Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Wieder verging eine Woche. Nachmittags nahm er seine Schlittschuhe und ging allein aufs Eis.

Er will nicht mit mir zusammen sein, er meidet mich, ich fühle mich aufdringlich! sagte Richard zu Caecilie; – es ist ganz verrückt von ihm, daß er sich einbildet, alles Talent zum Musizieren verloren zu haben! – Dasselbe sage ich ihm ja auch stets! Aber er hört nicht auf mich. Was sagt er 499 Ihnen denn? – Er läßt mich gar nicht ausreden und fängt sogleich von etwas anderm an.

Richard! haben Sie wirklich jemals viel von Enzios Talent gehalten? – Diese Frage war stark und von der Angst eingegeben. Caecilie war dicht zu ihm herangetreten und sah ihm in die Augen.

Ja! sagte Richard, schnell und instinktiv, mit fester Stimme. Caecilie atmete erlöst auf. – Sagen Sie ihm das selbst, bat sie eindringlich. – Das habe ich ihm oft gesagt, früher hat er es geglaubt, jetzt glaubt er es nicht mehr, jetzt würde er einem nur noch glauben, wenn man ihm alles, was ihm früher lieb war, in den Staub träte. – Sagen Sie es ihm trotzdem wieder, und immer wieder! Ihnen glaubt er ja doch am meisten von uns allen! Hören Sie – da oben fängt er wieder an. Was ist das nur? Seit gestern spielt er es. O, wenn das doch etwas Neues und Gutes wäre, was er jetzt schafft! – Das sind ein paar Takte aus meiner Symphonie, sagte Richard, der gelauscht hatte; – ich habe sie ihm neulich vorgespielt, da hat er einiges behalten und probiert es nun selber. – Wann ist der Tag der Aufführung? Er muß doch nun bald sein! Da soll Enzio mitreisen, mit uns allen. Das wird ihn zerstreuen! Und dann gehe ich mit ihm fort, er muß wo anders hin. Dies Leben geht so nicht länger. Haben Sie Angst, Richard? – Angst? wovor? – 500 Vor der Aufführung! Wegen des Erfolges. – Richard lächelte: Darauf kann ich Ihnen keine rechte Antwort geben. Jeder Mensch will, daß sein Werk Erfolg hat; ich auch von dem meinigen. Aber wenn es damit nichts ist – den Glauben an mein Werk nimmt es mir nicht. – Und die Lust zu weiterem Schaffen, würde Ihnen die nicht getrübt werden? – Richard sah sie erstaunt an: Man schafft, weil man muß. Und wenn im Laufe meines Lebens zehn Werke von mir abgelehnt würden, so würde ich mit Notwendigkeit mein elftes schreiben.

Caecilie schwieg. Dann sagte sie: In Ihnen, Richard, wird sich das Schicksal so vollenden, wie ich es für Enzio geträumt habe. Enzio ist mein Sohn, aber – – sie verstummte, dann sah sie ihn mit festem Blicke an und sagte: Gehn Sie hinauf zu ihm! Alles ist wieder still dort oben. – Richard küßte ihre Hand und ging.

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