Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel XXVI.

Ueber denselben Gegenstand.

Fergus Mac-Ivor hatte zu viel Takt und Zartgefühl, um das Gespräch, welches er unterbrochen hatte, zu erneuern. Sein Kopf war oder schien wenigstens so ganz mit Musketen, Schwertern, Mützen, Feldflaschen und Tartanstrümpfen angefüllt, daß Waverley für einige Zeit seine Aufmerksamkeit auf keinen andern Gegenstand zu lenken vermochte.

»Wollt Ihr so bald in das Feld ziehen, Fergus,« fragte er, »daß Ihr alle diese kriegerischen Zurüstungen trefft?«

»Wenn wir abgemacht haben, daß Ihr mit mir geht, sollt Ihr alles wissen, sonst könnte Euch die Kenntniß nur nachtheilig sein.«

»Aber ist es Euer ernster Vorsatz, Euch mit so geringen Streitkräften gegen eine bestehende Regierung zu erheben? Das ist ja reiner Wahnsinn.«

»Laissez faire à Don Antoine. – Ich werde dafür schon selbst sorgen, wenigstens werden wir den Spruch Conans in Anwendung bringen, der nie einen Streich empfing, ohne einen dafür zu geben. Ich wünschte übrigens nicht,« fuhr der Häuptling fort, »daß Ihr mich für wahnsinnig genug hieltet, mich zu erheben, ehe sich eine günstige Gelegenheit bietet; ich lasse meine Hunde nicht los, ehe das Wild aufgejagt ist. Aber noch einmal, schließt Euch uns an, und Ihr sollt alles wissen.«

»Wie kann ich das?« sagte Waverley. »Ich, der ich kürzlich noch aktiv war, dessen Abschied nur eben noch unterwegs ist. Meine Annahme des Dienstes schloß ein Versprechen der Treue in sich und eine Anerkennung der Rechtmäßigkeit der bestehenden Regierung.«

»Ein übereiltes Versprechen,« sagte Fergus, »ist keine stählerne Handschelle, es kann abgeschüttelt werden, besonders wenn es unter dem Einflusse einer Täuschung erfolgte und durch Beschimpfung vergolten wurde. Aber, wenn Ihr Euch nicht augenblicklich zu einer glorreichen Rache entschließen könnt, so geht nach England, und ehe Ihr den Tweed überschreitet, werdet Ihr Dinge hören, von denen die Wellt erschallt, und wenn Sir Everard der tapfere alte Ritter ist, als den ich durch einige unserer redlichen Biedermänner aus dem Jahr 1715 ihn beschreiben hörte, so wird er für Euch ein besseres Regiment und eine bessere Sache ausfindig machen als die, welche Ihr verloren habt.«

»Aber Eure Schwester, Fergus?«

»Ha, hyperbolischer Feind!« rief der Häuptling lachend, »wie marterst Du diesen Menschen. – Kannst Du denn von nichts als Mädchen reden?«

»Nein, seid ernsthaft, mein theurer Freund,« sagte Waverley, »ich fühle, daß das Glück meines künftigen Lebens von der Antwort abhängt, welche Miß Mac-Ivor auf das ertheilt, was ich ihr diesen Morgen zu sagen wagte.«

»Und ist das Euer wirklicher Ernst,« sagte Fergus, »oder sind wir in dem Lande des Romans und der Dichtung?«

»Mein Ernst, ohne allen Zweifel. Wie könnt Ihr glauben, daß ich über einen solchen Gegenstand scherzen würde?«

»Nun denn, in ganz nüchternem Ernst,« antwortete sein Freund, »ich bin erfreut, das zu hören, und ich denke so hoch von Flora, daß Ihr in ganz England der einzige Mann seid, für den ich so viel sagen würde. – Doch ehe Ihr meine Hand so warm schüttelt, ist noch mehr in Erwägung zu ziehen. – Eure eigene Familie – wird die es je billigen, daß Ihr Euch mit der Schwester eines hochgebornen Hochlandbettlers verbindet?«

