Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Es begann jetzt eine glückliche Zeit für Enzio. Schon am nächsten Tage war er wieder bei Irene, abermals vom Park aus, wo er wartete, bis er sie im Garten sah. Wieder pfiff er seine Melodie, von gestern, aber diesmal am Ufer stehend, und wieder holte sie ihn über. Sie blieben unter dem Kastanienbaum, und als Irene zum Tee gerufen wurde, ging er ganz selbstverständlich mit.

Oben in dem schönen großen Raum sah er dieselben beiden Menschen, die er damals im 82 Theater neben Irene sah. Nur hatte er ihren Vater etwas anders in der Erinnerung; schlanker und jünger. Sein dunkles, dichtes Haar stand wie eine Wolke über seiner großen, formvollen Stirn, und er hatte eine Kraft des Blickes, daß Enzio verwirrt die Augen niederschlug. Sie machten aber beide freundliche und gar nicht erstaunte Gesichter und fuhren bald in dem Gespräch fort, das sie führten, als er hereintrat. Er verlor die große Schüchternheit, die ihn zunächst befing, und versuchte zu verstehen, was sie da redeten. Er bemerkte, daß über irgendein Bild gesprochen wurde, das sich in Madrid befand, aber was da eigentlich geredet wurde, konnte er nicht begreifen. Nur sah er, daß diese schöne Frau nachdenkliche Augen machte, daß es ihr schwer ward auszusprechen, was sie wollte, und daß ihr Mann dies schließlich besser zu wissen schien als sie. Sie hatte die gleichen, klaren wie in die Weite sehenden Augen wie Irene, und auch Ähnlichkeit mit ihr in der Art des Sprechens, es klang in ihrer Stimme dieselbe ruhige Gelassenheit. Es war wie die Verwandtschaft zwischen einer Viola und einer Violine. Und Irenes Vater sah aus wie ein großer Werkmeister, in seiner einfachen dunklen Tracht, die an dem Hals mit einem weichen, lockern weißen Streifen abschloß, ohne daß Enzio erkennen konnte, wie das gemacht war. – Als er fortging, forderte ihn Irenes Mutter 83 auf, wiederzukommen: Ich habe dich, so sagte sie, schon manchmal im Konzert gesehn, und mir gedacht, du könntest ein guter Kamerad für sie sein! Enzio errötete, und wurde noch verlegener, als ihr Vater ihn mit einem Blick ansah, als wenn er alles von ihm wisse, während er in Wirklichkeit doch nur ganz unwillkürlich die Formen seines Gesichts studierte, und hinzusetzte: Aber wenn du immer über den Fluß hinüberkommst, dann müssen wir extra einen Bootsmann für dich anstellen. Irene war heut dreimal in dem Garten, während sie bei mir arbeiten sollte. – Das ist nicht wahr, sagte Irene. Und arbeiten, fuhr er zu Enzio fort, ist die Hauptsache im Leben. – Enzio machte ein Gesicht wie in der Schule während einer Aufmunterungspredigt. Da lachte er und setzte hinzu: So meine ich es nicht, aber wenn du einmal wirklich Künstler werden willst, dann wirst du mich schon begreifen!

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