Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Eines Abends kam sie noch spät zu ihm; er hatte eine Verabredung mit Teresita und wollte grade die Lampe löschen.

Ich will nur sehn, wie es dir geht! sagte sie. Sie sprach langsamer, weicher als sonst; – hab keine Angst, daß ich dich aufhalten werde. – Dann ließ sie den Blick in seinem Zimmer herumgehn. – Was suchst du? – Sie schüttelte den Kopf. So schön und lieblich glaubte er sie noch niemals gesehn zu haben. Er nahm sie in seine 444 Arme und küßte sie. Sie wehrte leise ab; halb in Schuldbewußtsein ließ er die Arme sinken. Aber ihre Abwehr ließ sie ihm noch schöner, noch begehrenswerter erscheinen, nach einer Weile umfaßte er sie abermals, heftiger, leidenschaftlicher. Bleib! sagte er, ganz gegen seinen Willen. – Sie machte sich hastig los von ihm, mit einer Entschiedenheit, daß er sie verwirrt freigab. Nein, sagte sie und sah ihn an. Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber. – Ich muß jetzt gehn. – Weshalb bist du dann gekommen? – Sie erwiderte hierauf erst nichts, dann sagte sie: ich bin doch auch früher manchmal gekommen, ganz kurz, nur um dich einen Augenblick zu sehn, und du hast mich nicht gefragt, weshalb ich käme. – Ihm schnitten diese Worte durchs Herz. Aber was sollte er darauf antworten? – So gehst du wieder?

Er begleitete sie bis zur Tür.

Sie hob ihr Gesicht ganz zu ihm auf, und wieder sah sie ihn an mit einem Blick, der ihm niederschauerte bis in die Brust.

Leb wohl, Enzio, sagte sie. Dann schlang sie beide Arme um seinen Nacken und küßte inbrünstig seine Lippen. – Hast du mich noch lieb? – Ja, Enzio. Sie sah auf sein Gesicht, als tränke sie seine Züge in sich auf, dann ging sie.

Gott sei Dank, sie liebt mich noch! dachte er. 445 Ach, wenn doch alles wieder so würde, wie es früher war! Dann sah er nach der Uhr: Es war die höchste Zeit, daß er selber ging. Und wenn er diesen Menschen wieder treffen würde . . .

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