»Meines Oheims Verhältnisse,« entgegnete Waverley, »seine allgemeinen Ansichten, seine Nachsicht gegen mich berechtigen mich zu der Behauptung, daß Geburt und persönliche Eigenschaften alles sind, worauf er bei einer solchen Verbindung sehen würde. Und wo kann ich beides in so hohem Grade vereinigt finden als bei Eurer Schwester?«

»O, nirgends! Cela va sans dire,« entgegnete Fergus lächelnd, »aber Euer Vater darf das natürliche Vorrecht in Anspruch nehmen, zu Rathe gezogen zu werden.«

»Gewiß, doch sein Bruch mit der herrschenden Macht entfernt jede Besorgniß eines Widerspruchs von seiner Seite, besonders da ich überzeugt bin, daß mein Oheim mir warm das Wort reden wird.«

»Die Religion,« sagte Fergus, »mag vielleicht ein Hinderniß sein, obgleich wir keine bigotten Katholiken sind.«

»Meine Großmutter gehörte der römischen Kirche an, und ihre Religion wurde von meiner Familie nie als Hinderniß betrachtet. – Denkt nicht an meine Verwandten, theurer Fergus, leiht mir vielmehr Euren Beistand, wo es nöthiger sein dürfte, Hindernisse zu beseitigen – ich meine, bei Eurer liebenswerthen Schwester!«

»Meine liebenswerthe Schwester,« entgegnete Fergus, »ist wie ihr liebenswerther Bruder sehr dazu geneigt, ihren eigenen entscheidenden Willen zu haben, und durch den müßt Ihr Euch in diesem Falle lenken lassen, aber meine Theilnahme und mein Rath sollen Euch nicht fehlen. Zuerst will ich Euch einen Wink geben: treue Anhänglichkeit ist ihre herrschende Leidenschaft, und seitdem sie das Englische buchstabiren konnte, ist sie verliebt in das Andenken des tapfern Kapitän Vogan, der den Dienst des Usurpators Cromwell verließ, um zu der Fahne Karls II. zu schwören, und mit einer Hand voll Reitern von London nach den Hochlanden aufbrach, um nach Middleton zu kommen, das damals für den König in den Waffen stand, und endlich für die königliche Sache glorreich fiel. Bittet sie nur, Euch einige Verse zu zeigen, die sie auf dessen Geschichte und Schicksal machte, sie sind vielfach bewundert worden, das kann ich Euch versichern. – Der nächste Punkt ist – ich glaube, ich sah Flora nach dem Wasserfalle gehen, folgt ihr, Freund, folgt ihr! Laßt der Garnison keine Zeit, sich in ihrem Entschlusse des Widerstands zu befestigen, alerte à la muraille! Sucht Flora auf und erfahrt ihren Entschluß so bald als möglich; Cupido begleite Euch, während ich nach den Degengehenken und Patronentaschen sehe.«

