Jeremias Gotthelf
Die Käserei in der Vehfreude
Jeremias Gotthelf

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Dieser Mani privatisierte also auf seinem Galgenmösli, dessen gelben, zähen Boden er für den besten hielt auf dem ganzen Erdenrund. Als spekulativer Kopf befaßte er sich mit Plänen für die Zukunft. Ganz besonders ging es ihm im Kopfe herum, auf seinem Galgenmösli ein Spital oder besser Pension, zugleich auch eine Löffelschleife für abgenutzte Regenten, zu bauen. Seine Frau konnte ein gutes Ordinäri wohl kochen, er glaubte sich imstande, durch Vorlesungen die abgestumpften Regenten wieder brauchbar zu machen, daß sie wären wie neu. In der Zwischenzeit konnten sie ihm zu Verbesserungen ihres Unterleibes seine zähen Furchen hacken. Was ihn von sofortiger Ausführung seines Planes abhielt, war das Bedenken wegen dem Kostgelde. Wer bei Kasse ist, geht gewöhnlich mit der Kasse nach Amerika, wer nicht bei Kasse war, dem fragte Mani begreiflich nichts nach. Er hielt sich für einen der größten Staatsmänner seiner Zeit und also zur Restauration von Staatsmännern ganz besonders befähigt, und zu diesem Glauben hatte er seinen guten Grund. Es war ihm nämlich gelungen, sich über das gewöhnliche Zeitmaß hinaus eine Popularität und somit auch Amt und Quartalzapfen zu erhalten. Er besaß nämlich eine Natur, welche jeder Regierung sehr erwünscht sein muß und welche sie immer im einem, höchstens zwei Exemplaren sich sichern wird, wenn sie klug ist. Er hatte in hohem Grade die Gabe, sich verhaßt zu machen und alle, welche das Unglück in seine Nähe führte, auf die schrecklichste Weise zu kujonieren. Niemand war tauglicher für den Skorpion des Rehabeam oder als moralischer Henkersknecht zu plagen und zu quälen die, denen man ihn auf den Hals setzte. Wollte daher eine Regierung eine Klasse von Staatsbürgern so recht nach Noten reiten und züchtigen, so nahm sie, wie eine Schröpferin ihre Schröpfhörner, den Mani und setzte ihn denselben auf. Wohl, die lernten dann nach Gott schreien, maßen Weh und Not dem Mani zu, auf Mani lud sich der Zorn, wie Eiter und Blut auch nicht an die Schröpferin, sondern in ihre Hörnlein fließen. Der Sage nach soll er seine Mutter, welche ihn als jüngstes Kind lange nicht entwöhnen konnte, in allzugroßer Zärtlichkeit so gebissen haben, daß sie am Brustkrebs gestorben sei. Um solcher Eigentümlichkeit willen ward er einer der brauchbarsten Staatsdiener seiner Zeit, und lange behielt er seine Stelle, an welche er sich hing wie eine Kleblaus an einen Bettler, so daß man wirklich hätte glauben sollen, sie würden sich nur im Tode trennen.

Indessen, bei einem allgemeinen Säuberungsprozeß trennte man sie doch, und Mani fand einstweilen das Galgenmösli als den passendsten und angenehmsten Aufenthalt für sich und seine Familie. Diese liebte er auf das Zärtlichste, wie er sagte, daher kujonierte er sie auf das Fürchterlichste, hauptsächlich auf Französisch. Diese Familie bestand, da er keine Kinder hatte, was er öfters auf das Bitterste beweinte und bedauerte, diese Gegenstände, an denen er seine Zärtlichkeit auslassen konnte, nicht zu besitzen, aus seiner Frau und einem schwarzen Pudel. Die Frau, früher Operntänzerin, war eine niedliche, kleine Gestalt; er hatte sie hauptsächlich ihrer Kunst willen, sich zu fardieren oder zu schminken, geheiratet. Diese Kunst mußte sie nun alle Morgen an Mani ausüben, der wie die Götter Griechenlands gern ewig jung und ewig schön geblieben wäre. Der armen Frau war das Tanzen vergangen, sie hinkte gewöhnlich; beim Fardieren traktierte sie Mani mit Fußtritten, weswegen sie an den Beinen den Regenbogen hatte, welcher Mani im Gesichte zierte; sie hieß Adeline, der Pudi hieß Laps und besaß das trostloseste Gesicht, welches einem Christenmenschen in seinem Leben vorkommen konnte. Dicht an den Fersen zottelte er seinem Meister nach, sah jeden Menschen ganz jämmerlich an, daß einem unwillkürlich das Mitleid ankam und man in den Taschen nach einem Stücke Brot suchte. Aber wohl, wir hätten es dem armen Laps nicht raten wollen, wie hungrig er auch gewesen wäre, angesichts Manis aus einer andern Hand zu fressen als aus seiner, er wäre seines Lebens nicht sicher gewesen. Das mußte der arme Pudel auch wissen; wie miserabel er, den Schwanz zwischen den Beinen, seinem Meister nachzottelte, wie jämmerlich er die Menschen ansah, als wollte er sagen: Ach ich armer Pudel, wer wird mich erlösen aus den Banden des Mani, so hätte er es doch um kein Lieb gewagt, von den Fersen seines Meisters zu weichen, zu verlassen Manis Fußstapfen oder gar Manis Hand, Schuhe, welche er ihm oft nachtrug, aus dem Maule fallen zu lassen.

