Dmitri Mereschkowski
Peter und Alexej
Dmitri Mereschkowski

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III.

Peter ließ dem Zarewitsch durch Tolstoi die »Fragepunkte« übergeben. Der Zarewitsch sollte sie schriftlich beantworten. Tolstoi riet ihm, nichts zu verheimlichen, weil der Zar alles wisse und von ihm nur eine Bestätigung verlange.

»Von wem weiß es der Vater?« fragte der Zarewitsch.

Tolstoi wollte es ihm lange nicht sagen, schließlich las er ihm den noch geheim gehaltenen Ukas vor, der aber später bei der Gründung des Geistlichen Kollegiums, des »Heiligsten Synods« veröffentlicht wurde:

»Wenn jemand in der Beichte seinem Beichtvater irgendeine böse und unbereute, gegen die Ehre und das Wohl des Zaren gerichtete Absicht, oder gar einen Verrat oder eine Verschwörung eröffnet, so ist der Beichtvater verpflichtet, es an entsprechender Stelle zu melden: entweder dem Preobrashenskij-Amt oder der Geheimen Kanzlei. Durch diese Verfügung wird das Sakrament der Beichte nicht verletzt und der Beichtvater handelt nicht gegen die Vorschriften des Evangeliums, sondern befolgt Christi Lehre: ›Sündiget aber dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm allein. Höret er nicht, so sage es der Gemeinde.‹ Wenn der Herr solches bei einem Vergehen gegen den Bruder zu tun befiehlt, um wieviel mehr gilt dies Gebot bei einem verbrecherischen Anschlag gegen den Fürsten.«

Als der Zarewitsch diesen Ukas angehört hatte, stand er vom Tische auf – das Gespräch mit Tolstoi fand unter vier Augen beim Abendessen statt, – und sein blasses Gesicht wurde ebenso rot wie neulich nach seinem Anfall in der Geheimkammer. Er sah Tolstoi so an, daß dieser erschrak und glaubte, der Zarewitsch habe wieder einen Anfall. Diesmal lief es aber glücklich ab. Der Zarewitsch schien sich beruhigt zu haben und in Gedanken versunken zu sein.

In diesem Zustande des Nachdenkens verblieb er nun mehrere Tage. Wenn man ihn ansprach, blickte er einen zerstreut an, als verstünde er nicht ganz, wovon gesprochen wurde. Er war plötzlich noch magerer geworden und sah, wie Tolstoi meinte, mehr tot als lebendig aus. Trotzdem verfaßte er eine ausführliche Antwort auf die »Fragepunkte« und bestätigte alles, was er in der Beichte gesagt hatte, obwohl er ahnte, daß dies vergeblich sei, da der Vater ihm sowieso nicht glauben würde.

Alexej hatte begriffen, daß P. Warlaam das Beichtgeheimnis verletzt hatte, und ihm fielen die Worte des heiligen Dmitrij von Rostow ein:

»Wenn irgendein weltlicher Fürst oder Gerichtshof einem Priester befehlen oder ihn mit Gewalt zwingen würde, das Geheimnis des Beichtkindes zu verraten, und ihn selbst mit Folter und Tod bedrohte, so ist der Priester verpflichtet, lieber zu sterben und die Märtyrerkrone zu empfangen, als das Siegel des Beichtgeheimnisses zu verletzen . . .«

Es fielen ihm auch die Worte eines frommen Greises von den Raskolniki ein, mit dem er sich einmal in der Einsamkeit der Nishnij-Nowgoroder Wälder unterhalten hatte, als er sich auf Befehl des Vaters in jenem Gebiet aufhielt, um Fichten für den Schiffsbau fällen zu lassen.

