Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Enzio hatte von seiner Messe das »Gloria« beendet; er spielte und sang es Richard vor. Der war erstaunt über den großen Wurf dieser Leistung, den er ihm nicht zugetraut hatte. Schwelgerisch prächtig und dekorativ war diese Musik. – Endlich einmal ein anerkennendes Wort! rief Enzio 334 glücklich: weißt du, Richard, wenn du dich auch hiergegen wieder ablehnend verhalten hättest, so würde ich künftig nichts mehr auf dein Urteil gegeben haben. – Du mußt irgendwoher einen innern Stoß bekommen haben! Das war wohl lange in dir aufgespeichert, ohne daß du selbst davon wußtest. Wenn du so fortfährst, dann werden wir noch einmal etwas Großes an dir erleben!

Enzio machten diese Worte viel glücklicher, als er zeigte, er begab sich mit frischen Kräften an die Fortsetzung seines Werks. Wie eine große Welle war die Inspiration über ihn gekommen. Er arbeitete den ganzen Tag durch, und spät am Abend, wenn er, um frische Luft zu schöpfen, draußen unter dem Sternenhimmel ging, holte er tief Atem, sah hinauf zu den blinkenden Lichtern und dachte: Bin ich nicht der glücklichste Mensch auf der Welt? Gibt es etwas Herrlicheres, Beseligenderes als die Musik, die man aus sich herausschafft? So wird es nun mein ganzes Leben weiter gehn!

Wie sein Werk endlich nach Monaten vollendet war, hatte er das Gefühl, als sei er in einer Einsamkeit gewesen und komme zum ersten Male wieder unter Menschen.

Richard hatte Enzio nun so oft entmutigt, daß er jetzt, wo er anerkennen konnte, seinem Urteil unwillkürlich größere Worte gab. Er sagte zu 335 Caecilie, ihm mache das Werk einen ähnlichen Eindruck wie Wand- und Deckenmalereien der Barockkunst, zu der Enzio eine innere Verwandtschaft zu haben scheine: Ein großer Zug pomphaften Lebens, eine voll sich gehen lassende Freude an der dramatisch bewegten Linie, lebensgenüßliche Sinnlichkeit bei allem äußerlich dargestellten Schmerz. Dies war nicht seine eigene Welt, aber er erkannte an, daß sie auch ihre Berechtigung habe, sowie sie sich in wirklichem Stil zusammenfasse.

Caecilie war stolz auf dieses Werk, nur der Kapellmeister brummte, Enzio möge zwar so fortfahren, sich aber im übrigen vor Überhebung hüten: Die Bäume wüchsen zu leicht in den Himmel. Bei diesen letzten Worten dachte er sich gar nichts. Gleich nach jenem Werke komponierte Enzio einen Walzer, in einem Vormittag, aus einem Guß. Er war hinreißend im Schwung, bravourös, voll von rhythmischen Kunststücken, und er nannte ihn »valse impromptu«.

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