Gefallene Größen lieben es, Besuche zu erhalten; sie sind ihnen Zeugnis, daß sie noch nicht ganz vergessen sind, geben ihnen Gelegenheit, sich auszusprechen über ihre Verdienste, der Menschen Verkennung, der Welt Undank, erwecken Hoffnungen, der Tag werde kommen, wo man begreife, wer sie gewesen, was sie gewollt, wieviel man an ihnen verloren, und sie wieder holen werde mit Gesang und Tanz und den üblichen Kanonenschüssen. Mani teilte diese Schwachheit, aber diese Ehre wurde ihm selten zuteil. Bitterer als er klagte daher niemand über den Undank der Welt. Kam zur Seltenheit jemand ihm zufällig in die Hände, so führte er ihn auf seiner Herrschaft, dem Galgenmösli, herum und war glücklich, wenn ihm etwas daran gerühmt wurde, und wären es nur die Schwänze seiner Schweine gewesen. Diese seltenen Besuche waren von zwei Sorten; die erste bildeten die ausgejagten Subjekte, welche beim neuen Regimente außer Kurs gesetzt wurden und Hunger bekamen. Diese taten Mani anfangs immer sehr wohl; sie lästerten das Neue, priesen das Alte, meinten, wenn man Mani behalten hätte noch einige Jahre, so hätte kein Mensch mehr an den Himmel gedacht, so sauwohl wäre es allen auf der Welt gewesen. Hatte ihn dann so ein Subjekt, ein ausgejagter Landjäger oder verlaufener Schreiber, so recht eingesalbt und breiweich gemacht, daß ihm die Tränen stromweise die Backen ab sickerten, so machte er nicht Schmollis mit ihm. Mani warf sich nicht weg, er dachte immer an die Tage, wo er höher als je zu stehen hoffte; aber er schwitzte wohl ein Stück Geld, nach den Umständen sogar Silber. Schweiß schwächt aber, besonders silberner, und wer schwach wird, wird gern auch hässig. Die Beine seiner Adeline waren daher nie himmelblauer und seines Laps Gesicht nie jämmerlicher als nach einem solchen silbernen Schweiße.

Die andere Sorte bestand aus Geschäftsleuten von der Weise des Eglihannes. Mani liebte sein Vaterland grausam, akkurat wie seine Frau Adeline und den Pudi Laps. Er zog daher sein Geld nicht aus dem Lande, wie die Aristokraten und Spitzbuben, sondern er behielt es in demselben, half braven Leuten und griff ihnen unter die Arme. Aber nach dem Grundsatze, daß die Linke nicht wissen solle, was die Rechte tue, und weil er nicht den Ruhm vor den Menschen haben wollte, spendete er seine Wohltaten nicht selbst, sondern durch andere dienstbare Geister, den Eglihannes zum Beispiel, den falbroten Grützler, den berüchtigten Schabohr im Saukasus usw. usw., dem die Frömmigkeit Stoff zu neuen Streichen an die Hand gibt – wissentlich oder unwissentlich? Diese hatten offene Kasse bei ihm, und er hatte teil an ihren Geschäften und eben doch so, daß niemand es wußte, und half den Leuten auf, das heißt auf die Beine; nämlich wenn man kein Geld hatte, so begnügte man sich mit einem Rosse, einer Kuh oder einem Stück Geld; hatte man weder Roß, Kuh noch Geld mehr, so war man so gut und begnügte sich mit dem Unterpfand und nahm dieses zur Hand; den Leuten tat man gar nichts, man ließ sie laufen, wohin sie wollten, ganz frei, volkstümlich, als wären sie Volks- und Vaterlandsfreunde. Nicht einmal barfuß mußten sie laufen, hatten sie Schuhe, man ließ sie ihnen wirklich! Aber sollten diese Volks- und Vaterlandsfreunde Eglihannes oder Schabohr einmal was zahlen, dann mußte einer früh anfangen, Hiobs Geduld haben und zu Methusalems Alter kommen, wenn er es erleben wollte, das Geld in seinen Händen zu sehen; denn die Gesetze waren kommod für die, welche sich darauf verstanden und für wen sie gemacht waren, und für die, welche betrieben sein wollten, besser als für die, welche Andere betreiben lassen mußten.

