Jeremias Gotthelf
Die Käserei in der Vehfreude
Jeremias Gotthelf

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Noch böser wurden sie, als sie von Käufen hörten, welche hie und da geschlossen worden, und zwar durch die Gleichen, welche bei ihnen nur zu sagen gewußt: »Kommt auf Langau!« Es scheine, die könnten das Maul auch noch auftun, wenn sie wollten; werde es ihnen aber erst brav salben müssen, ehe es gängig werde. Was sie einem in Langnau sagen wollten, könnten sie ja einem hier schon sagen, es sei nur ein verfluchter Zwang mit dem Langnau, meinten die Einen. Eglihannes nahm dagegen heftig Partei und fragte, ob sie denn schon vergessen, was sein Freund gesagt: wie Viele auf der Reise wären und wie es käme, wenn jeder kaufen wollte, was ihm gefalle? Man könne auch nicht dem Einen sagen: »Du kaufst so viele«, und zu einem Andern: »Und du so viele«. Jeder habe seinen Strich, und in jedem Jahre ändere es mit den Käsen; wo man in einem Jahre die besten Mulchen gefunden, könnten im nächsten die schlechtesten sein, es sei da fast wie mit dem Wein, den man im gleichen Jahre auch so verschieden antreffe; das könne ja doch jedes Kind begreifen, wenn es nicht in der Vehfreude daheim sei. Das tönte wohl hart, blieb darum auch nicht ohne Gegenrede. Warum sie denn an einigen Orten kaufen, an andern bieten könnten und an andern nicht? Er werde wohl wissen, warum er den Käshändlern immer z'best rede und immer dabei sei, wenn einer die Nase noch nicht im Dorfe hätte. Wenn man es ihnen machte wie im Fustergraben, die täten das Maul ganz anders auf. Die hätten erst auch die Antwort bekommen: »Kommt auf Langnau!« Darauf hätten die gesagt: »Und auf Langnau kommen wir nicht, das ist ein verfluchter Zwang, da dreht dann jeder, und wer es am besten kann, der ist der Größt. Wollt Ihr sie, so bietet, wollt Ihr sie nicht, so geht in Gottes Namen. Es gibt noch Andere auf der Welt, und noch Mancher hat versprochen, zu kommen. Und kommt einer mit einem Gebot, bei welchem wir sein können, so geben wir sie je eher, je lieber, sei er wer er wolle. Und kommt Keiner und gibt, woran wir sinnen, so vermögen wir sie zu behalten, können dann fleißiger Kindstaufe halten.« Wohl, da ging das Maul auf, die Käse wurden verkauft, und um einen Preis, wie er kaum höher gehen wird. So sollte man es machen, die Käse wären längst verkauft, hieß es. »Probiers«, sagte Eglihannes, »probiers, wenn du doch meinst, du könnest es am besten. Mir ganz recht, weiß das Geld vielleicht besser zu gebrauchen als irgend einer von euch.« »Glaubens«, hieß es, »Dürluftpeterli hat es erfahren und Andere mehr. Schinden kannst, selb ist wahr, und nimmt dich nicht bald der Teufel lebendig am heiter hellen Tag, so ist er nichts mehr nutz wie die Regierung, wo du drin gewesen, er muß abgesetzt sein und ein anderer gemacht. Gerade du wärest gut dazu, hast keinen Posten, brauchtest den Teufel nicht zu fürchten, stelltest wieder was vor und könntest dann die Leute von Rechts wegen kujonieren vom Tüfel.« Natürlich schwieg Eglihannes zu solchen Komplimenten nicht, er trank sehr bösen Wein, daher hatte er allenthalben Anfechtungen und trug manche Malzeichen am Leibe, welche ihm hätten Verstand predigen sollen. Aber hatte er Wein im Kopfe, so war es ausgepredigt, und Eglihannes ließ seiner Frechheit vollen Lauf, bis er die Rechten an die Hand bekam, welche ihm handgreiflich demonstrierten, bis er gehörig gefaßt hatte, was sie ihm wohltätig glaubten.