Waverley ging mit ängstlich klopfendem Herzen das Thal hinauf, die Liebe, mit ihrem ganzen romantischen Gefolge von Hoffnungen, Besorgnissen und Wünschen mischte sich mit andern Empfindungen, die minder leicht zu erklären waren. Er mußte daran denken, wie sehr sich diesen Morgen sein Schicksal verändert hatte, und in was für eine Verwicklung von Verlegenheiten es ihn stürzen konnte. Der Sonnenaufgang erblickte ihn auf einer geachteten Rangstufe der ehrenvollen Waffenlaufbahn, seinen Vater allem Anscheine nach schnell in der Gunst seines Herrschers emporsteigend. Dies alles war jetzt wie ein Traum verschwunden: er selbst war entehrt, sein Vater in Ungnade gefallen, und er wider seinen Willen der Vertraute, wo nicht Mitschuldige von finstern gefährlichen Plänen geworden, welche den Sturz der Regierung, der er soeben noch gedient, oder das Verderben aller derer, die an den Plänen Theil genommen hatten, herbeiführen mußten. Selbst wenn Flora auf seine Bewerbung eine günstige Antwort ertheilte, welche Aussichten hatte er, mitten im Tumulte einer Empörung ein beglückendes Ziel zu erreichen? Oder wie konnte er selbstsüchtig fordern, daß sie Fergus, an dem sie so innig hing, verlassen, und mit ihm nach England gehen sollte, um als eine ferne Zuschauerin den Erfolg der Unternehmungen ihres Bruders oder den Untergang aller seiner Hoffnungen und seines Glückes abzuwarten? – Oder sollte er auf der andern Seite, selbst ohne andern Beistand als seinen Arm, den gefährlichen und übereilten Rathschlägen des Häuptlings folgen, sich von ihm fortreißen lassen, ein Theilnehmer aller seiner verzweifelten und ungestümen Unternehmungen werden und sich selbst der Macht entäußern, über die Richtigkeit oder Klugheit seiner Handlungen zu entscheiden? – Das war für den geheimen Stolz Waverleys keine erfreuliche Aussicht. Und welchen anderen Schluß konnte er ziehen, ausgenommen die Verwerfung seines Antrages von Seiten Floras, eine Alternative, an die er bei der jetzigen Aufregung seiner Gefühle nur mit innerer Todesangst denken konnte. Die zweifelhaften und gefährlichen Aussichten, die vor ihm lagen, erwägend, kam er endlich an den Wasserfall, wo er, wie Fergus richtig vermuthet hatte, Flora fand. Sie war ganz allein, und sobald sie ihn bemerkte, stand sie auf und kam ihm entgegen. Edward versuchte es, ein gewöhnliches Gespräch anzuknüpfen, aber er fühlte sich unfähig dazu. Flora schien anfangs ebenso verlegen, faßte sich aber schnell, und war – ein ungünstiges Zeichen für Waverleys Werbung – die erste, welche das Gespräch auf ihre letzte Unterredung lenkte. »Die Sache ist zu wichtig, in jeder Beziehung, Herr Waverley,« sagte sie, »als daß sie mir erlaubte, Euch über meine Gesinnungen in Zweifel zu lassen,«

»Sprecht sie nicht zu schnell aus,« sagte Waverley sehr bewegt; »laßt die Zeit – laßt mein künftiges Benehmen – laßt Eures Bruders Einfluß –«

»Verzeiht mir, Herr Waverley,« sagte Flora mit etwas erhöhter Gesichtsfarbe, doch mit fester Stimme, »ich würde mich in meinen Augen sehr tadelnswerth finden, verzögerte ich es, meine aufrichtige Ueberzeugung auszusprechen, daß ich Euch nie anders als wie einen geschätzten Freund zu betrachten vermag. Ich würde die größte Ungerechtigkeit gegen Euch begehen, verhehlte ich Euch meine Gefühle nur einen Augenblick. – Ich sehe, daß ich Euch betrübe, und das thut mir leid, doch besser jetzt als später, tausendmal besser, Waverley, daß Ihr jetzt eine augenblickliche Täuschung empfindet als später den langen herzzernagenden Kummer, der auf eine übereilte, unpassende Heirat folgt.«

»Großer Gott!« rief Waverley, »wie könnt Ihr solche Folgen von einer Verbindung erwarten, wo die Geburt gleich ist, das Vermögen günstig, wo, wie ich zu sagen wage, die Neigungen ähnlich sind, wo, Eurer Versicherung nach, kein Vorzug für einen andern stattfindet, wo Ihr selbst eine vorteilhafte Meinung von dem aussprecht, den Ihr verwerft?«

»Herr Waverley, ich hege diese vortheilhafte Meinung,« antwortete Flora, »und zwar so sehr, daß Ihr meine Gründe, obgleich ich sie lieber verschwiegen hätte, erfahren sollt, wenn Ihr einen solchen Beweis meiner Achtung und meines Vertrauens fordert.«

Sie setzte sich auf ein Felsstück, und Waverley, der in ihrer Nähe Platz nahm, drang ängstlich wegen der versprochenen Erklärung in sie.

