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20. Später Besuch und Streit

Karl Siebrecht stürmte in die Buschsche Küche, den Magen voll Hunger und die Zunge voll Plauderbedürfnis. Denn wenn er auch der Rieke nichts von seiner Entlassung aus dem Zeichensaal erzählen wollte, so doch um so mehr von seinem neuen Freunde Kalli Flau – denn daß der ein richtiger Freund fürs Leben werden würde, das fühlte er schon. Die Rieke aber stand auf seinen Gruß nicht von der Maschine auf, sondern rief nur »'n Abend« und ließ das ewige Teufelsding weiterschnurren. Statt ihrer aber erhob sich ein langer Mann vom hölzernen Bretterstuhl am Herde, und der Rittmeister von Senden sagte: »Guten Abend, mein Sohn Karl. Spät kommst du, doch du kommst.«

»Guten Abend«, sagte Karl Siebrecht, übersah aber die ihm hingehaltene Hand, hatte die eigenen Hände auf den Rücken gelegt und sah den Rittmeister feindlich an. »Hat Ihnen Ihr Schwager, der Herr Kalubrigkeit, diesen Besuch auch erlaubt, oder sind Sie wieder einmal ohne sein Vorwissen unterwegs?«

»Ohne sein Vorwissen, Karl, ohne sein Vorwissen natürlich!« lachte der Rittmeister ohne alle Übelnehmerei. »Ganz nach meiner verkrochenen und feigen Natur, nicht wahr, Karl?«

»Bei mir witzeln Sie das nicht weg«, antwortete der Junge böse, »daß Sie den Herrn Hartleben feige im Stich gelassen haben. Sie hatten mich ihm empfohlen. Ich habe auf der Schule nie recht kapiert, was ›zynisch‹ bedeutet – bei uns daheim in der Kleinstadt war keiner so. Aber seit ich Sie kenne, Herr von Senden, weiß ich es: zynisch heißt hündisch, und hündisch ist, wer sich auch seiner Schande nicht schämt!«

Einen Augenblick war es still in der Stube, sogar die Maschine hatte zu nähen aufgehört. Dann fing sie wieder an zu rattern, und der Rittmeister sagte sanft: »Du machst es einem Freunde nicht leicht, Karl.«

Wild rief der Junge: »Sie sind nie mein Freund gewesen, und ich will auch nicht, daß Sie je meiner werden!«

»Doch! Doch!« sagte der Herr von Senden unbeirrbar. »Ich bin dein Freund, Karl, daran kannst du nun wirklich nichts ändern. Das hängt ja nun nicht allein von dir ab. Und was nun mein Eintreten für den Oberingenieur Hartleben angeht –«

»Ich will keine Erklärungen! Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, wie feige Sie sich benommen haben. O so feige – ich habe mich für Sie geschämt, Herr Rittmeister!«

»Was aber hätte es in jenem Augenblick dem Hartleben genützt, wenn ich für ihn eingesprungen wäre? Mein Schwager hätte ihn doch herausgesetzt, denn mein Schwager war im Zorn. Nun habe ich hinterher ruhig mit ihm gesprochen und habe Erfolg gehabt: Herr Hartleben bleibt.«

»Ja«, sagte der Junge bleich vor Zorn, »damit hat Ihr Schwager Sie dafür bezahlt, daß Sie den Oberbaurat bei den Kaviarbrötchen rumgeschwatzt haben! Oh, wie das alles stinkt – selbst wenn ihr etwas Anständiges tut, ist es noch unanständig!«

Er wandte sich ab und ging zum Fenster. Dabei sagte er im Vorbeigehen zu Rieke: »Mach mir ein bißchen zu essen, Rieke. Ich habe schrecklichen Hunger – der geht doch gleich.«

»Mein lieber Junge«, sagte der Herr von Senden, »ich glaube, du gehst ein wenig streng mit mir ins Gericht. Wäre ich arm und nicht der Schwager des Herrn Kalubrigkeit, du würdest milder über mich urteilen.«

