Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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In Enzio war die ganze Vergangenheit frisch aufgewühlt. Was er gestorben glaubte, war stark in ihm erwacht. Dies einzige Wiedersehn hatte ihm 470 gezeigt, daß sein Gefühl für Irene nur geschlummert hatte.

Ich darf sie nicht wiedersehn! Ich fühle: Sehe ich sie wieder, dann lasse ich mich ganz in die alte, frühere Liebe zurückziehn. Das muß vorbei sein, dies Glück habe ich mir ein für allemal verscherzt. Und wer sagt mir denn, ob ich sie wirklich liebe, ob dieses nicht nur wieder ein kurzes Aufflammen ist? Ich kenne mich jetzt gut genug, ich muß wieder fort, Gott weiß wohin!

Aber zum Fortgehn fehlte ihm der Mut. Hier war er wenigstens zu Hause, hier hatte er seine Mutter, den letzten Halt, der ihm geblieben war. Arbeiten, – nur arbeiten.

Er versuchte es wieder mit Anspannung aller seiner Kräfte. – Arbeite nicht! sagte Caecilie, als neue Verzweiflungsausbrüche kamen, es kann ja nichts dabei herauskommen! – Nie wieder wird etwas dabei herauskommen, auch wenn ich gesund und frisch wäre!

Dieser Gedanke hatte sich in ihm allmählich festgesetzt wie eine fixe Idee.

Und selbst wenn es so wäre! sagte Caecilie einmal zu ihm als letzten Trost: Selbst wenn du einsehn müßtest, wenn es mit unumstößlicher Gewißheit feststände, daß du als Musiker nie etwas erreichen wirst – so bleibt noch ein andrer Weg. 471 Du bist jung genug, um ein ganz neues Studium anzufangen. – Als was? fragte er stumpf. – Als was du willst. Du könntest Jurist, Mediziner oder irgend etwas anderes werden.

War das seine Mutter, die das sprach?

Sie sahn sich an. Da wandte sich Caecilie ab und schluchzte. Was war aus ihren Hoffnungen, aus dem Inhalt ihres Lebens geworden!

Arme Mutter! sagte er leise und streichelte ihr Haar. Wenn du wüßtest, wie unendlich lieb ich dich habe! Wie es mich quält, dich weinen zu sehn! Wenn ich dich nicht hätte, wäre alles, alles hin! Aber vielleicht bin ich doch noch nicht verloren! Vielleicht – wenn mein Leben wieder glücklicher würde – aber ich darf ja nicht! Seit ich Irene wieder sah, ist es, als sei ein Fünkchen Licht in mich zurückgekommen! Irene liebt mich, und jetzt, die letzten Tage, wo ich sie nicht sah, hat der Gedanke an sie mich nicht mehr verlassen. Wenn ich jetzt umkehrte, wenn ich doch noch auf sie hoffen dürfte – vielleicht würde dann noch alles gut.

*


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