Mani hatte am Tage vorher eben einem alten Spion, der vorgab, er sei geleisteter Dienste wegen fortgejagt worden, silbern geschwitzt und war schrecklich aufgebracht. Seine Frau war in den Keller gelaufen und hatte ihre brennenden Beine in Sauerkabiswasser gesteckt; Laps, der Pudel, kroch ganz auf dem Bauche, wußte gar nicht, wo er den Schwanz haben solle, daß es dem Herrn recht sei, und machte ein herzbrechendes Gesicht. In seinem Zorne segelte Mani seinem Buchwalde zu, um den armen Laps auf arme Kinder zu dressieren. Mani hatte nämlich gehört, daß man aus Buchnüssen Öl machen könne, und gesehen, daß arme Kinder solche in seinem Walde auflasen. Nun dachte er schnell auf Errichtung einer großartigen Ölfabrik, da es ringsum viel Buchwälder gab, in welchen er das Recht, Buchnüsse aufzulesen, wohlfeil zu erhalten hoffte, dressierte einstweilen seinen Pudel Laps auf arme Kinder, welche ohne Recht sich an die Buchnüsse machten. Während der Pudi auf arme Kinder jagte, zählte Mani seine Buchen und überschlug ihren Ertrag in Nüssen, verwandelte ihn dann in Öl und brachte enorme Summen heraus. So ins Kalkulieren vertieft, hörte er es plötzlich rascheln dicht hinter sich im Laube. Da fuhr Mani zweg, tat das Maul auf und wäre ohne Schminke total blaß geworden, faßte den Stock mit beiden Händen, sah grausig durch die schwarze Brille nach hinten. Mani fluchte oft über den Donners Glauben, und wenn er seinen Laps hinter sich und sieben Mann wohl bewaffnet um sich hatte, fürchtete er weder Gott noch Teufel. Aber des Nachts oder allein im Walde ohne Laps, da wußte Mani, daß es einen Teufel gab, und ein Glaube, pechschwarz wie der Teufel und Höllengeist, fuhr ihm in der Seele auf und ab, und wenn es irgendwo einen Ton gab, meinte er, jetzt komme der Teufel und hole ihn. So war es ihm auch jetzt, als er mit aufgesperrten Nasenlöchern über die Achsel sah. Doch es war nicht der Teufel selbst, es war bloß der Eglihannes, der Mani suchte. Sonst sah Mani den Hannes gerne, denn wo derselbe ihm erschien, und wars im dichtesten Walde, eröffnete sich ihm eine angenehme Aussicht. Diesmal sagte er ihm, er sei ein Lümmel, denn dies sei keine Manier, die Leute so zu erschrecken; komme er ihm noch einmal so, so sei es zum letztenmal und er lasse ihm durch Laps, der für alles gut sei, den Weg zeigen.

Eglihannes fürchtete Mani aber nicht halb so sehr als dieser den Teufel, und den Laps fürchtete er gar nicht, der schlechte Zähne hatte und niemanden biß, der ihm einmal was Angenehmes gegeben. Eglihannes lachte daher und sagte: »Habt Ihr geglaubt, die Zeit sei um und er sei da? Habt einstweilen nicht Kummer, er tut Euch nichts und mir nichts, wir sind ihm zu lieb; er wird die nicht plagen wollen, welche es am besten mit ihm meinen. So dumm ist er dann doch nicht.« Eglihannes spielte den Ungläubigen, manchmal machte er recht eigentlich den Lästerer. Vom Christentume begriff er so wenig als eine Kabisstorze oder eine Blindschleiche, aber er hatte es wie die meisten dieser Menschen: er war feig, bebte im Herzen, und den Namen dessen, von dem er sprach, vermochte er hier im dunklen Walde nicht über die Lippen zu bringen; warum, wußte er selbsten nicht. Mani blieb nicht gern bei diesem Gegenstande und fragte kurz nach Eglihannes' Begehr, er dachte, der Teufel könnte ein Schelm sein. Eglihannes wollte sich kurz fassen und bloß hundert oder hundertfünfzig Gulden leihen, weil er sie haben sollte. Aber Mani verstand das nicht so, besonders jetzt nicht, wo seine Galle in Aufruhr war. Er fragte, bis er wußte, worum es sich handle. Da versprach er das Geld, aber um die Hälfte des Profits, und Eglihannes mußte es sich gefallen lassen. Wart du nur, dachte er, ein andermal bin ich dir schlau genug, und daß du immer die Nidle von der Milch haben müssest, selb steht nirgends geschrieben, du Katzenmani.

Peterli bekam sein Geld und wirklich bar, wie es ausgemacht war. Eglihannes pflegte sonst gern solchen Summen ein wertloses Papier beizufügen in ursprünglichem Werte. Hatte einmal einer die Unvorsichtigkeit begangen, ein solches Schriftchen ihm abzunehmen, so konnte er es auch behalten; Eglihannes gab kein gutes Wort dafür, und sonst auch niemand. Peterli und sein Eisi, denn das wollte dabeisein, liefen nun greiseten Kühen nach auf allen Märkten, erlebten viel, und das Meiste merkten sie nicht. Wie ihnen ging es noch Andern in der Vehfreude, die nach greiseten Kühen liefen: sie brauchten viel Geld, und was sie dafür bekamen, wußten sie nicht, mußten erst die Erfahrung machen. Wir wollen nicht übertreiben, aber überzeugt sind wir, dieser Wechsel kam die Vehfreudiger näher bei drei- als nur bei zweitausend Gulden zu stehen, denn einer wollte es immer besser machen als der Andere, und Mancher schaffte eine oder zwei Kühe mehr an, als er sonst hatte.


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