Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XLVII.

Eine unerwartete Verlegenheit

Als die Schlacht vorüber und alles wieder im Geleise der Ordnung war, suchte der Baron von Bradwardine, welcher von der Pflicht des Tages zurückkehrte und den Leuten unter seinem Kommando ihre passende Stellung angewiesen hatte, den Häuptling von Glennaquoich und dessen Freund, Edward Waverley, auf. Er fand den erstern damit beschäftigt, unter seinen Clansleuten Streitigkeiten über Thaten der Tapferkeit zu schlichten, sowie daneben einige wichtige und zweifelhafte Fragen über Beute zu entscheiden. Die wichtigste dieser letztern betraf das Eigenthum einer goldenen Uhr, welche irgend einem unglücklichen englischen Offizier gehört hatte. Der, gegen welchen die Entscheidung ausfiel, tröstete sich damit, daß die Uhr, welche er für ein lebendiges Thier hielt, in eben der Nacht gestorben sei, in welcher Bich Ian Vohr sie dem Murdoch zusprach. Sie war nämlich nicht aufgezogen worden und deshalb stehen geblieben.

Eben als diese wichtige Frage entschieden wurde, trat der Baron von Bradwardine mit sorgenvollem und doch freudigem Aussehen zu den beiden jungen Männern.

Er stieg von seinem dampfenden Pferde, das er der Sorge eines seiner Reitknechte übergab. »Ich fluche selten,« sagte er zu dem Menschen, »aber wenn Du einen Deiner hundsföttischen Streiche spielst, den armen Berwick verläßt und nach Beute läufst, ehe er versorgt ist, so soll mich der Teufel holen, wenn ich Dir nicht den Kragen umdrehe.« Er streichelte hierauf das Thier, welches ihn durch die Mühen des Tages getragen hatte, und nachdem er einen zärtlichen Abschied von demselben genommen, sagte er: »Nun meine guten jungen Freunde, ein glorreicher und entscheidender Sieg, aber die Lumpe von Dragonern flohen allzuschnell. Es hätte mich freuen sollen, euch die wahren Punkte des proelium equestre oder des Reitergefechtes zu zeigen, das ich für den Stolz und Schrecken des Krieges halte, und das durch ihre Feigheit verhindert wurde. – Nun, so habe ich denn also noch einmal in diesem alten Streit gekämpft, obgleich ich offen gestehe, daß ich nicht so viel Antheil daran nehmen konnte als ihr, da es meine Pflicht war, unsere Hand voll Reiterei zusammenzuhalten. Und kein Cavalier sollte über die Ehre grollen, die seinen Kameraden zu Theil wird, und hätten sie dabei auch in dreimal größerer Gefahr gestanden, weil es, wills Gott, ein ander mal sein Loos sein wird, sich auszuzeichnen. – Aber ich bitte Euch, Glennaquoich, und Euch, Herr Waverley, gebt mir euren besten Rath in einer höchst wichtigen Sache, bei der die Ehre des Hauses Bradwardine wesentlich betheiligt ist. – Ich bitte Euch um Verzeihung, Fähnrich Maccombich, und um Eure, Inveraughlin, und Eure, Edderalshendrach, und Eure, Sir.«

Der letzte, den er anredete, war Ballenkeiroch, welcher sich an den Tod seines Sohnes erinnerte und ihn mit einem Blicke wilder Herausforderung ansah. Der Baron, der schnell wie der Blitz zum Zorn überging, runzelte schon die Stirn, als Glennaquoich seinen Major fortzog und dem Ballenkeiroch als Häuptling Vorstellungen über den Wahnsinn machte, in solchem Augenblicke Händel anzufangen.

»Der Boden ist mit Leichen bedeckt,« sagte der alte Bergschotte, indem er sich finster abwendete, »eine mehr würde kaum bemerkt worden sein, und wäre es nicht Euretwegen, Bich Ian Vohr, so sollte es die Bradwardines oder meine eigene sein.«

Der Häuptling beschwichtigte ihn, während er ihn fortschickte, und kehrte dann zu dem Baron zurück. »Es ist Ballenkeiroch,« sagte er mit flüsterndem, vertraulichem Tone, »der Vater des jungen Mannes, der vor acht Jahren bei dem unglücklichen Zusammentreffen in dem Grunde fiel.«

