Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Zwischen Enzio und Irene schloß sich eine Freundschaft, von ihrer Seite ruhig und selbstverständlich, von seiner Seite verhalten und anbetend. Nie berührte er sie, seitdem sie einmal sagte: Was faßt du mich denn so an? ich mag das nicht. –

Er musizierte mit ihr; bald hatte er ein kleines Duo für Violine und Klavier komponiert, das er 84 mit ihr zusammen vortrug. Seine Liebe ließ ihm ihr Spiel viel schöner erscheinen als alles Violinspiel, das er je gehört. – Auf Technik – so sagte er einmal und zitierte damit einen Ausspruch seines Vaters – auf Technik kommt es in erster Linie gar nicht an, die Hauptsache ist, daß man – daß man – – dann wußte er nicht, wie es weiter ging, und nur seine Augen vollendeten, was sein Herz empfand. Wie sie in solchen Augenblicken dastand! Wie sie ihn ansah, während sie den Bogen von neuem zum Spiel ansetzte, die Lippen schon wieder fest geschlossen, wie immer, wenn sie musizierte!

Er durfte jetzt auch manchmal mit ihr in das Atelier gehn. Dort arbeitete sie bei ihrem Vater. Er ließ sie vorerst kleine Früchte und andere einfache, formenvolle Dinge modellieren. Einmal nahm sie einen großen, wachsgelben französischen Apfel in die Hände, der dort lag. Iß ihn! iß ihn! sagte Enzio, weil er wußte, daß sie ihn sonst wieder ganz lange betrachten werde, und dann mußte er dabeistehn und sich langweilen. – So fein! sagte sie, ohne seinen Einwurf zu beachten, drehte ihn langsam hin und her und versenkte sich nun wirklich ganz in seinen Anblick. Da fiel ihm wieder jene Plastik ein, aus dem Museum. Dann wartete er eine Weile, und schließlich sagte er: So leg doch nun endlich den Apfel hin. – Aber wenn ich ihn noch nicht von allen Seiten angesehen habe!? – Das kannst du doch ein andermal. – Aber ich möchte es grade eben jetzt. – Dagegen ließ sich nichts einwenden; wie sie endlich glaubte, sie habe nun seine Form ganz in sich aufgenommen, warf sie ihn Enzio zu und rief: da, iß ihn selbst! und als er das wirklich tat, sah sie aufmerksam auf sein Gesicht: In deinem rechten Auge ist im Blau am Rande ein winzig kleines Pünktchen!

Wie sieht sie mich nur immer an! ganz anders als alle andern Menschen! dachte Enzio zuweilen in der Erinnerung, und ließ die Art ihres Blickes in sich nachwirken, der den, auf den er traf, ganz in sich aufzunehmen und doch wieder wie in einer Ferne zu sehen schien und selber nichts von dieser Wirkung wußte. In der Tat standen Irenes Augen nicht ganz so wie die der meisten andern Menschen, um eine so unnennbar kleine Linie anders, daß man sich dieser Tatsache kaum bewußt ward, und, wenn man sich in ihren Blick versenkte, nur die besondere seelische Wirkung fühlte, die von ihm ausging.

Enzio ist verliebt! schon wieder! sagten seine Mitschüler, denn jetzt malte er, wo es nur irgend anging, ein geheimnisvoll verschlungnes Monogramm auf alle Gegenstände, die ihm gehörten. Wo dieses einmal ausgesprochen war, sah er seine Neigung in einem ganz neuen und bisher ungewohnten Lichte. Und dann dachte er: Bin ich denn nicht wirklich ganz unglücklich verliebt? – 86 Ein dunkles und doch starkes Gefühl lebte in ihm, und schlug in leisen, fast unmerklichen Wellen, wenn er in Irenes Nähe war.

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