst zufrieden, und der freundliche Wirth entstöpselte eben eine dritte Flasche Burgunder, als in einiger Entfernung Trommeln ertönten. Der Friedensrichter, welcher über der Laune eines alten Soldaten die Pflichten des Beamten vergessen hatte, verwünschte mit einem militärischen Fluche die Umstände, welche ihn zu seinem Amte riefen. Er sprang auf und eilte an das Fenster, welches eine beschränkte Aussicht auf die Landstraße gewährte, seine Gäste folgten ihm.

Die Trommel kam näher, doch ertönte kein kriegerischer Marsch, sondern ein eintöniges Drumderumdum, welches dem Tone der Feuerlärmtrommel glich, der die schlummernden Handwerker eines schottischen Fleckens aus dem Schlafe aufschreckt. Es ist der Zweck dieser Geschichte, jedermann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; um gegen den Trommelschläger ebenfalls gerecht zu sein, muß ich daher erwähnen, daß er versicherte, alle in der britischen Armee bekannten Märsche und Signale schlagen zu können, und daß er deshalb mit Dumbartons Trommelmelodien angefangen, der Kommandeur der Abtheilung, Gilsillan, der Begabte, ihm aber damit aufzuhören geboten, da er seinen Leuten nicht gestatten wollte, nach dieser profanen und, wie er sagte, strafbaren Melodie zu marschiren, und befohlen habe, den 119. Psalm zu schlagen. Da dies über die Fähigkeit des Kalbfellraßlers ging, griff derselbe zu einem harmlosen Drumderumdum als einem unschuldigen Ersatze für die fromme Melodie, zu der entweder das Instrument oder seine Kunst nicht hinreichten. Dies mag vielleicht für eine unbedeutende Anekdote gehalten werden, aber dieser Tambour war nichts geringeres als Stadttrommler in Anderton. Ich erinnere mich, daß sein Nachfolger im Amte ein Mitglied jenes erleuchteten Körpers, des britischen Conventes, war: möge sein Andenken daher mit der gehörigen Ehrfurcht behandelt werden.


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