Jeremias Gotthelf
Die Käserei in der Vehfreude
Jeremias Gotthelf

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Als Sepp, der nicht beim Beschluß zur Errichtung einer Käserei war (denn er ging im Laufe des Jahres nicht sehr oft ins Wirtshaus ohne seine Frau oder ohne besondere Veranlassung), aufgefordert wurde, an der Käserei teilzunehmen, schüttelte er anfangs den Kopf dazu. Er hatte viel Schlechtes davon gehört, wie sie Ehestreit mache und die meisten Bauern darob verarmten. Er behielt sich Bedenkzeit vor und wollte dies auch seiner Frau vorstellen. Seine Nachbarn lachten und sagten: Wenn sie es so hätten machen wollen, sie hätten ihr Lebstag keine Käserei zustande gebracht. Er glaube es, hatte darauf der Sepp gesagt, es komme darauf an, was man daheim für Weiber habe. »Du wirst auch keinen Engel haben«, hatten die Männer gesagt. »Lauf das Land auf, das Land ab, du findest keinen Kittel, wo dr Tüfel nit Haar drinnen hat.« Sie erzählten aber doch daheim, was der Sepp gesagt und wie es sie wunder nehme, was da beschlossen werde.

Sepp war seines biedern Wesens wegen und weil er trotz seiner beschränkten Lage dienstfertig war wie der reichste Bauer, den Meisten lieb, und auf seine Frau hielten die Männer große Stücke, weil sie so brav schaffte und so wenig brauchte, so schmuck immer war und doch so durchaus nicht hoffärtig. Die Männer hatten sie gar oft vor ihren Weibern gerühmt und sie zum Exempel gegeben. Wer die Weiber kennt, weiß, wie so was angeht und wie es wirkt ärger als Teufelsdreck und Höllenstein. Sie hatten Bethi von Anbeginn gehaßt, und alle Tage war der Haß größer geworden. Bethi war eine Fremde, und wenn Sepp schon nicht reich war, so war er doch ein schöner Bursche, von guter Familie, besaß ein Heimwesen, gehörte also zu den Bauern. »Dem wäre es wohl angestanden, ein Mädchen aus dem Dorfe zu nehmen, und einen Kreuzer Geld dazu hätte er brauchen können; jetzt kann er sehen, wie er mit dem Mensch fährt, das Stubejungfere gsi ist, und was so eine ist, weiß man ja zu Stadt und Land«, so räsonierten die Weiber. Als es aber ging, Bethi am Angstkarren zog und schwitzte unermüdet, nie über den Mann klagte, wohlgemut schien, keine Schlampe ward, sondern ein schmuckes, schönes Weib, dem alles wohl anstand, da ward Bethi noch bitterer gehaßt. Wenn irgend einer der Männer sich beigehen ließ, ein Wort darüber fallen zu lassen, wie ihm dies oder jenes an Bethi gefalle, wohl, da ward er angebrüllt: Wenn man den halben Tag vor dem Spiegel wäre und das Beste vorabfressen täte, so nehmte sie wunder, ob sie nicht auch fett und schön würden; aber wohl, da könnte man dann sehen, wie es der Haushaltung ginge! War der Mann klug, so schwieg er, war er etwas angetrunken, so sagte er wohl: Oh, Sepps Haushaltung ginge es so übel nicht, man sehe ihr keinen Mangel an, und so tief, wie er drin sei, müsse die Frau ihre Sache machen, sonst wäre er längst über Bord. Wohl, da ging dann das Donnerwetter noch schrecklicher los, und alle Männer im ganzen Dorfe mußten schuld daran sein, daß die Nägelibäuerin so schmuck und schön sei und Sepp noch nicht über Bord. Aber ein schlechter Kerl müsse Sepp auch sein oder dumm, sonst hätte er der Sache längst ein Ende gemacht; aber warte er nur, wenn er nichts merke, wolle man es ihm mit der Saukelle einschütten, bis es ihm über dem Hemliskragen herauslaufe.

Die Weiber samt und sonders, von Stüdi weg bis zur Viktoria, halten sich für makellose Göttinnen, welche unbedingt angebetet sein wollen, von ihren Männern wenigstens. Daher kommt es, daß man unter den Weibern mehr Göttinnen findet als Christinnen. Das kommt eben von der Eva her, welche Gott gleich werden wollte.

