Dmitri Mereschkowski
Peter und Alexej
Dmitri Mereschkowski

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II.

Die Turmspitze der Admiralität, die sogenannte »Nadel« leuchtete im Nebel, von den Flammen der fünfzehn Schmelzöfen beschienen. Ein noch unfertiges Schiff mit schwarzen nackten Rippen ragte wie das Skelett eines Ungeheuers. Die Ankertaue erinnerten an riesige Schlangen. Die Flaschenzüge knirschten, die Hämmer pochten, das Eisen dröhnte, das Pech siedete. Im blutroten Widerscheine des Feuers huschten die Menschen wie Schatten hin und her. Die Admiralität glich einer Höllenschmiede.

Peter ging umher und besichtigte alles.

In der Waffenkammer prüfte er nach, ob das Kaliber der gußeisernen Kanonenkugeln und Granaten, die zu Pyramiden unter Schutzdächern aufgestapelt waren, »damit der Rost Sie nicht auffresse«, richtig aufgezeichnet sei; ob die Läufe der Flinten und Musketen mit Talg ausgegossen seien; ob Sein Ukas über die Kanonen ausgeführt wurde: »Es ist mittels eines Spiegels zu untersuchen, ob die Geschützrohre glatt gebohrt sind und ob sich in ihnen keine Unebenheiten oder Abschuppungen in der Richtung vom Bodenstück zur Mündung befinden; und wenn sich solche Ausbuchtungen zeigen, so ist ihre Tiefe mit dem Kanonenräumer zu untersuchen.«

Am Geruche unterschied er die verschiedenen Sorten des Walroßtalges; durch Betasten, ob das leichte Gewicht der Segelleinwand auf der Feinheit der Fäden oder auf der Undichtheit des Gewebes beruhte. Mit jedem Fachmanne unterhielt er sich wie ein Fachmann.

»Die Bretter sind an den Fugen peinlich genau zu hobeln. Man soll Bretter nehmen, die mindestens zwei Jahre gelagert haben, und je länger, desto besser: denn wenn man nicht völlig ausgetrocknete Bretter nimmt, so werfen sie sich hinterher, quellen im Wasser auf und drücken das Werg hinaus . . .«

»Die Planken sind mit durchgehenden Nägeln an den Bord zu befestigen. An den Enden sind Bugbänder anzubringen und mit den Barkhölzern zu vernieten.«

»Nur das beste Eichenholz ist zu verwenden, das bläulich und nicht rot sein soll. Ein aus solchem Eichenholz erbautes Schiff ist wie aus Eisen, und keine Flintenkugel kann die Wandungen durchbohren; sie kann höchstens zwei Zoll tief eindringen . . .«

In den Hanfspeichern nahm er aus den Ballen Proben von Hanf, tat sie zwischen die Kniee und untersuchte sie sorgfältig, indem er die Fasern wie ein Fachmann auseinander zupfte und durchschüttelte.

»Das Anfertigen der starken Schiffstaue ist eine schwierige und verantwortungsvolle Sache: man soll dazu nur den besten und gesündesten Hanf verwenden. Ein zuverlässiges Tau bedeutet für das Schiff Rettung, ist aber das Tau schlecht, so gehen Schiff und Mannschaft zugrunde.«

Man hörte den Zaren in einem fort auf die Lieferanten und Bauunternehmer schimpfen:

»Wie ich sehe, ist während meiner Abwesenheit alles den Krebsgang gegangen!«

»Ich werde genötigt sein, euch mit großer Mühe und erbarmungslosen Körperstrafen wieder zur Vernunft zu bringen!«

»Wartet nur, ich werde euch so einheizen, daß ihr bis zu den neuen Besen daran denken werdet!«

Lange Auseinandersetzungen konnte er nicht leiden. Als ein vornehmer Ausländer ihn einmal lange mit seinem Geschwätz aufhielt, spuckte ihm Peter ins Gesicht, beschimpfte ihn mit dem Mutterschimpfwort und ließ ihn stehen.

Einem betrügerischen Schreiber sagte er einmal:

»Was bei dir auf dem Papier fehlen wird, das werde ich dir auf den Rücken schreiben!«

Auf das Gesuch der Herren Admiralitätsräte um Erhöhung ihrer Jahresgehälter gab er den Bescheid:

»Dem Gesuch ist nicht stattzugeben, denn es handelt sich hier nur um einen Nutzen für ihre Taschen und nicht für den Dienst.«

Als er erfahren hatte, daß einzelne Schiffe der Galeerenflotte mit faulem Pökelfleisch verproviantiert waren und die Soldaten fünf Wochen lang nur von verdorbenen Stinten und Wasser leben mußten, aus welchem Grunde tausend Mann erkrankt und dienstuntauglich geworden waren, wurde er ernsthaft böse. Den alten ehrwürdigen Kapitän, der sich bei der Schlacht von Hangöudd ausgezeichnet hatte, hätte er beinahe ins Gesicht geschlagen.

»Wenn du dich in Zukunft wieder so dumm benimmst, so darfst du dich nicht beklagen, wenn du auf deine alten Tage entehrt wirst! Warum vernachlässigst du eine so wichtige Sache, die tausendmal mehr wert ist als dein Kopf? Du liest wohl selten das Militärstatut! Die Offiziere der betreffenden Galeeren werden gehängt, und ich glaube, daß auch dir wegen deines schwachen Regiments dasselbe Schicksal droht!«

Aber er ließ die bereits erhobene Hand sinken und beherrschte seinen Zorn.

»Niemals hätte ich es von dir erwartet,« fügte er leise, doch so vorwurfsvoll hinzu, daß es dem Schuldigen lieber gewesen wäre, wenn der Zar ihn geschlagen hätte.

»Passe auf,« sagte Peter, »daß solche Unmenschlichkeit nicht wieder vorkommt, denn dies ist vor Gott die schwerste Sünde. Wie ich neulich hörte, wurden hier in Petersburg letzten Sommer die Arbeiter im Hafen, besonders die kranken, so schlecht versorgt, daß die Leichen auf den Straßen umherlagen, was dem Gewissen und den Sitten nicht nur der Christen, sondern auch der Barbaren widerspricht, wie könnt ihr nur so herzlos sein? Ihr seid doch keine Tiere, sondern Christenmenschen. Gott wird die Seelen von euch fordern!«


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