»Ich wage es kaum,« sagte sie, »Euch den Zustand meiner Gefühle zu beschreiben, denn sie sind so verschieden von denen, welche man bei jungen Mädchen meines Alters gewöhnlich findet, ebenso wage ich es kaum, das zu berühren, was ich für die eigentliche Natur Eurer Gefühle halte, weil ich fürchte, da zu verletzen, wo ich gern Trost gewähren möchte. – Was mich betrifft, so habe ich von meiner Kindheit bis zu diesem Tage nur einen Wunsch gehabt: die Wiedereinsetzung meiner königlichen Wohlthäter auf ihren rechtmäßigen Thron. Es ist unmöglich, Euch zu beschreiben, wie ganz meine Gefühle nur diesem einen Gegenstand zugewendet sind, und ich gestehe offen, daß sie meinen Geist so ganz in Anspruch genommen haben, um jeden Gedanken an das auszuschließen, was man eine Versorgung nennt. Möge ich nur den Tag dieser Wiedereinsetzung erleben, und eine Hochlandhütte, ein französisches Kloster, oder ein englischer Palast sind mir vollkommen gleichgültig.«

»Aber, theuerste Flora, weshalb ist Euer enthusiastischer Eifer für die verbannte Familie mit meinem Glücke unverträglich?«

»Weil Ihr in dem Gegenstande Eurer Zuneigung ein Herz sucht oder suchen solltet, dessen höchstes Entzücken darin besteht, Euer häusliches Glück zu erhöhen und Eure Neigung zu erwidern, selbst bis zum Gipfel des Romantischen. Einen Mann von weniger scharfer Gefühlsrichtung, von weniger enthusiastisch zärtlicher Neigung könnte Flora Mac-Ivor vielleicht zufrieden, wohl gar glücklich machen, denn wäre das unwiderrufliche Wort gesprochen, so würde sie die gelobten Pflichten nie unerfüllt lassen.«

»Und weshalb, weshalb, Miß Mac-Ivor, dünket Ihr Euch werthvoller für einen Mann, der weniger fähig ist als ich, Euch zu lieben, Euch zu bewundern?«

»Nur deshalb, weil der Ton unserer Zuneigung übereinstimmender sein würde, und weil sein weniger lebhaftes Gefühl nicht die Erwiderung eines Enthusiasmus forderte, der nicht in meiner Gewalt steht. Ihr aber, Herr Waverley, würdet stets zu den Begriffen häuslichen Glückes zurückkehren, welches Eure Phantasie Euch zu malen vermag, und was von dem Ideale abwiche, würde als Kälte und Gleichgültigkeit betrachtet werden, während Euch mein Enthusiasmus für die königliche Familie wie ein Raub an der Euch gebührenden Neigung vorkäme.«

»Mit andern Worten, Miß Mac-Ivor, Ihr könnt mich nicht lieben?« sagte der Bewerber niedergeschlagen.

»Ich könnte Euch achten, Waverley, so sehr, und mehr vielleicht als irgend einen der Männer, die ich bis jetzt kennen lernte, aber ich könnte Euch nicht lieben, wie Ihr geliebt werden müßtet. O, wünschet Euch selbst zu Liebe keinen so gefährlichen Versuch. Die Frau, die Ihr heiratet, muß ihre Neigungen, ihre Meinungen nach den Eurigen gestalten. Ihre Studien müssen Eure Studien sein, ihre Wünsche, ihre Gefühle, ihre Hoffnungen, ihre Befürchtungen müssen ganz mit den Eurigen übereinstimmen. Sie muß Eure Freude erhöhen, Euren Kummer theilen, Euren Trübsinn aufheitern.«