»Auf allen Kirchen, Popen und Sakramenten, Gebeten und Gesängen, Ikonen und übrigen Dingen ruht heute keine göttliche Gnade mehr: sie ist wieder in den Himmel genommen worden. Wer Gott fürchtet, der geht nicht mehr in die Kirche. Weißt du, wem das Lamm eures Abendmahls gleicht? Merke auf, was ich sage: es gleicht einem toten Hunde, der auf der Gasse liegt. Wenn jemand solches Abendmahl nimmt, so ist es um ihn geschehen: der Arme ist tot! Euer Abendmahl ist wie Arsenik oder Sublimat: es dringt durch Knochen und Mark tief in die verderbte Seele hinein; hinterher kann sie sich im Feuer der Hölle ausruhen und wie Kain der unbußfertige Sünder seufzen!«

Diese Worte, die dem Zarewitsch damals bedeutungslos erschienen waren, hatten jetzt einen schrecklichen Sinn bekommen. Was sollte nun werden, wenn der Greuel der Verwüstung sich wirklich der heiligen Stätte bemächtigt hatte, wenn die Kirche von Christo abgefallen war und der Antichrist über sie herrschte?

Wer ist aber der Antichrist?

Hier begann ein Delirium.

Das Bild des Vaters verdoppelte sich: wie in der plötzlichen Verwandlung eines Werwolfes sah der Zarewitsch zwei Gesichter: das eine war das gütige, liebe Gesicht seines Vaters, das andere – ein fremdes, wie eine Totenmaske schreckliches Gesicht des Tieres. Am schrecklichsten war aber, daß er nicht wußte, welches von den beiden Gesichtern das echte sei: ob das des Vaters oder das des Tieres? Wurde der Vater zum Tiere oder das Tier zum Vater? Ihn befiel ein solches Grauen, daß er den Verstand zu verlieren glaubte.

In dieser Zeit wurde in den Folterkammern des Preobrashenskij-Amtes die Untersuchung geführt.

Am Tage nach der Verlesung des Manifestes, am 4. Februar, eilten schon Kuriere nach Petersburg und nach Susdal mit dem Befehle, alle diejenigen nach Moskau zu bringen, die der Zarewitsch angegeben hatte.

In Petersburg verhaftete man Alexander Aikin, den Kammerdiener des Zarewitsch Iwan Afanaßjew, seinen Lehrer Nikifor Wjasemskij und viele andere.

Kikin versuchte während des Transportes nach Moskau, sich mit seinen Ketten zu erwürgen, aber man hinderte ihn daran.

Beim Verhör unter Tortur nannte er den Fürsten Wassilij Dolgorukij als den Hauptratgeber Alexejs.

»Ich wurde ganz unerwartet in Petersburg verhaftet,« erzählte später Fürst Wassilij selbst, »und in Ketten nach Moskau gebracht, weswegen ich in große Desperation und Bewußtlosigkeit geriet; ich wurde in Preobrashenskoje in strenge Haft genommen und dann auf den Generalhof vor seine Zarische Majestät geführt. Ich geriet in große Angst, als ich sah, daß die Worte, die Alexej über mich geschrieben, ernst genommen worden waren.«

Für den Fürsten Wassilij trat nun sein Verwandter, Fürst Jakow Dolgorukij ein.

»Habe Erbarmen, Zar,« schrieb er an Peter, »daß wir in unserem Alter nicht mit dem Namen eines Geschlechts von Bösewichtern beladen ins Grab steigen, was nicht nur unsern guten Ruf schänden, sondern auch unser Leben vorzeitig abkürzen könnte. Ich rufe dir daher nochmals zu: habe Erbarmen, habe Erbarmen, du Allbarmherziger!«

Ein Schatten des Verdachts fiel auch auf den Fürsten Jakow selbst. Kikin hatte ausgesagt, daß er es war, der dem Zarewitsch geraten habe, nicht zum Vater nach Kopenhagen zu reisen.

Peter tat dem Alten nichts zuleide, drohte ihm aber mit so fürchterlichen Strafen, daß Fürst Jakow es für nötig hielt, dem Zaren seine früheren treuen Dienste in Erinnerung zu rufen; »für die ich nun, wie ich höre, mit dem grausamen Tode auf dem Pfahle belohnt werden soll,« schloß er mit Erbitterung.

Peter fühlte noch einmal, wie einsam er war. Wenn auch der aufrechte Fürst Jakow ein Verräter war, wem sollte er dann noch trauen?

Der Kapitänleutnant Grigorij Skornjakow-Pissarew brachte die frühere Zarin Awdotja, die jetzige Nonne Jelena aus Susdal nach Moskau. Unterwegs schrieb sie dem Zaren folgenden Brief:

»Allergnädigster Herr!

