Dmitri Mereschkowski
Peter und Alexej
Dmitri Mereschkowski

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III.

»An die hochwürdigen Metropoliten / Erzbischöfe / Bischöfe und andere Geistlichen Standes:

»Demnach Ihr von dem in der Welt niemahls erhörten Verbrechen Unsers Sohnes / gegen uns als seinen Vater und Souverain nunmehro genungsam vernommet habet / und wir sowol nach denen Göttlichen-, Natur-, Civil- und Kriegs-Rechten / als auch insonderheit nach Unsern Russischen Gesetzen (welche auch bei denen Particulier-Leuten ein Urtheil zwischen Vater und Sohn zu sprechen verwerffen) Macht genug hätten / vor diese seine Verbrechen / ohne daß wir Uns deßwegen andern Raths zu erholen bedürfften / mit Ihm nach Unsern Willkür zu verfahren / dennoch aber Uns vor Gott fürchten / und besorgen hierinnen eine Sünde zu begehen / indem natürlich, daß man anderer Leute Fehler eher / als seine eigene sehn kann; Und gleich wie ein Medicus, wenn er auch vor andern noch so sehr erfahren ist / schwerlich wagen wird / seine eigene Kranckheit alleine zu curiren / sondern deßwegen andere um Rath fraget; solcher Gestalt überlassen auch wir Unsere Kranckheit in Eure Hände / und verlangen Hilffe / aus Furcht des ewigen Todes zu sterben / denn so wir dieselbe allein curiren wolten / könte vielleicht geschehen / daß wir die rechte Maaße verfehleten / absonderlich, da wir Unserm Sohne durch einen schriftlichen Eyd beym Gerichte Gottes Pardon versprochen / dieses auch nachgehends mündlich bekräfftiget / jedoch mit dieser Bedingung / daß Er die Wahrheit ohne etwas zu verheelen / gestehen solle. Ob Er nun zwar solches durch Verheelung der wichtigsten Sachen / und in Sonderheit seiner gehabten Intention, zum Aufruhr gegen Uns / als seinen Vater und Souverain, verschertzet und gäntzlich auffgehoben; wollen wir Uns doch darinnen so gut als möglich vorsehen / damit wir Uns nicht übereilen. Und wiewol diese Sache mehr von denen weltlichen als Geistlichen Rechten dependiret / wir auch durch einen absonderlichen Befehl denen zusammen-beruffenen weltlichen Ständen anbefohlen / hierüber ein unvorgreifflich unpassionirtes Urtheil zu fällen; So verlangen wir davon doch allerhand Gründe zu wissen / und erinnern Uns der Worte Gottes / welche Uns vermahnen / daß man in dergleichen Sachen auch die Geistliche von dem Gesetze Gottes befrage / wie in dem 5. Buch Mosis in dem 17. Cap. v. 9. geschrieben stehet. Derohalben verlangen wir auch von Euch Metropoliten und Geistlichen Stände als Lehrern des Worts Gottes / daß Ihr Uns aus der heiligen Schrift eine wahrhaftige Unterrichtung und Beurtheilung ertheilet / was vor Straffe diese vor Gott greuliche / und dem Exempel des Absolons gleiche Intention und Verbrechen meines Sohnes / nach dem Gesetz Gottes und andern in der heiligen Schrift befindlichen Exempeln verdienet habe. Gehet nichts vorbei / und übergebet Uns solches schrifftlich mit euren eignen Händen unterschrieben / damit wir Uns hiernach richten und Unser Gewissen nicht beschweren mögen, wir verlassen Uns hierinnen auff Euch / als auff Bewahrer der Göttlichen Gebothe / als auff gute Hirten der Christlichen Heerde / und als wohlmeinende ihres Vaterlandes: Ja wir beschwören Euch bey dem Gerichte Gottes und Eurem Amte / daß Ihr ohne Heuchelei und ohne eintzige Furcht darinnen verfahret.

