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Fahl und winterlich lag der Garten. Die Bank, wo einst Irene saß, war mit Schnee bedeckt. Langsam stieg er nieder.
Er glaubte in eine stille Öde hinabzusehn, und sah auf eine schwarzbelebte Menschenmenge, die sich gleitendstumm bewegte. Er hatte vergessen, daß der Fluß gefroren war, daß man hier Schlittschuh lief.
507 Wie trostlos sieht das aus! dachte er; – diese Menschen glauben sich zu vergnügen, und alle laufen wie Gespenster durcheinander.
Enzio! rief eine frische Stimme, und ein Mädchen näherte sich dem Ufer, – Enzio, hier bin ich! Kommen Sie doch herab und laufen Sie mit mir, ich bin heut ganz allein! – Er schüttelte den Kopf. – Ach, Sie warten wohl auf Ihre Braut? Die wohnt doch hier? – Enzio schüttelte wieder mit dem Kopfe. – Nicht? Nun, dann um so besser! Kommen Sie herunter, hier unten an der Brücke gibt es Schlittschuhe!
Alles ist egal, dachte Enzio, jetzt gehe ich hinab. Sie empfing ihn mit einem freudigen Blick: Da unten, gleich, nur hundert Schritte von hier, bekommen Sie Schlittschuhe! Sie eilten zusammen zur Brücke, er setzte sich auf eine Bank, schnallte sich die Schlittschuhe an, dann liefen sie zurück, den Fluß hinauf.
Sie sind ja so still heute? Denken Sie, mein Verlobter ist verreist, für eine ganze Woche! – So? fragte Enzio gleichgültig und sah im Vorübergleiten an Irenens Haus auf jenen Strauch am andern Ufer, unter dem er als Kind lag, und der jetzt wie ein breiter Besen seine Zweige niederhängen ließ. – Ja! sagte sie, – und es ist gut, daß er nicht da ist! Sie wissen doch, wie eifersüchtig er ist! Geben Sie mir Ihren Arm!
508 Alles ist egal, dachte Enzio wieder, – dieses Mädchen ist jung und schön, alles andere ist mir gleichgültig.
Der Fluß machte eine Wendung, in der Ferne sah er jenen Baum, der seine Äste weit über die Wasserfläche sandte. – Mein Schlittschuh ist locker, sagte sie, als sie ihm näherkamen, ich muß ihn dort von neuem anschnallen.
Genau so hatte Irene gesprochen, als er hier mit ihr einsam lief.
Gehn wir also hin! sagte er; es ist ein bequemer Platz, ich habe dort früher schon einmal jemandem die Schlittschuhe angeschnallt.
Sie gelangten zu dem Baume. – – Sag meinen Namen – – – – so tönte die Erinnerung in ihm . . . Nein, sag du erst den meinen! – –
Er lachte: So wird es im Leben nichts, setz dich ein wenig tiefer; »Sie«, meine ich. – Sie hatte den Arm stützend auf seine Schulter gelegt: Nennen Sie alle Mädchen gleich beim dritten Male »du«? – Warum nicht? wenn ich merke, daß sie es gerne haben! – Drücken Sie mich doch nicht so, das ist nicht nötig. – Also sagen wir nun Sie oder du? fragte er, sah sie von unten an und wußte schon die Antwort. Er kannte die Wirkung seiner Augen.
Nichtsnutziger Mensch! Wenn du mich so ansiehst, dann kann ich doch nicht nein sagen!
Nichtsnutziger Mensch – hallte es in ihm wider.
509 Sie liefen weiter, sie umschlang ihn fester. – Immer dasselbe, immer dasselbe, dachte er.
Eine ganze Woche ist mein Bräutigam fort! sagte sie nach einer Weile. Wenn er wüßte, daß wir uns »du« nennen – – Wo wohnst du? fragte Enzio. – Sie sagte es. – Wann kann ich dich besuchen? – Sie erschrak. Um Gottes willen, nein, so war es nicht gemeint gewesen! Dann hätte er wirklich Grund zur Eifersucht, und so ist es ganz harmlos!
Magst du mich nicht?
O doch.
Magst du ihn lieber?
Ich weiß nicht.
Magst du mich lieber?
Über Enzio kam das Fieber der Nebenbuhlerschaft. Er redete lange und heftig, und am Schlusse war es so, wie er es wollte. Sie sagte willenlos zu allem ja.
Im selben Augenblick war sie ihm gleichgültig.
Vor einer halben Stunde noch war er in Irenens Zimmer, erfüllt vom Schmerze der Erinnerung, und jetzt war er mit einem Mädchen einig, das ihm der Zufall in den Weg trieb, an das er noch niemals gedacht hatte.
Auf einmal packte ihn ein grenzenloser Ekel vor seinem ganzen Leben. Ich will nicht, dachte er, ich will nicht!
510 Ohne ein Wort des Abschieds ließ er sie los, bald entschwand er vor ihren Blicken in der Ferne. Sie glaubte, er habe dort irgend jemanden gesehn, blieb stehn und wartete, bis er zurückkommen würde. Aber er kam nicht zurück.
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