So stand Bethi zu den andern Weibern in der Vehfreude; aber wir müssen sagen, es kümmerte sich wenig darum. So eine rechte Bäuerin hat keine Zeit zu Visiten, und hat sie einmal Zeit, ordentlich abzusitzen, so nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand und erbaut sich darin. Es gibt aber leider auch solche, welche jahraus, jahrein kein Buch zur Hand nehmen, kein weltliches, geschweige denn ein geistliches, welche keine andere geistige Nahrung haben als die, welche Klapperweiber ihnen zutragen. In solchen Köpfen muß es doch höllisch aussehen!

Sepp brachte also die Sache Bethi vor, äußerte seine Bedenken, wie er denn doch nicht möchte, daß so eine Käserei ihnen den Unfrieden ins Haus brächte oder gar sonst noch größere Verlegenheiten. Darauf sagte Bethi: »Wie mans treibt, so hat mans. Es wird kein Gesetz sein, daß es allenthalben gleich gehen, allenthalben man sich damit plagen müsse. Ich hülfe probieren mit Verstand, vielleicht daß wir hierin Glück haben. Mit Butter- und Milchverkauf kommen wir nicht weit, es ist hier der Absatz nicht, und das Geld kommt gar verstümpelt ein und oft gar nicht, daß man wenig damit machen kann.« Beide rechneten nun, wenn sie täglich von vier Kühen die Milch abgeben würden, so behielten sie immer noch genug für sich und dürften am Ende des Käsjahres bei den üblichen Preisen auf wenigstens zweihundert Gulden hoffen, ein großes Stück Geld zu den Zinsen, welche sie jährlich zu entrichten hatten. Bloß die Bau- und Einrichtungskosten plagten sie. Wenn sie den Bauplatz, der so schicklich wäre, der Gesellschaft verkaufen könnten, so wäre ihnen gut geholfen, wie wohlfeil sie ihn auch anschlugen, dachten sie.

So friedlich ward getaget im Nägeliboden, und wohlgemut und unversehrt im Gesichte unterschrieb Sepp für vier Rechte. Das mehrte begreiflich die Zuneigung der Vehfreudigerinnen zu Bethi nicht, als die Männer ihnen vorhielten, wie verständig Bethi sich benommen und wie mit der doch noch ein vernünftiges Wort zu reden sei. Das vermehrte aber auch nicht die Hoffnung, die Käserei auf den Nägeliboden zu bekommen; viel lieber hätten die Weiber dieselbe oben im Dürluft gesehen, wenn nicht die meisten, um zum Dürluft zu kommen, beim Nägeliboden hätten vorbeigehen müssen.

Als es bekannt ward, daß vom Nägeliboden die Rede sei und Sepp den Platz dazu wohlfeil angeboten, da gab es in der Vehfreude Geschrei und Lärm, wie nie erhört worden. Ein alter Küher hat erzählt: Einmal, als er auf der Alp gewesen, habe es geschneit, daß er die Kühe zwei Tage in der Hütte habe behalten müssen, und Futter hätte er keine Handvoll gehabt, den Kühen hätte er nichts geben können als zweimal des Tages die Milch, welche er ihnen ausgezogen. Nun hätten seine siebenzig Kühe gebrüllt, daß Boden und Hütte gezittert. Schrecklicheres habe er sein Lebtag nicht gehört, es hätte ihn fast zur Verzweiflung gebracht; er hätte den Kopf ins Bett gestossen, er sei durch den Schnee weitweg geflohen, aber dem Gebrülle habe er nicht entrinnen mögen, er habe es noch wochenlang nachher in den Ohren gehabt. Wäre aber der alte Küher zu selber Zeit in der Vehfreude gewesen, er hätte noch ein ganz anderes, viel schrecklicheres Getöse vernommen, welches die fünfzig bis sechzig Weiber in der Vehfreude verführt. Wenn der Teufel mit seinen schwarzen Engeln die fünfzig bis sechzig Männer dieser Weiber sichtbarlich durch die Lüfte davongeführt, es hätte sicherlich nicht so nötlich getoset. Manche hätte das Maul gehalten und gedacht: Mira! Wenn si ne ume nit leu falle vor dr Zyt! Daß die Männer alle das Recht haben sollten, alle Tage zur Käserei zu gehen, der Nägelibäuerin vor die Augen zu stehen, das kam ihnen unendlich schrecklicher vor, als wenn sie ihre Männer sehen täten im Fegfeuer an langen, langen Bratspießen über dem Feuer, als wären es Leipziger Lerchen. Es ging darum den Männern auch wie dem alten Küher, es war ihnen, wenn sie das Getöse nur loswären, die Weiber um Gottes willen nur wieder schwiegen und der Nägeliboden da wäre, wo der Pfeffer wächst.

