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Am heiligen Fluß

Blutrot im Abendschein rollt langsam meerwärts der heilige Fluß im Land der dunklen Erde.

»O Daminophis«, seufzte Ramon Phtha, »nun mußt du mir alles sein! Vereinsamt sind wir unter Feinden, haben nur noch einander. Mein Volk ist mir entfremdet, die Räte sind mißtrauisch geworden, die alte Pracht meines Palastes freut mich nicht mehr. Ich spüre von der Krone, die ich so liebte, nichts als den Druck.«

»Lange ließest du dein Reich ohne Gebieter, dein Volk ohne Führung«, sagte leise der Künstler. Erst jetzt, fern von Poseidonis, wußte er, was Heimat war.

Wieder seufzte Ramon Phtha bitter –

»Ich darf den Namen des Landes, an dem jede Faser meines Herzens hängt, nicht nennen …«

»Du vergaßest das eigene Reich um eines andern willen …«, entgegnete Daminophis sanft.

»Als ich sie sah«, murmelte der Pharao, »war alles vergessen, was nicht mit ihr zusammenhing …«

Daminophis zog aus dem breiten Gürtel sorgfältig ein Päckchen. Es war ein in Palmenblätter gewickelter Gegenstand, und er reichte ihn seinem Freunde:

»Sie bat mich, es dir zu geben, wenn die Sonne über deinem Lande siebenmal aufgegangen und wieder geschwunden war.«

Ramon Phtha löste mit zitternden Fingern die Umhüllung und fand darin den grünen Stein.

Es brachte der Anblick all das zurück, was sie in der Höhle der müden Herzen erlebt hatten, rief ihre Worte in der Halle des Sichvertiefens ins Gedächtnis zurück.

»Ihr Stein … ihr grüner Stein …«, und es klang wie Schluchzen.

»Sie gab dir das Liebste, das sie noch hatte: ihren größten Schatz«, flüsterte Daminophis.

»Alles …«, sagte Ramon Phtha tonlos, »alles, nur ihre Liebe nicht.«

»Wer weiß«, erwiderte der Künstler lächelnd, »denn sie hieß mich dir sagen, daß du in ihrem kummervollen Sein das Feuer gewesen, an dem sie sich erwärmt hatte, vor dem ihr in Einsamkeit erstarrtes Herz wieder zum Leben erwacht war. An deiner Seite zu wandeln, von deiner Liebe umhegt zu sein, würde den Weg ins Traumland der Seligkeiten bedeutet haben, dem entlang die Blumen dufteten ohne Ende …«

»Ach, ich hätte ihre kühlen Hände an meinem Herzen gewärmt, das nur für sie schlägt …«

»Es war verboten«, erwiderte Daminophis ernst, »sie geht den Sternenweg.«

»So will auch ich ihn gehen – künftighin«, sagte entschlossen der junge Pharao. Nach einer Weile und nachdem die Sonne vollends gesunken war, fragte er weich:

»Auch du liebtest … Isolanthis?«

»Auch ich liebte sie, wie wir Künstler das Schöne lieben, das Verklärte, aber ich sah deine Liebe, die einem Feuerberg glich, während die meine nur Glut in einem Opferbecken war. Du warst und bist mein Freund. So warf ich denn die Asche des Verzichtens auf mein Feuer, das ja nie zur Flamme werden durfte.«

Ramon Phtha hob mit zitternder Hand den grünen Stein. Seine Strahlen wurden schon allmählich tiefrot. Die Leidenschaft wich der wahren wärmenden Liebe, die nichts begehrt, als sich ausschütten zu dürfen.

Unter dem Stein lag noch etwas: eine welkende Mondblume.

»Ich will sie an meinem Herzen tragen, solange ich lebe, und sie mit mir nehmen in das Reich der Toten, wenn ich sterben muß …«

Auf dem heiligen Fluß lag das Silber des Mondes.

»Nun stehen die Priester im Vorhof des Mondtempels und heben die Opferschalen«, seufzte Daminophis.

»Es singen die Priesterinnen leise vom Sehnen der Seele. Sie gleichen ihren silbernen Mondharfen, klingen so rein, so weich, so schön gestimmt …«

»Es liegt der Glanz des Mondes auf der Kuppel des Palastes, auf den gleißenden Silberbogen …«, schluchzte der Künstler, von bitterstem Heimweh gequält.

»Im Schatten des Pfeilers steht eine …«, flüsterte der Pharao, und ihm war es, als müsse sein Herz dabei brechen, »meine weiße Tempelblüte … Isolanthis.«

»Ganz fern rauschen die Wasser, ach … unsere fließenden Wasser …«

»Es fällt der Schatten der Eiben auf den Herrscherweg …«

Sie schwiegen beide, in ihr Sinnen ganz versunken, dann griff Daminophis nach der Dreizackharfe, die er mitgebracht hatte, und begann leise zu spielen und zu singen, während der Mond stieg und stieg und die Wasser des heiligen Flusses rauschten und plätscherten.

»Dem Herzen des Himmels entsprungen,
um Träger des Lichtes zu sein;
in das Dunkel des Stoffes gezwungen,
wandern wir Seelen durchs Sein;
lernen von Leben zu Leben
unser Herz dem Höchsten zu geben;
reifen durch Liebe und Pein.
Schwer ist die Kette aus Opfern gemacht,
düster der Weg durch die stoffliche Nacht,
bis endlich die Seele zum Lichte erwacht,
von irdischen Wünschen rein …
Darf dann, durchwärmt vom strahlendsten Glück
als Führer zum Strome der Menschheit zurück …«

Daminophis legte die Harfe auf den Sand zu seinen Füßen nieder und schluchzte, denn der Weg zum Licht war weit.

Ramon Phtha sah zu den Sternen auf.

»Ich werde sie immer suchen und immer lieben … durch alle Leben und durch alle Zeiten«, erklärte er mit einem Anflug seines alten Trotzes.

Daminophis ließ die Hände sinken und lächelte weich.

»In dieser einen Seele wirst du alle lieben«, erwiderte er.

Dann wurde er wieder ernst. Schön war der Palast und mächtig der Fluß zu seinen Füßen, aber nichts glich dem Duft der Tempelblüten um den Mondtempel.

Ramon Phtha drückte seine Lippen auf die welkende Blume.

»Nichts gleicht Isolanthis …«

»Ein See«, seufzte Daminophis, »ist so groß, und einige Regentage genügen oft schon, ihn bis zum Rand zu füllen, und ein Menschenherz ist so klein und wird doch nie voll …«

»Mein Herz ist übervoll«, erwiderte der junge Pharao, sich erhebend, »denn es hat nur Raum für … sie! Sie war das Licht in meinem Leben und wird das Licht in meinem Tode sein …

Isolanthis.«

Daminophis war nahe daran, ihn zu beneiden.


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