Peter.«

Die Bischöfe antworteten:

»Dieser Handel läuffet in die weltliche nicht aber in die Geistliche Rechte / insonderheit in einem solchen Reiche / welches den Namen einer Monarchie führet / und dessen Unterthanen nicht zukommet / das Recht zu sprechen / sondern deren Oberhaupt alles nach seinem Gefallen tun kann / ohne sich bey denen niedrigen Standes des Raths zu erholen. Dessen ungeachtet haben wir untenbenannte geistliche Personen / zu Folge Unseres allergnädigsten Monarchens Befehl / aus der heiligen Schrift dasjenige, was Unsern Gutdünken nach wegen dieser erschröcklichen und unerhörten That hierher zu gehören schiene / ausgesucht und angeführet.«

Es folgten Auszüge aus dem Alten und Neuen Testament. Zum Schluß hieß es wieder:

»Dieser Handel gehöret nicht unter Unsere Gerichtsbarkeit, wer hätte Uns zu Richtern gesetzet über diejenigen die Uns beherrschen? Wie vermögen die Glieder das Haupt zu regieren, so von denselben regieret und beherrschet werden müssen? Hiernebst muß geistliche Jurisdiction nach dem Geiste und nicht nach dem Fleische und Blut gerichtet werden. Auch ist dem Geistlichen Stande keine Gewalt gegeben / das eiserne Schwerdt zu führen / sondern die Gewalt des Geistlichen Schwertes. Alles dieses unterwerffen wir mit gebührender Devotion der höchsterleuchteten Decition unseres Monarchens. Unser Allergnädigster Monarchen schaffe / was vor seinen Augen angenehm ist. Will er den gefallenen straffen nach Maaß des Verbrechens und Übelthaten / so hat Er Exempel genug, die von uns aus dem Alten Testament angeführet sind / will Er aber Barmherzigkeit erzeigen / so hat Er vor sich das Beyspiel Jesu Christi selber / welcher den verlohrnen Sohn angenommen hat und die Barmherzigkeit vor die Opfer erhoben hat. Nachdem wir dieses kürzlich angezogen / so stehet nun das Hertz des Zaren in der Hand Gottes / es erwähle, wozu die Hand Gottes dasselbe leiten wird.«

Das Schriftstück war unterschrieben:

»Demütiger Stephan, Metropolit von Rjasan.«
»Demütiger Feofan, Bischof von Pskow.«

Es folgten noch die Unterschriften von vier Bischöfen, zwei griechischen Metropoliten, dem von Stawropol und dem von Thebaïs, vier Archimandriten, darunter auch Fedoß, und zwei Hieromonachen – lauter zukünftigen Mitgliedern des Heiligsten Regierenden Synods.

Aber auf die Hauptfrage des Zaren wegen des Eides, den er dem Sohne gegeben hatte, ihm in jedem Falle zu verzeihen, gaben die ehrwürdigen Väter keine Antwort.

Als Peter diese Kundgebung las, hatte er ein unheimliches Gefühl: als ob das, worauf er sich stützen wollte, unter ihm wie morsches Holz zusammenstürzte.

Nun hatte er das erreicht, was er selbst erstrebt hatte; vielleicht hatte er es zu gut erreicht: die Kirche hatte sich dem Zaren so vollkommen unterworfen, daß es nun den Anschein hatte, als ob sie überhaupt nicht mehr existierte; die ganze Kirche war er selbst.

Der Zarewitsch sagte aber zu dieser Kundgebung mit bitterem Hohn:

»Die Demütigen sind schlauer als der Teufel! Noch ist das Geistliche Kollegium nicht eingesetzt, und schon haben sie die geistliche Politik gelernt.«

Und er fühlte wieder, daß die Kirche für ihn aufgehört hatte, Kirche zu sein, und er gedachte der Worte Christi an den, von dem es geschrieben steht: »Du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich bauen meine Gemeinde«:

»Da du jünger wärest, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein andrer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst.«


 << zurück weiter >>