»Und weshalb wollt Ihr, Miß Mac-Ivor, die Ihr eine glückliche Ehe so gut schildern könnt, weshalb wollt Ihr nicht selbst die Person sein, die Ihr beschreibt?«

»Ist es möglich, daß Ihr mich noch nicht versteht?« antwortete Flora. »Habe ich Euch nicht gesagt, daß bei mir jedes lebhaftere Gefühl ausschließlich einem Ereignisse zugewendet ist, zu dessen Beschleunigung ich in der That nichts habe als meine inbrünstigen Gebete?«

»Und kann nicht die Erfüllung meines Wunsches,« sagte Waverley, zu ausschließlich mit seinem Zwecke beschäftigt, um zu bedenken, was er sagte, »die Zwecke befördern, denen Ihr Euch gewidmet habt? – Meine Familie ist reich und mächtig, ihren Grundsätzen nach der Familie Stuart zugethan, und sollte eine günstige Gelegenheit –«

»Eine günstige Gelegenheit?« fiel Flora beinahe zornig ein. »Ihren Grundsätzen nach zugethan! – Kann eine so lauwarme Anhänglichkeit für Euch selbst ehrend sein, oder Eurem rechtmäßigen Herrscher genügen? Urtheilt nach meinen gegenwärtigen Gefühlen, was ich leiden müßte, nähme ich eine Stelle in einer Familie ein, in welcher die Rechte, welche ich für die heiligsten halte, der Gegenstand kalter Unterhaltung wären, und nur dann der Unterstützung werth geachtet würden, wenn sie auf dem Punkte ständen, ohne dieselbe zu triumphiren.«

»Eure Zweifel,« sagte Edward rasch, »sind ungerecht, so weit sie mich selbst betreffen. Die Sache, der ich beitrete, werde ich auch unter jeder Gefahr eben so unerschrocken vertheidigen, wie der Kühnste, der für sie das Schwert zieht.«

»Daran kann ich nicht einen Augenblick zweifeln,« entgegnete Flora. »Aber zieht eher Euer eigenes Urtheil, Euren eigenen Verstand als einen übereilten Entschluß zu Rathe, den Ihr wahrscheinlich nur faßtet, weil Ihr ein junges Mädchen, das mit den gewöhnlichen Vorzügen ihres Geschlechts ausgestattet ist, in einer eigenthümlichen und romantischen Lage fandet. Laßt Euren Antheil an diesem großen und gefährlichen Drama auf Ueberzeugung beruhen, und nicht auf einem voreiligen, und darum wahrscheinlich nur vorübergehenden Gefühle.«

Waverley wollte antworten, aber die Stimme versagte. Jede Gesinnung, die Flora ausgesprochen hatte, erhöhte die Gewalt seiner Neigung, denn so wild enthusiastisch ihre Königstreue auch sein mochte, sie war doch großmüthig und edel, indem sie es verschmähte, zur Beförderung der Sache, der sie sich gewidmet hatte, irgend ein unehrenwerthes Mittel anzuwenden. Nachdem beide den Weg abwärts eine Strecke schweigend neben einander hergegangen waren, begann Flora das Gespräch von neuem.