Der Trotz, welcher vorgeschlagen worden, gefiel, denn er kam am Sonntage beim Wein zur Sprache, und je eher man ihn anwende, desto besser sei es, ward erkannt. Wie es sich doch zuweilen so vortrefflich trifft in der Welt, denn gleich am folgenden Morgen kam einer daher; wenn sie es also nicht erkannt gehabt, hätten sie das Glück nicht gleich beim Schopfe fassen und ihren Beschluß ausführen können. Das Männchen besah sich die Käse, diesmal ohne Eglihannes, sprach mehr von der Hütte und diesem und jenem als von den Käsen und sagte endlich: »He nun, wir werden einander in Langnau sehen.« Darauf schien der frühere Antragsteller gewartet zu haben wie ein Kanonier bei seiner Kanone mit brennender Lunte, um alsbald loszubrennen, wenn der Feind unter einem ins Auge genommenen Loche erscheint; denn sobald das Wort Langnau heraus war, donnerte er los: Man hätte jetzt bald genug Langnau. Es nehme sie wunder, ob man hier nicht ebenso gut das Maul aufmachen könne als in Langnau! Sie hätten nicht Lust, sich auftagen und endlich so recht am Narrenseil herumführen zu lassen. Wer bieten wolle, könne bieten, sie liefen der Sache nicht nach Langnau nach. Sie hätten Käs, welchen sie nicht dr Gottswillen absetzen wollten, sondern ums Geld. Es hätten noch Andere verheißen zu kommen, mit denen werde wohl ein Handel zu machen sein; es seien rechte Leute, begehrten, wie sie das Lob hätten, niemanden zum Besten zu halten. »Ihr habt recht«, sagte das Männchen,»würde es akkurat auch so machen. Ich würde ohne weiteres bieten, wenn ich den Käs begehrte, aber ich begehre ihn gar nicht. Warum, das will ich euch aufrichtig sagen. Ich bin keiner von den Größten, habe bereits, was ich haben muß, und jedenfalls sind mir die Käse zu groß und würden mir wohl zu teuer sein. Ich handle nicht nach Rußland, nicht nach Amerika, und da dienen mir kleinere Käse, höchstens von einem Zentner, viel besser. Aber«, fuhr er fort, »fordert nur keck den höchsten Preis; wer das Mulch begehrt, der wird es auch zahlen. Es ist wohl etwas darunter, was nicht am besten ist, das werdet ihr ausschießen müssen, dafür ist das Übrige desto besser.«

Eben um dieses Ausschießen dreht sich oft der ganze Handel. In jedem Mulch gibt es sogenannte gefehlte Käse, das heißt solche, welche nicht vollkommen sind, sondern irgend einen Makel in Gestalt und Form an sich tragen, gespalten, gebläht usw. sind. Deswegen sind sie oft nicht weniger schmackhaft, aber sie lassen sich entweder nicht versenden oder sehen wenigstens nicht so schön und appetitlich aus wie die andern. Diese gefehlten Käse begehren dann die Käshändler nicht, wollen das Recht sich vorbehalten, sie auszumerzen, während die Verkäufer sie gern mit in den Kauf gäben. Es handelt sich also darum, ob ein Ausschuß zu gestatten sei oder nicht, und wird einer zugelassen, ob ein unbestimmter, in das Gutdünken des Käufers gestellter oder ein auf eine genannte Zahl beschränkter. Das macht einen bedeutenden Unterschied, der zuweilen von angehenden Käsmännern nicht so recht begriffen wird. Erfahrung erst bringt Wissenschaft. Erfahrung brachte man ehedem nicht mit auf die Welt, jetzt ists aber drauf und dran; die Hebammen bilden bereits im Wichtigsten, noch ein Fortschritt, und das Kind springt als ausgemachter Mann auf die Welt, bereits versehen mit Bocksbart und Schnauz.