Als endlich Käsgemeinde gehalten wurde, um einen Beschluß über den Platz zu fassen, da kriegten Fische Sprache, hielten Reden, die wie Stutzerkugeln durch dreizöllige Laden gegangen wären. Es lag in ihnen ein tiefes Bewußtsein, wenn es auch nicht um Leib und Leben gehe, so gehe es doch um Haut und Haar. Absonderlich der Eglihannes redete schön, denn er wäre nebenbei auch gerne Zahlmeister bei dem Bau geworden. Er hatte es wie ein Zägg, der, einmal in eine Schafhaut eingebissen, auch nicht wieder heraus will, bis er dick wie eine Kröte geworden. Eglihannes konnte nicht mehr vom Volke lassen; Eglihannes mischte Politik in seine Rede, warf hämische Blicke auf Aristokraten und Jesuiten. Mit dem wahren Grunde rückte, wie üblich, begreiflich niemand ins Feld. Endlich gab der Ammann den Ausschlag, der sagte: Mitten im Dorfe sei ein freier Platz, welcher niemanden gehöre, wenn ihn nicht etwa die Gemeinde in Anspruch nehme. Die werde aber kaum was sagen, er hülfe daher dort abstellen; der Platz sei gut und koste nichts. Die Gründe waren einleuchtend, und daß niemand Einwendungen machen werde im Namen der Gemeinde, da der Vorschlag vom Ammann selbst kam, das wußte der Ammann wohl am besten.

Eglihannes ward auch nicht Zahlmeister; er war stark im Verdacht, einen Naturfehler zu haben, welcher in Zahlen sehr irrt, nämlich zu lange Finger zu besitzen. Ein Verwandter des Ammanns, der ganz nahe bei dem erkorenen Platze wohnte, ward erwählt. Er war eben kein Hexenmeister im Rechnunggeben, und mit Beilagen machte er sich keine große Plage. Im Einnehmen hieß es entweder »Eingenommen« oder »Empfangen«; im Ausgeben »Ausgäben« oder »Geld gäben« und weiter nichts. Da er des Ammanns Vetter war und die Vehfreudiger den Grundsatz hatten, es sei gut, wenn Keiner dem Andern, das heißt kein Vehfreudiger dem andern (Eglihannes war Hintersäß) zu genau auf die Finger sehe, so ward seine Rechnung nach obigen Ansätzen sanktioniert ohne Beilagen, akkurat als wäre es eine Staatsrechnung, visitiert durch eine Staatswirtschaftskommission. Bei Privatrechnungen nimmt man es gewöhnlich genauer.

Nach langem Werweisen und Auslesen ward endlich ein Käser angestellt und ihr gegenseitiges Verhältnis auf einen Akkord abgestellt. Dieser war noch viel verfluchter als das Reglement, alle Vehfreudiger hatten darin ersinnen und erlisten helfen, bis sie endlich sämtlich erkannten, es müßte einer schlimmer als der Teufel sein, wenn er noch etwas machen wollte; sie wüßten nicht, was sie lieber wollten, als Senn einen solchen Akkord unterschreiben oder einen Strick sich um den Hals machen lassen. Der Senn aber unterschrieb ganz kaltblütig, daß es den Bauern katzangst den Rücken auflief. Entweder sei das ein Lappi wie Keiner oder der verfluchtest Spitzbub unter der Sonne, sagten sie.

Die öffentlichen Angelegenheiten wurden auf das Eifrigste besorgt, die Ausschüsse aller Art stellten sich tapfer, säumten mit nichts, und als endlich auch das Käskessi anlangte, schien das Düpfli auf das i gesetzt. Es war ein gewaltiges Ding, wog mit der Handhabe über dreieinhalb Zentner und hatte einen Bauch, daß man darin nicht bloß für die Arche Noah, sondern für die sämtlichen Kinder und Kindeskinder von Sem, Ham und Japhet die beliebten Linsengerichte kochen konnte.


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