Dmitri Mereschkowski
Peter und Alexej
Dmitri Mereschkowski

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

IX.

Dem Volke wurde ebenso wie den fremden Höfen mitgeteilt, daß der Zarewitsch am Schlagflusse gestorben sei.

Aber das Volk wollte daran nicht glauben. Die einen meinten, der Vater hätte ihn zu Tode geprügelt. Andere schüttelten mißtrauisch den Kopf und sagten: »Es ist doch gar zu schnell gekommen!« Und andere wiederum behaupteten auf das bestimmteste, in den Sarg wäre statt des Zarewitsch die Leiche irgend eines Leibgarde-Sergeanten, der ihm ähnlich gesehen habe, gelegt worden, der Zarewitsch selbst aber sei am Leben, wäre vor dem Vater entweder in eine Einsiedelei hinter der Wolga oder in ein Kosakendorf in der Steppe, an die »freien Ströme« geflohen und halte sich dort verborgen.

Nach einigen Jahren tauchte im Kosakendorfe Jamenskaia am Flusse Busuluk ein gewisser Timofej Trushenik, das ist »Arbeiter«, auf, dem Aussehen nach Bettler und Vagabund, der auf die Fragen, wer er sei und woher er stamme, ganz offen erklärte:

»Ich komme aus den Wolken, aus der Luft. Mein Vater ist der Bettelstab, meine Mutter die Bettlertasche. Man nennt mich Arbeiter, weil ich für Gott und für eine große Sache arbeite.«

Im geheimen sagte er aber über sich selbst:

»Ich bin kein Bauer und kein Bauernsohn; ich bin der Sohn eines Adlers und werde selbst ein Adler sein! Ich bin der Zarewitsch Alexej Petrowitsch. Auf dem Rücken habe ich ein Muttermal in Gestalt eines Kreuzes und an der Lende eines in Gestalt eines Degens.«

Und die andern sagten über ihn:

»Er ist kein einfacher Mensch. Er wird es noch so weit bringen, daß die ganze Erde zittern wird! . . .«

In den Zetteln, die er in den Kosakendörfern heimlich verbreiten ließ, hieß es:

»Gelobt sei unser Gott! Wir, der Zarewitsch Alexej Petrowitsch machen uns auf, um die Gesetze unserer Väter und Großväter wieder aufzurichten. Wir stützen uns auf euch Kosaken wie auf eine Mauer von Stein, damit ihr für den alten Glauben und das gemeine Volk eintretet und alles wieder so herstellet, wie es in der Zeit unserer Vorfahren war. Kommt zu uns ihr alle, Nackte und Hungernde, heimatlose Barkenzieher und Vagabunden, wo ihr auch unsere Stimme vernehmet, eilt Tag und Nacht zu uns!«

Der »Arbeiter« wanderte durch die Steppen, sammelte eine Freischar um sich und versprach, »eine Stadt zu finden, in der das Zeichen der Muttergottes, das wahrhafte Evangelium, das Kreuz und die Banner Alexanders von Mazedonien ruhten. Und er, der Zarewitsch Alexej Petrowitsch, werde unter diesen Bannern regieren; und dann würde das Ende der Zeiten kommen und der Antichrist erscheinen; und er, der Zarewitsch, würde gegen die ganze feindliche Macht und gegen den Antichrist selbst kämpfen.«

Der »Arbeiter« wurde verhaftet, gefoltert und für die Führung eines falschen Namens und Titels geköpft.

Aber das Volk glaubte nach wie vor, daß der wahre Zarewitsch Alexej Petrowitsch, wenn seine Stunde geschlagen habe, erscheinen, den Thron seiner Vorfahren besteigen, alle Bojaren hinrichten und das gemeine Volk mit Gnaden überschütten würde.

So blieb er auch nach seinem Tode für das Volk die »Hoffnung Rußlands«.


 << zurück weiter >>