»Vor einigen Jahren – in welchem Jahre es war, erinnere ich mich nicht mehr – wurde ich auf mein Gelübde hin im Susdalschen Kloster zu Mariä Schutz und Fürbitte als Nonne eingekleidet und mit dem Namen Jelena benannt. Nach meiner Einkleidung trug ich das Klosterhabit etwa ein halbes Jahr; da ich keine Nonne sein wollte, entsagte ich dem Klostergelübde, legte das Habit ab und lebte in jenem Kloster nur dem Scheine nach als Nonne, in Wirklichkeit aber im Laienstande. Dies wurde von Grigorj Pissarew aufgedeckt. Und nun hoffe ich nur auf die Gnade Eurer Majestät. Indem ich mich Euch zu Füßen werfe, bitte ich um Barmherzigkeit und um Vergebung für mein Verbrechen, damit ich nicht eines schändlichen Todes sterbe. Und ich verspreche, wieder Nonne zu werden und bis an meiner Tage Ende in diesem Stande zu leben. Und ich werde zu Gott für dich, meinen Zaren, beten.

»Eurer Majestät ergebenste Magd,

Eure ehemalige Frau Awdotja.«

Die Schatzmeisterin des gleichen Klosters, Schwester Maremjana sagte aus:

»Wir wagten nicht, der Zarin vorzuwerfen, daß sie das Habit abgelegt habe. Gar oft sagte sie: ›Alles gehört uns, was des Zaren ist; ihr wißt doch, wie der Zar den Strelitzen für seine Mutter vergolten hat; nun ist auch mein Sohn den Windeln entwachsen!‹ Als sich der Major Stepan Gljebow in Susdal aufhielt, um Rekruten anzuwerben, empfing ihn die Zarin in ihrer Zelle; sie schlossen sich ein und sprachen miteinander, mich schickten sie aber in meine Zelle fort, damit ich ein Kleid zuschneide, oder gaben mir zehn Kopeken, damit ich in die Kirche singen gehe. Als Gljebow sich frech aufführte, sagte ich zu ihm: ›Was führst du dich so auf? Das ganze Volk weiß es!‹ Und die Zarin schalt mich dafür und sagte: ›Wer fragt dich danach? Du paßt zu sehr auf mich auf!‹ Auch die andern sagten zu mir: ›Warum erzürnst du so die Zarin?‹ Jener Stepan besuchte sie auch bei Nacht, worüber mir der Diener und die Zwergin Agafja berichteten: ›Gljebow geht an uns vorüber, und wir wagen nicht, uns zu rühren.‹«

Die Schwester Kapitolina gestand:

»Gljebow kam allabendlich zu ihr, der Zarin-Nonne Jelena, und küßte sie und umarmte sie. Ich ging dann jedesmal hinaus. Die Liebesbriefe Gljebows gingen durch meine Hand.«

Gljebow selbst sagte ganz kurz:

»Die gewesene Zarin und ich haben uns in Liebe gefunden und haben unzüchtig miteinander gelebt.«

Alles andere leugnete er. Man folterte ihn schrecklich: man schlug ihn mit der Knute, brannte ihn, führte ihn nackt in den Frost, brach ihm die Rippen, zerriß ihm den Körper mit Zangen, setzte ihn auf ein mit Nägeln gespicktes Brett und zwang ihn, barfuß über eine mit zugespitzten Pflöcken gespickte Diele zu gehen, so daß seine Füße zu eitern begannen. Er ertrug aber alle diese Qualen, verriet aber niemand und gestand nichts ein.

Die gewesene Zarin sagte aus: »Am 21. Februar wurde ich, die Nonne Jelena, auf den Generalhof gebracht und dort mit Stepan Gljebow konfrontiert. Dabei bekannte ich, daß ich mit ihm gebuhlt habe, und dies meine Schuld sei. Obiges habe ich mit eigener Hand geschrieben. Jelena.«

Der Zar beabsichtigte, dieses Geständnis später in einem Manifest an das Volk zu veröffentlichen.

