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109. Beim Anwalt Lange

Rechtsanwalt Lange, kleiner und blasser denn je, begrüßte Karl Siebrecht mit einem schweren Seufzer. »Denken Sie, nun haben auch Bassermann und Kladow ihre Zahlungen eingestellt! Solch alte, angesehene Firma! Völlig überraschend! Einer fällt nach dem anderen, es ist kein Ende abzusehen! Wenn nur erst der Hoover-Plan angenommen wäre, eine gewisse Beruhigung würde doch eintreten.« Er seufzte schwer und sah seinen Besucher mißtrauisch an. »Was haben Sie auf dem Herzen, Herr Siebrecht? Hoffentlich kommen Sie nicht wegen Geld!«

»Zuerst einmal brauche ich einen Rat«, sagte Karl Siebrecht und sah den Anwalt erleichtert aufseufzen. Mit wenigen Worten trug er ihm das Sendensche Verlangen und den Bremerschen Vorschlag vor.

»Von einem derartigen Geschäft möchte ich unbedingt abraten«, sagte Herr Lange. »Es ist eines jener bedenkenlosen Geschäfte, die in Notzeiten gemacht werden und die einem dann in besseren Zeiten den Hals brechen können.«

»Ganz meine Auffassung«, stimmte Siebrecht zu. »Sie sind doch aber auch der Ansicht, Herr Lange, daß wir das Verlangen auf sofortige Auszahlung der Beteiligung ablehnen müssen?«

»Unbedingt! So etwas wäre heute Selbstmord! Der Herr von Senden hat zeitweise recht hübsche Erträgnisse durch seine Beteiligung gehabt, nun kann er in schlechten Zeiten auch einmal stillhalten. Wenn Sie es wünschen, werden wir uns mit Herrn von Senden in Verbindung setzen.«

»Danke schön, Herr Lange, vorläufig verhandle ich selbst mit Herrn von Senden. Dann wäre noch etwas, Herr Lange, etwas mehr Persönliches«, fuhr Karl Siebrecht zögernd fort. »Ich habe schon seit langem einen Vorschuß bei der Firma, er beläuft sich zur Zeit auf etwa achtundzwanzigtausend. Ich habe dafür früher die Villa meiner Frau eingerichtet, alte Möbel, gute Kunstsachen, alles in allem werde ich vierzig- bis fünfzigtausend Mark hineingesteckt haben. Sehen Sie eine Möglichkeit, Herr Lange, daß ich auf diese Einrichtung hin, gegen ihre Verpfändung oder meinethalben auch durch ihren Verkauf, die achtundzwanzigtausend Mark bekommen könnte?«

»O ja, da sehe ich sehr wohl eine Möglichkeit!« antwortete Herr Lange fröhlich.

Karl Siebrecht wollte seinen Ohren nicht trauen. Einen so entschiedenen Bescheid hatte er nicht erwartet. »Und die wäre?« fragte er ungläubig.

»Aber, Herr Siebrecht! Es gibt doch nur einen Käufer für diese Möbel, und das ist Ihre Frau! Sie werden doch nicht die Möbel im Hause Ihrer Frau an irgendeinen anderen verpfänden oder verkaufen wollen!«

»Der Gedanke ist mir sehr unangenehm.«

»Selbstverständlich ist Ihnen der Gedanke unangenehm, aber für unangenehme Dinge sind ja wir Anwälte da! Es gibt viele Eheleute, die über die heikelsten Dinge miteinander reden können, aber wenn sie von Geldgeschäften sprechen sollen, werden sie stumm. Geben Sie mir diesen Auftrag, ich werde mich dieser Aufgabe mit dem größten Vergnügen unterziehen.«

Karl Siebrecht überlegte. »Sie haben ganz recht, Herr Lange«, sagte er dann. »Es ist wirklich Unsinn, sich an jemand anders zu wenden als an meine Frau. Aber ich möchte doch selbst mit ihr sprechen. Sie ist im Augenblick nicht ganz wohl. Seien Sie so gut und lassen Sie einen Kaufvertrag über das ganze Inventar des Hauses in Nikolassee ausfertigen – ich nehme den Vertrag gleich mit.«


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