»Aber Sie sind nicht arm, Sie haben es nicht nötig, Schlechtes zu tun, wie mancher Arme leider muß!«

»Was dir auch dein Gefühl über mich sagt, Karl, dein Verstand muß dir bestätigen, daß meine Methode die erfolgreichere ist. Trotz deiner Tapferkeit und deines Opfermutes lägen die Trockenmieter heute auf der Straße – verzeih, wenn ich dich daran erinnere! –, und Herr Hartleben wäre ohne Stellung!« – Der Junge schwieg finster, er sah in die Nacht hinaus. – »Aber reden wir nicht mehr vom Vergangenen«, fuhr der Rittmeister fort, setzte sich wieder auf den Bretterstuhl und schlug die Beine übereinander. Schon hatte er sein goldenes Zigarettenetui in der Hand. Schon brannte die Zigarette. »Reden wir von der Zukunft, von deiner Zukunft, Karl. Du hast deine Stellung verloren – was gedenkst du zu tun? Oder besser: was kann ich für dich tun, Karl?«

»Nichts!«

»Sage das nicht«, meinte der Rittmeister. »Ich weiß, du hast Mut und gute Anlagen. Aber du wirst zehn Jahre deines Lebens verlieren, um dich aus dem Gröbsten herauszuarbeiten. Wenn ich dir beistehen darf, wirst du von diesen zehn Jahren sechs oder sieben ersparen. Denke, sieben Jahre mehr Lebensarbeit, die dich freut! Das kann dich doch nicht freuen, den Laufburschen zu spielen, Karl?«

»Doch, das freut mich, Herr Rittmeister!«

»Aber wieso? Jeder Stiesel kann sich auf ein Rad setzen und Pakete an irgendeiner Wohnungstür abgeben!«

»Aber ich lerne die Stadt dabei kennen! Berlin! Und die Leute, die Berliner!«

»Richtig, du willst ja Berlin erobern, und was man erobern will, das muß man kennen!«

»Ich hätte Ihnen das nie erzählen sollen, Sie verhöhnen mich bloß ...«

»Aber ich verhöhne dich nicht! Es ist doch wahr, was ich sage. Und auf meine eigene –« er lächelte, »natürlich verkrochene und zynische Art, glaube ich sogar daran, daß du Berlin erobern wirst – auf deine Weise, nämlich für dich. Wahrscheinlich bin ich heute noch der einzige Mensch, der dir das zutraut.«

»Sind Se nich!« rief Rieke. »Ick ooch!« Nachdem sie Karl seine Stullen zurechtgemacht hatte, war sie nicht wieder an ihre Maschine gegangen. Sie war am Küchentisch stehengeblieben und hatte dem Gespräch zugehört. Nun wandte sie dem Besucher ihr schmales Gesicht zu.

»So?« fragte der Rittmeister. »Sie auch, Fräulein? So sind wir also schon zwei, die an ihn glauben. Und bald werden es fünfzig sein, und später hundert und noch später Tausende. Aber daß das nicht zu spät wird, daß er dann nicht schon seine beste Kraft verausgabt hat, darum möchte ich ihm rascher vorwärtshelfen, das verstehen Sie doch, mein kleines Fräulein?«

»Det vasteh ick schon! Aba ...«

»Einen Augenblick! Meinen Sie nicht, er würde das vielfältige Gefüge einer Stadt wie Berlin besser kennenlernen –« der Rittmeister sprach jetzt nur noch zu Rieke –, »wenn ich ihn beispielsweise in einer Großbank unterbrächte? Da würde er sehen, wie das Geld hierhin und dorthin fließt, wie es aus trockenem Sand Städte aufblühen läßt und Industrien entstehen, in denen Zehntausende ihr Brot finden. Er würde es lernen, diesen Geldstrom dorthin zu lenken, wo er am meisten Früchte trägt, zum Segen der Stadt Berlin. Ich könnte ihn gut in einer solchen Bank unterbringen, ich sitze zufällig in einem Aufsichtsrat –«