Die Vehfreudiger vernahmen des Mannes Rede mit Wohlbehagen. Dem hätte man doch endlich die Zunge gelöst und wüßte jetzt, woran man sei, sagte einer zum Andern und luden den Mann zu einer Flasche ein. Der hatte ja nichts zu pressieren, dieweil er bereits versehen war, wie er sagte, und nahm es gern an, wenn er schon sagte, nötig hätte er gar nichts, erst vor zwei Stunden hätte er Kaffee gehabt. Er gehörte aber zu den Leuten, welche das Kamelartige an sich haben, daß sie, ohne es nötig zu haben, in Vorrat essen und trinken können. Man glaubt nicht, was das für eine kommode Eigenschaft ist für den, welcher sie besitzt, kommod im Krieg und Rat, absonderlich in Berlin, Lüneburg, Peterwardein und andern großen und schönen Städten, wo man aber höchstens alle drei Wochen zu einem ordentlichen Bissen kommt, zum Trinken, absonderlich in Lüneburg, außer salzichtem Wasser gar nicht. Das Männchen ließ es sich gar sehr behagen, und weil es es nicht nötig hatte, ließ es sich auch nicht nötigen, machte dafür seinen Gastgebern gar kurze Weile und ließ im Interesse derselben so scharfe und boshafte Winke gegen die Käshändler fallen, daß die Vehfreudiger es für eine eigene Schickung hielten, welche diesen Mann ihnen zugeführt, und einen ihrer glücklichsten Abende verlebten. Denen Großgrinde wollten sie es jetzt zeigen, sagten sie. Die sollten erfahren, wer in der Vehfreude daheim sei, denen wollten sie den Marsch machen, wie ihn ihnen noch niemand gemacht. DSach war schön, der Mut groß, und was will man mehr! Aber es verrinnen auch die Tage, was fern stand, rückt näher und näher; wenn das, was heranrückt, nicht bringt, was es bringen soll, so scheint die Sache anders, der Mut wird kleiner, lodert aber bei der leisesten Hoffnung, daß endlich komme, was kommen soll, schrecklich wieder auf, sinkt dann aber um so tiefer wieder nieder, wenn das Erwartete abermals nicht kommt. Es kanns geben, daß einem ganz miserabel wird ums Herz.

Nun, in der Vehfreude erwartete man gerade nicht Ungarn oder Kroaten, so gleichsam des Teufels Halbbrüder, mit Sporen an den Stiefeln, auf Rossen ohne Schwänze, mit großen und kleinen Kanonen, wie Heuschrecken, daß sie daherkämen, akkurat wie wenn das Meer daherkäme in himmelhohen Wellen, wenn es aufgerüttelt würde zu neuer Sündflut. So eine Wolke wäre in der Vehfreude gar nicht angenehm gewesen; aber einen Käsehändler, und wäre es nur ein ganz kleines Kerlchen gewesen ohne Roß und Geschütz, wenn nur mit Geld versehen, versteht sich, hätte man verdammt gern gesehen. Und schon nahte der Langnauer Markt, der Mittwoch nach dem Bettag! Sonst hatte der Bettag die Vehfreudiger interessiert, jetzt war es, als ob er gar nicht da wäre. »Was seit is ächt Üse (der Pfarrer)?« hieß es sonst, »der wird wieder ein Fuder abladen, alles, was er das ganze Jahr durch aufgeladen hat. Er machts wohl gut, aber es ist ihm auch zu gönnen, daß er einmal im Jahre den Kropf leeren kann, er bekäme ja sonst einen wie ein obrigkeitlicher Zehntspycher. Man nimmts, legts hin, wo man will, dann hälts wieder für ein Jahr und er läßt einen so ziemlich ruhig, wenn man ihm seine Birnen nicht stiehlt oder seine Zwetschgen. Ein kräftiges Wort hat er, selb ist wahr, es tschuret über einem ab bald wie ein Kübel heißes Wasser, bald wie ein Kübel kaltes, es düecht einem, man mögs nit erlyde. Ists einmal überstanden, so düecht es einem, es sei einem viel wohler.« So redeten die Vehfreudiger vom Bettag. Man sieht, sie hatten eine moderne Richtung und hielten nicht viel auf Buße. Sie kannten eine einzige Art von Buße, und die legten sie sich selbsten auf. Wenn sie ein Kalb oder sonst was zu wohlfeil verkauft hatten, so tranken sie einen Schoppen weniger, verkauften mehr faule Eier als gute usw., bis sie den Verlust eingebracht glaubten. Ungewöhnlich dicke Haut schützte sie vor der Plage der Selbsterkenntnis, und hinter dieser Haut hatten sie ein glücklicheres Selbstbewußtsein als die meisten Päpste, namentlich als der jetzige, und Päpste haben doch bekanntlich das Recht, sich für unfehlbar zu halten. Diesmal nun war der Bettag für die Meisten wie gar nicht da, sondern bloß der Langnauer Markt. Denn wenn sie vorher nicht verkauften, mußten sie doch nach Langnau, und wer dann da nicht verkauft habe, der sei bös zweg, hatte ihr Gastfreund ihnen gesagt. Dann erst fingen die Käsherren das rechte Drehen an, während bei den Weibern daheim erst das Aufbegehren losbreche, wenn das Geld, auf welches sie den ganzen Sommer vertröstet worden, nicht erscheinen wolle.