»Ah,« sagte der Baron, indem der drohende Ernst seiner Züge sogleich verschwand, »ich kann schon etwas von einem Manne hinnehmen, dem ich unglücklicher Weise einen solchen Kummer bereitet habe. Ihr habt Recht, Glennaquoich, mich darauf aufmerksam zu machen; er mag so finster aussehen wie die Mitternacht, ehe Cosmo Comyne Bradwardine sagt, er thue ihm Unrecht. Ach, ich habe keine männlichen Nachkommen und sollte nicht Geduld mit einem Manne haben, den ich kinderlos machte, obgleich Ihr Euch erinnern werdet, daß die Blutbuße durch Schätzung zu Eurer Zufriedenheit beigelegt wurde. – Wie ich also sagte, habe ich keine männlichen Erben, und doch ist es nöthig, daß ich die Ehre des Hauses aufrecht halte, und deshalb bat ich um Eure besondere Aufmerksamkeit.« Die beiden jungen Männer warteten mit gespannter Ungeduld. »Ich zweifle nicht, Jungen,« fuhr er fort, »daß eure Erziehung euch in den Stand setzt, die Natur der Lehnsgüter zu erkennen?«

Fergus, der eine endlose Abhandlung fürchtete, antwortete: »Inwendig und auswendig, Baron!« und gab Waverley ein Zeichen, ja keine Unkenntniß auszusprechen.

»Und ihr wißt auch, wie ich nicht zweifle, daß das Lehn der Baronie Bradwardine eben so ehrenvoller als eigentümlicher Art ist, ein blankes, welches nach einem großen Gelehrten blancum oder vielmehr francum, ein freies Lehn, genannt werden sollte, pro servitio detrahendi, seu exuendi, caligas regis post batalliam.« – Hier richtete Fergus sein Falkenauge mit einem kaum bemerkbaren Zucken der Achseln auf Waverley. »Nun aber stoßen mir,« so fuhr der Baron fort, »bei dieser Gelegenheit zwei Punkte des Zweifels auf. Zuerst, ob dieser Dienst, oder diese Lehnshuldigung überhaupt der Person des Prinzen gebührt, da die Worte bestimmt lauten: Caligas regis, die Stiefel des Königs. – Ich bitte euch, darüber eure Ansicht auszusprechen, ehe wir weiter gehen.«

»Ei, der Prinz ist Regent,« antwortete Fergus mit löblicher Ernsthaftigkeit, »und an dem französischen Hofe werden alle Ehrenbezeigungen, die dem Könige gebühren, auch dem Prinzregenten erwiesen. Sollte ich übrigens einem von beiden die Stiefel ausziehen, so wollte ich diesen Dienst zehnmal lieber dem jungen Ritter erweisen als seinem Vater.«

»Ja, doch ich spreche nicht von persönlicher Vorliebe. Aber ich halte es, mit eurer Erlaubniß, für das sicherste, mich gegen den Prinzen zu der Lehnsleistung zu erbieten, und ich habe den Amtmann mit einem Protest beauftragt, wonach es Sr. königlichen Hoheit gestattet ist, sich die caligae ausziehen zu lassen, von wem es ihm beliebt, nur unbeschadet der Rechte des Baron von Bradwardine, welcher zugegen und bereit ist, diese Pflicht zu erfüllen.«

Fergus zollte diesem Entschluß den lautesten Beifall, und der Baron nahm mit dem Lächeln befriedigter Wichtigkeit einen freundlichen Abschied von ihnen.

»Lang lebe unser Freund, der Baron,« rief der Häuptling, als jener es nicht mehr hören konnte, »das abgeschmackteste Original, das nördlich des Tweed zu finden ist. Ich wünschte, ich hätte ihm den Rath ertheilt, diesen Abend im Hofkreise mit einem Stiefelknecht unter dem Arm zu erscheinen. Ich glaube, er hätte den Wink befolgt, hätte ich ihn nur mit dem gehörigen Ernste gegeben.«

»Und wie kannst Du Vergnügen daran finden, einen Mann von seinem Verdienste lächerlich zu machen?«

»Ich bitte um Verzeihung, mein theurer Waverley, Du bist ebenso lächerlich wie er. Siehst Du denn nicht, daß der ganze Geist dieses Menschen mit dieser Zeremonie beschäftigt ist? Er hat davon seit seiner Kindheit wie von dem erhabensten Vorrechte, der feierlichsten Zeremonie der Welt reden hören, und ich zweifle nicht, daß die Erwartung des Vergnügens, diese Pflicht zu erfüllen, bei ihm ein Hauptbeweggrund war, die Waffen zu ergreifen. Verlaß Dich darauf, hätte ich versucht, ihn davon abzubringen, so würde er mich für den größten Dummkopf betrachtet und wohl gar Lust bekommen haben, mir die Kehle abzuschneiden, ein Vergnügen, das er sich einst bei einer nicht halb so wichtigen Etiquettenfrage machen wollte. – Aber ich muß nach dem Hauptquartier gehen, um den Prinzen auf diese merkwürdige Scene vorzubereiten. Mein Wink ist ihm sicherlich willkommen, denn er wird jetzt herzlich darüber lachen und dann auf seiner Hut gegen das Gelächter sein, wenn es sehr mal-á'propos wäre. – Also au revoir, mein lieber Waverley.«


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