»Ich will mich nicht wieder auf ein Büro setzen. Ich tauge nicht dafür!«

»Nun gut, er sagt, er taugt nicht fürs Stillsitzen. Auch gut. Aber, Fräulein, sein Oberingenieur auf der Zeichenstube hat mir gesagt, daß er eine wirklich gute zeichnerische Begabung hat. Wenn er sich ein paar Jahre auf die Hosen setzte, würde ich ihn nach Charlottenburg auf die Technische Hochschule schicken. Er könnte Baumeister, Architekt werden, genau der andere Schlag als die Herren Kalubrigkeit. Und er könnte Häuser bauen, ganze Städte, wirkliche Wohnungen für die Arbeiter, mit Licht und Sonne –« er sah in der Küche um – »statt solcher Höhlen! Wäre denn das nicht eine bessere Aufgabe für ihn? Und er will aus lauter Eigensinn bloß Pakete ausfahren, ist denn das richtig, Fräulein?«

»Mensch! Karl! Der Mann is nich dumm. Überleg dir det. Wenn er dir nur sagt, wat er for seine Hilfe will, denn for nischt is nischt, und ick jloobe nich daran, det Se so wat aus lauter Edelmut für Karlen tun.«

»Ihnen das zu erklären, wird wohl am schwersten sein, Fräulein«, sagte der Rittmeister lächelnd. »Denn nach Ihren Begriffen will ich wirklich nichts für meine Hilfe. Kein Geld, nicht einmal seine Gesellschaft. Meinetwegen kann er auch hier bei Ihnen weiterleben, Fräulein –«

»Sie sollen nicht mit der Rieke reden, Sie sollen mit mir sprechen!« schrie der Junge plötzlich los. »Das möchten Sie, jetzt auch noch meine Freundin gegen mich aufhetzen! Das will er nämlich, Rieke! Was will so ein Mann mit Geld? Er hat so viel Geld, er würde sich nicht nach einem Hundertmarkschein bücken. Aber er will mich, er will in mich hineinkriechen, er will sein Spielzeug aus mir machen. Er möchte mich hin und her schieben wie eine Schachfigur. Er langweilt sich zu Tode, da will er doch was zum Spielen haben, und dafür bin ich ihm gerade gut genug! Und nun will er dich mir auch noch wegnehmen! Merkst du denn nicht, Rieke, er ist genau wie der Versucher, der Jesus auf einen hohen Berg führte, und zeigte ihm alle Schätze der Welt und sagte: Dies alles will ich dir geben, wenn du mir deine Seele gibst. Er hat keine, darum will er meine. Aber ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, Herr Rittmeister: nie! Und Sie können noch hundertmal kommen, und immer werde ich sagen: nie!« Karl Siebrecht hatte sich wieder in eine wilde Erregung hineingeredet, nun stand er da und sah den Rittmeister bleich und entschlossen an.

»Schade!« sagte der und nahm aus seinem Etui eine neue Zigarette. »Du hast dich um ein paar gute Arbeitsjahre geredet. Aber wir sehen uns wieder, Karl. Das ist unvermeidlich, ob wir uns suchen oder nicht. Gute Nacht, Karl. Gute Nacht, mein kleines Fräulein, seien Sie ihm nicht gar zu böse.« Er brannte die Zigarette an und ging aus der Küche.