Schon war der Samstag da und kein Käsherr mehr erschienen, denn das ist eben wie bei den Zugvögeln: eine Woche, höchstens zwei, dann ists vorbei. Doch als seltener Trost gibt es bei den meisten Zügen Spätlinge, wie bei großen Armeen Nachzügler; so kam am Samstag endlich noch so ein Käsvögelchen dahergeflogen und machte mehr Freude als der erste Storch an Petri Stuhlfeier. Nachzügler gibt es aus Schwachheit, Trägheit oder Bosheit, wahrscheinlich der letztern Art war der erwähnte. Als er nach üblicher Umschau auf dem Platze stand, wo die Herren gewöhnlich zum letzten Male das Maul auftaten, sagte er: »Kommt nächsten Mittwoch nach Langnau!« Pang, puff, paff ging die Kanone wieder los, und zwar grob. Sie hätten bald genug des Langnaus; wenn sie nichts anderes sagen könnten, so wäre es ihnen lieb, es käme Keiner mehr. Sie hätten bald Zeit genug versäumt für nüt und aber nüt, es sei schrecklich. »Bietet, tut ein Bott, wenn Ihr Käs wollt! Nachlaufen tut man Euch nicht, selb müßt Ihr nicht meinen«, sagten sie. »Ist mir auch lieber«, sagte das Käsvögelchen spöttisch, »da würde es mir geschehen, wie es an einem Orte heißt: Stiege ich gen Himmel, so wäret ihr hinter mir, bettete ich mich im Grabe, so wäret ihr auch da. Nähme ich Flügel und bliebe am äußersten Ende des Meeres, so kämet ihr mir nach, und ich käme nicht zur Ruhe, denn eure Käse mag ich nicht und will ich nicht; ich will mir meine Kundsame mit euern Blasebälgen und Käsmutschen nicht verderben. Z'bruchen wüßt ih se nit, u esse mag se nit!«

So hätte ihnen noch niemand geredet, hieß es. Alle hätten die Käse gerühmt, aber es werde im Hosensack fehlen und nicht an den Käsen, daß er sie nicht möge. Er werde einer von denen sein, welche groß seien mit Gschaue, aber nicht mit Kaufen, darum die Sache vernütigten, um wohlfeil dazu zu kommen. Aber er müsse nicht meinen, daß sie erst heute auf die Welt gekommen, sie seien dagewesen, ehe er das erstemal in die Windeln gemacht. Das glaube er, antwortete das Bürschchen, aber sagen wolle er das nicht, ihren Käsen sehe man ihre Weisheit nicht an. Und wenn sie jemand rühme, so sei es bloß, um sie zum Besten zu halten, denn seit er in der Welt sei, habe er noch nie so über jemanden lachen hören als über sie und das Gespött mit etwas treiben, wie man es mit ihrem Hochmut auf ihre Käse treibe, wo kein einziger sei, dem man nicht was vorhalten könnte, daß es ihn wunder nehme, warum der Senn sich nicht mit dem Hüttengeld gestrichen, der werde aber was wissen und an der Sache nicht allein schuld sein wollen; so duplizierte das Vögelchen. Er solle nur reden, sagte man ihm, damit erleide er ihnen die Käse nicht und mache sie wohlfeil. Das begehre er nicht, sagte das Bürschchen, er möchte sie weder teuer noch wohlfeil; Hunde habe er keine und Schweine begehre er nicht zu vergiften, und sonst wüßte er sie nicht zu gebrauchen; nicht einmal Käszieger für die Länder könnte man daraus machen. Sie sollten den Käs behalten und bei Längem ihn ihren alten Weibern füttern; wenn eine ein Stücklein im Munde habe, bringe sie ihn wenigstens acht Tage lang nicht auseinander, und wegem Reden habe man Ruhe vor ihr. »Und lebet wohl und zürnet nüt!« setzte er noch hinzu. »Blase du - -«, quoll es hinter ihm her wie aus Donnerwolken, und den Bauch voll Lachens streckte das Bürschchen seine Beine, daß es weiters kam.


 << zurück weiter >>