Die Zarin sagte ferner aus:

»Ich habe das Habit deshalb abgelegt, weil der Bischof Dossifej von Stimmen, die aus den Heiligenbildern erklangen, und von vielen Gesichten geredet und geweissagt hatte, daß Gottes Zorn kommen und eine Empörung im Volke ausbrechen werde; daß der Zar bald sterben, und ich mit dem Zarewitsch regieren werde.«

Man verhaftete Dossifej, entkleidete ihn in einer Kirchenversammlung seiner bischöflichen Würde und nannte ihn den Ex-Priester Demid.

»Nur ich allein bin in dieser Sache zur Verantwortung gezogen worden,« sagte Dossifej in der Kirchenversammlung. »Schaut nur, was die andern auf dem Herzen haben! Lauscht nur, was man im Volke redet!«

Der Ex-Priester Demid wurde in der Folterkammer auf einer Wippe gestreckt und befragt: »Warum wünschtest du Seiner Zarischen Majestät den Tod?« – »Ich wünschte ihm den Tod, damit der Zarewitsch Alexej Petrowitsch zur Regierung komme, damit das Volk es leichter habe und die Stadt Sankt Petersburg nicht weiter gebaut werde,« antwortete Demid.

Er zeigte den Bruder der Zarin, den Onkel des Zarewitsch, Awraam Lopuchin an. Man verhaftete auch diesen, konfrontierte ihn mit Demid und unterzog ihn einem peinlichen Verhör. Lopuchin bekam fünfzehn und Demid neunzehn Knutenhiebe. Die beiden gestanden, daß sie dem Zaren den Tod und dem Zarewitsch die Krone gewünscht hatten.

Demid zeigte auch die Schwester des Zaren, die Zarewna Marja an.

Die Zarewna hätte einmal gesagt: »Wenn der Zar nicht mehr am Leben ist, werde ich dem Zarewitsch mit Freude und nach Kräften helfen, für das Wohl des Volkes zu sorgen und den Staat zu regieren.« Ein anderes Mal hätte sie gesagt: »Warum habt ihr es zugegeben, ihr Bischöfe, daß der Zar bei Lebzeiten seiner Frau eine andere heiratete? Er sollte doch entweder die alte Zarin wieder zu sich nehmen und mit ihr leben, oder sterben!« Und als nach der Eidesleistung für Peter Petrowitsch der Ex-Priester Demid aus der Kathedrale zu ihr, der Zarewna Marja gekommen sei, hätte sie gesagt: »Es ist nicht recht vom Zaren, daß er den älteren Sohn verstoßen und den jüngeren zum Thronerben eingesetzt hat; dieser ist erst zwei Jahre alt, jener aber volljährig.«

Die Zarewna wollte anfangs nichts zugeben; als man sie aber in die Folterkammer brachte und mit Demid konfrontierte, gestand sie alles.

Die Untersuchung dauerte länger als einen Monat. Peter kam fast jeden Tag in die Folterkammer, wohnte den Foltern bei und folterte zuweilen selbst. Trotz aller Bemühungen konnte er aber doch nicht die Hauptsache finden, die er suchte, und einem wirklichen Verbrechen, »der Wurzel der verbrecherischen Verschwörung« auf die Spur kommen. Wie aus den Aussagen des Zarewitsch so auch aus denen aller andern Zeugen konnte er auf keinerlei Tatsachen schließen; es waren nur Worte, Gerüchte, Klatschereien, Phantasien von Besessenen und Verrückten, das Getuschel halbverrückter alter Männer und Weiber in den Winkeln der Klöster.

Zuweilen hatte er das dunkle Gefühl, daß es besser wäre, die Sache aufzugeben, auf das Ganze zu spucken und allen zu verzeihen. Er konnte aber nicht mehr innehalten und sah voraus, daß alles nur mit dem Tode seines Sohnes enden würde.

Während dieser Zeit lebte der Zarewitsch unter Bewachung im Schlosse von Preobrashenskoje neben dem Generalhofe und der Folterkammer. Tag und Nacht hörte er das Stöhnen der Gefolterten, oder es kam ihm nur so vor, als ob er es hörte. Tagtäglich wurde er mit jemandem konfrontiert. Am schrecklichsten war für ihn die Begegnung mit seiner Mutter. Der Zarewitsch hatte erfahren, daß der Vater sie eigenhändig mit der Knute geschlagen habe.