»Schade!« sagte Rieke, kaum daß die Tür geklappt hatte. »Det haste dumm jemacht, Karl!«

»Ich will keine Hilfe von diesem Mann!«

»Er is 'n Fatzke mit seine feinen Socken«, meinte Rieke beistimmend. »Aber der Mann hat et ehrlich mit dir jemeint, Karl.«

»Ich mag ihn nicht, und so soll er mir auch nicht helfen.«

»Wieso denn nich? Sei bloß nich doof, Karl! Wat de da jesagt hast, von Vasucha und alle Schätze dieser Welt, det klingt ja ganz schön, aba wat soll det? Du bist ohne Stellung, und der Mann hätte dir 'ne Stellung besorgt. Wenn du nich uff 'n Büro sitzen magst, hättste dir underdes 'ne andere besorgt, det nenne ick praktisch. Erst hättste mal durch den zu leben jehabt. Von die zwanzig Mark bei Felten kannste ooch nich fett werden.«

»Die Stellung bin ich auch am Sonnabend los!«

»Nu schlägt's aber dreizehn! Und du schickst den Mann aus de Stube! Karle, diesmal vasteh ick dir wirklich nich! Von wat willste denn nu leben?«

»Ich werde schon wieder was finden!«

»Ja, jetzt im Winta! Läufste drei Wochen rum, und denn haste wat mit fuffzehn Mark de Woche! Und den Mann schickste weg, als wärste der Jraf Koks selbst! Dir vasteh ick nich mehr, Karl! Een bißcken Unvanunft steht ja jut zu Jesichte, aba det is mir zu ville!«

»Aber sieh doch ein, Rieke, wenn ich mir von dem Mann helfen lasse, dann muß ich auch so leben und das werden, was er sich denkt.«

»Wieso mußte –?«

»Ich will aber das werden, was ich will!«

»Und det kannste nich, wenn er dir 'ne Stellung besorgt? Det vasteh ick nich. Wo is denn da der Schiedunter, Karl, ob de nun rumloofst nach 'ne Stellung oder hast jleich eene? Deswejen kannste doch werden, wat de willst!«

»Nein, du verstehst mich wirklich nicht, Rieke, zum erstenmal nicht. Und daran ist nur der Kerl schuld, der hat dir den Kopf verdreht.«

»Mir hat keener den Kopf verdreht, Karle, dafor bin ick zu helle. Du hast Mist jemacht, Karl, det redste mir nich aus.« Sie seufzte tief. »Det Jahr fängt jut an, det muß ick saren. Du ohne Arbeet, Vata säuft, und der Hagedorn war heute nachmittag ooch wieder da.«

»Der Hagedorn? Was wollte der denn? Der hat doch seine Rate pünktlich gekriegt.«

»Ja, wat wollte der wohl? Dußlig reden! Mutter wollte er sehen! In welchem Krankenhaus se liegt, wollte er wissen. Du, Karl, dem trau ick nich mehr, der führt wat im Schilde ...«

»Das habe ich gleich gesagt, daß dem nicht zu trauen ist!«

»Ja, det haste jleich jesagt, aber unterschrieben haste darum doch! Ick jloobe, Karl, der will uns wegen die Unterschriften an den Karren fahren!« Wirkliche Angst klang aus Riekes Stimme.

»Also nehmen wir doch das Geld von meinem Sparbuch«, sagte Karl Siebrecht, »und zahlen den Kerl aus, dann haben wir unseren Frieden. Trotzdem–« er überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Eigentlich hatte ich einen anderen Plan, Rieke.«

»Wat haste denn for 'nen anderen Plan, Karl?«

»Also, paß mal auf, Rieke. Ich habe da 'nen Jungen getroffen.« Bei der Erinnerung an Kalli Flau belebte sich Karl Siebrecht. »Achtzehn Jahr ist der. Er war Schiffsjunge, aber nun ist er in Berlin und sucht nach Arbeit. Ein feiner Kerl, der wird dir auch gefallen.« Riekes Miene wurde immer abweisender, je lebendiger Karl Siebrecht wurde. »Der hat mir nun erzählt, daß auf der Spree jetzt Obstkähne liegen und daß da immerzu jemand gebraucht wird, der den Leuten die Äpfel nach Haus schafft. Da kann man einen Haufen Geld verdienen. Bloß mit dem Auf-dem-Buckel-Schleppen, das schafft nichts. Da habe ich nun gedacht, wenn ich mir von dem Sparbuch ein Dreirad kaufe, oder besser noch zwei, für den Kalli Flau auch eines –«

