Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Dort im Park folgte er einmal einem Mädchen, das bereits diskrete, aber begehrliche Blicke nach ihm ausgeworfen hatte. Sie schien ihm außerordentlich hübsch, und wie sie nun um die Ecke bog 172 und noch einmal zu ihm zurücksah, beschleunigte er seine Schritte.

Enzio?! Auf Don-Juanpfaden?! ließ sich eine Stimme vernehmen, und wie er sich zur Seite wandte, saß da eine Dame, die ihr Gesicht mit dem aufgespannten Sonnenschirm verdeckte und gleichzeitig ihr Kleid etwas in die Höhe raffte, so daß ihr spitzes Schuhwerk und ihre durchbrochenen Strümpfe sichtbar wurden. Er stand erst stutzig, dann, freier gemacht in seinem Impuls durch den Augenblick und durch den entgegenkommenden Ton der Stimme, die ihm bekannt schien, beugte er sich nieder, um unter dem Schirm durch auf ihr Gesicht zu sehn. Sie richtete ihn noch tiefer, ließ dabei ein glockenhelles Lachen hören, hob dann schnell den Arm und zauste ihn an seinem Haar.

Fräulein Battoni! sagte er erstaunt. – Jawohl, ich bin's, mein Engel! Sie richtete ihre blanken Augen mit einem sieghaften Lächeln auf ihn: Will der junge Don Juan vielleicht ein wenig Platz bei mir nehmen, oder treibt ihn seine heilige Pflicht von hinnen? – Ich habe absolut keine Pflichten! sagte Enzio errötend, ich ging hier nur ganz zufällig. – Sie drohte ihm listig mit dem Finger: Mach du mir nichts weiß, ich kenne die Stimme deines Blutes! – Diese Worte klangen in ihm erregend nach. Das war, als wenn sie ihn ganz verstünde und irgendwie auf seiner Seite wäre. – Warten Sie 173 hier auf jemand? fragte er, ein wenig verwirrt. – Nein ich warte auf gar niemand! Das heißt, mein guter Engel hat mich doch hier unbewußt auf jemand warten lassen, auf einen andern Engel, – auf dich, Enzio! – Sie lachte, als habe sie einen Scherz gemacht, aber ihre Augen sandten ihm einen tiefen, zärtlichen Blick zu. – Wie die Kinder groß werden! sprach sie nach einer Weile; jetzt, Enzio, bist du voll erwachsen! Ich beneide das Mädchen, das sich von dir umarmen läßt. Bist du noch unschuldig, Enzio? – Darauf antworte ich nicht! sagte er langsam. – Sie erwog schwankend, ob diese Worte auf ein ja oder ein nein hindeuteten, dann traf ihr Instinkt das Richtige und sie meinte: Du möchtest gern nicht mehr unschuldig sein, und hast doch nicht den Mut dazu. – Enzio erhob sich. Sie zog ihn sogleich wieder auf die Bank, und im selben Moment, wo er aufs neue zu sitzen kam, war sie ihm ganz nahgerückt, als mache sie es sich bequemer. Was will sie denn von mir? dachte er erregt, das sieht ja fast so aus, als wenn sie wieder in mich verliebt wäre, und dieses Mal ganz richtig! – Erinnerst du dich noch, Enzio, sprach sie nach einer Pause, wie ich dir früher einmal sagte, ich möchte so jung sein wie du selber? Damals dachte ich: Wäre er doch so reif wie ich – das gäbe ein schönes Paar zusammen. Ach, mein Gott, wie schnell sind die paar Jahre inzwischen verflossen. Und doch – fuhr sie nach einem kleinen Schweigen fort, da er diese Worte nicht zu hören schien – du wärst mir zu jung, Enzio! Du bist zu knabenhaft. – Er machte eine unwillkürliche Bewegung mit dem Kopf, als ob er widersprechen wolle. – Ja, ja, das ist leider wahr! sagte sie in einem beinah sorgenvollen Ton, du bist noch viel zu sehr ein Kindskopf!

Das junge Mädchen, dem Enzio zuerst gefolgt war, kam zurück, offenbar verdutzt, wo er geblieben sei. Als sie ihn neben der eleganten, noch immer schönen, etwas üppigen und aus abenteuerlichen Augen frei heraussehenden Dame sitzen sah, die gar nicht anders konnte, als ihr einen halb nachsichtig-triumphierenden Blick zuzuwerfen, indem sie ihre Stellung durchaus nicht veränderte, drehte sie wieder um und verschwand dann in etwas schnellerer Gangart hinter dem Gebüsch.

Geh ihr nach, Enzio! sprach Fräulein Battoni; sage ihr, ich habe dich geschickt, weil sie mir leid täte. Mach nicht so dumme Augen, Enzio, es steht dir schlecht, denn du hast die schönsten Augen von der Welt, wenn du nur willst! Er wollte sich wirklich erheben, da er nun gemerkt hatte, daß alle Verstellungskunst ihr gegenüber übel angewandt und unnütz sei. Sie hielt ihn aber noch einmal zurück: Es war ein hübscher Zufall, daß wir uns hier begegneten. Vielleicht läßt er uns noch einmal 175 zusammentreffen. Aber sichrer ist, man hilft ihm nach, obgleich ich die Zufälle liebe. – Dann schlug sie ihm einen Nachmittag vor, an dem sie sich hier wieder treffen wollten, genau um dieselbe Stunde. Enzio versprach alles, küßte ihr die Hand und ging davon. An der Ecke sah er sich noch einmal um und nickte. Sie nickte ebenfalls und machte eine wedelnde Bewegung mit der Hand. Dann suchte er das verschwundene Mädchen, geriet auf einen unrichtigen Pfad und fand sie nicht mehr. – Kokett, furchtbar kokett! murmelte er, indem er wieder an Fräulein Battoni dachte. Was will sie nur von mir? Sollte sie wahrhaftig in mich verliebt sein? Sie ist doch noch immer wunderschön!

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