Fast jeden Abend war Alexej sinnlos betrunken. Der Leibarzt Areskin prophezeite ihm den Säuferwahnsinn. Sooft er aber das Trinken aufgab, bemächtigte sich seiner ein so unerträglicher Gram, daß er sich eiligst wieder betrank. Areskin warnte den Zaren vor der Krankheit, die dem Zarewitsch drohte. Peter aber antwortete:

»Er soll nur soviel saufen, bis er verreckt. Um ihn ist es nicht schade. Der Hund verdient einen hündischen Tod!«

In der letzten Zeit gelang es dem Zarewitsch nicht mehr, im Rausche Vergessen zu finden – der Schnaps verdrängte nur die schreckliche Wirklichkeit durch noch schrecklichere Traumbilder. Die Visionen quälten ihn nicht nur nachts im Traume, sondern auch am hellichten Tage und im Wachen. Er lebte zwei Leben: ein wirkliches und ein traumhaftes. Beide Leben vermengten und verflochten sich miteinander, so daß er das eine von dem andern nicht mehr unterscheiden konnte und nicht mehr wußte, was in Wirklichkeit und was im Traume geschah.

Bald träumte ihm, daß der Vater in der Folterkammer die Mutter peitschte; er hörte das Sausen der Knute durch die Luft und das häßliche, gleichsam nasse Klatschen der Schläge auf den nackten Körper; er sah, wie sich auf diesem furchtbar bleichen Körper ein blauroter Streifen an den andern reihte; er antwortete auf die schrecklichen Aufschreie der Mutter mit noch schrecklicherer Stimme und stürzte wie tot zu Boden.

Bald träumte ihm, daß er sich entschlossen habe, seine Mutter, sich selbst und alle andern am Vater zu rächen; daß er nachts vom Bette aufstehe, unter dem Kissen ein Rasiermesser hervorhole und sich im bloßen Hemd durch die Korridore des Schlosses schleiche; er schreitet über den an der Schwelle schlafenden Diener hinüber, kommt in das Schlafzimmer des Vaters, beugt sich über ihn, betastet seine Kehle, beginnt sie zu durchschneiden und fühlt, daß sein Blut so kalt ist wie das Blutwasser einer Leiche; er läßt ihn, von Grauen gepackt, mit halbdurchschnittener Kehle liegen und rennt, ohne sich umzusehen, davon.

Bald fallen ihm die Worte der heiligen Schrift ein: »Und er ging hin und erhängte sich selbst«. Und er schleicht sich in die Kammer unter der Treppe, wo aller möglicher Rumpelkram aufbewahrt wird, steigt auf einen zerbrochenen dreibeinigen Stuhl, den er zuvor mit einer Kiste gestützt hat, nimmt vom Haken an der Decke den Strick, an dem die Laterne hängt, macht eine Schlinge und legt sie sich um den Hals; er ist im Begriff, den Stuhl wegzustoßen und will sich zuvor bekreuzigen, kann es aber nicht, denn seine Hand will sich nicht rühren; plötzlich springt ihm ein großer schwarzer Kater unter die Füße; er schmeichelt, reibt sich an ihm, schnurrt, macht einen Buckel, stellt sich auf die Hinterpfoten und legt ihm die Vorderpfoten auf die Schultern; nun ist es kein Kater mehr sondern ein Riesentier. Und der Zarewitsch erkennt in der Tierfratze ein Menschenantlitz mit breiten Backenknochen, hervorstehenden Augen und einem nach oben gedrehten Schnurrbart wie beim »Kater-Kotabrys.« Er will sich aus seinen Tatzen befreien. Das Tier wirft ihn aber zu Boden und spielt mit ihm wie eine Katze mit der Maus; bald packt es ihn, bald läßt es ihn los, bald streichelt es und bald kratzt es ihn. Und plötzlich bohrt es seine Krallen in sein Herz hinein. Und er erkennt denjenigen, von dem es geschrieben steht: »Und sie beteten das Tier an und sprachen: wer ist dem Tiere gleich und wer kann mit ihm kriegen?«


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