»Noch ein Wort, Waverley, ehe wir für immer von diesem Gegenstande Abschied nehmen, und verzeiht es meiner Kühnheit, wenn dieses Wort das Ansehen eines Rathes hat. Mein Bruder wünscht, daß Ihr Euch ihm bei seiner jetzigen Unternehmung anschließen möchtet. Willigt nicht ein; durch Euren einzelnen Arm könnt Ihr sein Glück nicht befördern, und Ihr würdet unvermeidlich seinen Fall theilen, wäre es der Wille des Schicksals, daß er fallen soll. Auch Euer öffentliches Ansehen würde darunter unfehlbar leiden. Laßt mich Euch bitten, nach Eurem Lande zurückzukehren; wenn Ihr Euch dann öffentlich von jedem Bande gegen die usurpatorische Regierung frei gemacht habt, dann werdet Ihr, wie ich hoffe, Ursache und Gelegenheit finden, Eurem gekränkten Herrscher erfolgreich zu dienen, und wie Eure königstreuen Vorfahren an der Spitze Eurer natürlichen Begleiter und Anhänger aufzubrechen, als ein würdiger Repräsentant des Hauses Waverley.«

»Und wäre ich so glücklich, mich dabei auszuzeichnen, darf ich dann hoffen –«

»Verzeiht meine Unterbrechung,« sagte Flora. »Nur die Gegenwart gehört uns, und ich kann Euch nur die Gefühle aufrichtig schildern, die ich jetzt empfinde; wie sie sich vielleicht durch eine Reihenfolge von Ereignissen verändern, die zu günstig sind, um sie hoffen zu dürfen, das vermag ich nicht zu sagen. Nur dessen seid versichert, Waverley, daß ich nach meines Bruders Ehre und Glück für niemand so aufrichtig beten werde wie für Euch.« Mit diesen Worten trennte sie sich von ihm, denn sie waren jetzt an die Stelle gelangt, wo ihre Pfade sich schieden. Waverley erreichte das Schloß unter einem Sturme sich bekämpfender Gefühle. Er vermied jedes Alleinsein mit Fergus, da er sich eben so wenig fähig fühlte, dessen Neckereien zu ertragen, wie auf dessen Vorstellungen zu antworten. Die wilde Lustbarkeit des Festes, denn Mac-Ivor hielt offene Tafel für seinen Clan, diente einigermaßen dazu, seine Gedanken zu betäuben. Nach Beendigung des Festes dachte er daran, wie er sich nach der peinlichen Erklärung dieses Morgens gegen Miß Mac-Ivor bei dem nächsten Zusammentreffen benehmen sollte; allein Flora erschien nicht. Fergus, dessen Augen flammten, als Cathleen ihm sagte, daß ihre Gebieterin für den Rest des Abends auf ihrem Zimmer bleiben wollte, ging selbst, sie zu holen, aber allem Anscheine nach waren seine Vorstellungen unerhört geblieben, denn er kehrte zurück, das Gesicht dunkel geröthet, und mit mancherlei Symptomen des Mißvergnügens. Der Rest des Abends ging hin, ohne daß Fergus oder Waverley auf den Gegenstand anspielten, der die Gedanken des letzteren in Anspruch nahm, ja vielleicht die beider.

Als Edward sich auf seinem Zimmer befand, versuchte er die Ereignisse dieses Tages zu summiren. Daß Flora für den Augenblick bei ihrer Weigerung beharren würde, war außer allem Zweifel. Aber konnte er auf spätere Gewährung hoffen, wenn die Umstände ihm gestatten sollten, seine Werbung zu erneuern? Konnte die enthusiastische Königstreue, welche in diesem Augenblicke der Begeisterung in ihrem Busen keiner andern Leidenschaft Raum ließ, von Dauer sein oder gleich stark bleiben, wenn der Erfolg der politischen Machinationen, die man eben vorhatte, scheiterte? Und wenn dies nicht geschah, durfte er dann hoffen, daß die eingestandene Theilnahme für ihn zu einer wärmeren Neigung werden könnte? Er strengte seine Erinnerung an, sich jedes Wort zurückzurufen, das sie zu ihm gesprochen hatte, jeden Blick, jede Bewegung, mit denen sie es begleitete, und er befand sich darnach in dem nämlichen Zustande der Ungewißheit. Es war sehr spät, ehe der Schlaf den Aufruhr seines Innern beschwichtigte.


 << zurück weiter >>