»Wieso denn ooch for den?«

»Der hat jetzt gar kein Geld, wo er doch gerade vom Schiff ausgerissen ist. Ich habe ihn erst mal in der Kammer bei Felten schlafen lassen, und mein Abendbrot habe ich ihm auch gegeben. Der war ja so verhungert, Rieke –«

Aber Rieke war nicht mehr zu halten. »Det is ja jroßartig, Karl!« schrie sie los. Sie hatte die Arme in die Seiten gestemmt und keifte, gerade als sei Karl nicht ihr Freund. »Da haste dir ja wat Feinet anjehandelt, det muß ick sagen, Karl! Vata arbeitslos, du arbeitslos, fast nischt zu Fressen mehr in't Haus, und denn sammelste dir noch so 'n Straßenläufer auf, jibst ihm deine feinen Stullen und läßt ihn bei Felten schlafen! Wenn der nu morjen mit 'nem Puckel voll Stoffe losjelaufen is, wat dann, Karl?«

»So ist Kalli Flau nicht! Und außerdem habe ich ihn eingeschlossen!«

»Injeschlossen! Karle, wenn ick so 'n Stuß bloß höre! Wo det Lager parterre liegt, der broocht doch nur 'n Fenster uffmachen! Nee, Karl, heute biste vernagelt wie 'ne olle Eiakiste!«

»Du hast den Kalli ja noch gar nicht gesehen –«

»Ick will ihn ooch jar nich sehen! Hau bloß ab mit solche Freunde! Det sich so eener nich schämt, jleich den ersten Abend mit's Betteln anzufangen!«

»Es ist ihm sauer genug geworden, Rieke!«

»Wat heeßt hier sauer? Denke doch bloß an den Fritze Krull und an seine Sandkiste im Tierjarten! Dem haste ooch jleich jeglaubt, und denn hättste deinen Knuff im Bauch weg! Der wird dir noch ganz anders eenen vasetzen, dein neuer Freund da!«

»Das wollen wir abwarten, Rieke.«

»Abwarten, ja, aber von wat? Erst beköstigen wa ihn, und denn koofen wa ihm ooch noch 'n Rad! Uff Abzahlung natürlich – als wenn ick mit dem Hagedorn nicht schon Sorjen jenug hätte!«

»Aber, Rieke, mit den Äpfeln kann man wirklich viel Geld verdienen, das leuchtet mir ein.«

»Wenn dir det bloß einleuchtet, dir und deinem Freund! Ihr seid ja beide doof! Mensch, wa sind doch im Januar, alle Tage kann det Pickelsteine frieren, und wat wird dann mit deine Appel? Weg sind se! Appel sind doch keene Eisfrucht nich! Den Tag, wo zehn Jrad Frost im Kalenda stehen, is det Jeschäft alle, und ihr sitzt da mit eure Räder und eure Abzahlung.«

»Dann findet sich eben etwas anderes!« sagte Karl Siebrecht, aber etwas schwächer, denn Riekes sehr richtiger Hinweis auf einen drohenden stärkeren Frost hatte ihn doch getroffen.

»Ja, find sich!« höhnte Rieke jetzt ganz offen. »Aba den Mann, der det jut mit dir meint, der dir 'ne Stellung bringt, den schmeißte aus der Küche! Jetzt weeß ick doch, warum du dem seine Stellung nich wolltest: mit deinem neuen Freund willste zusammen sein! Aba daraus wird nischt! Ick jebe det Sparbuch nich raus, und wenn de mir in Stücke haust, Karl!«

»Ich werde dich schon nicht in Stücke hauen, Rieke«, sagte Karl Siebrecht trübe lächelnd. »Aber mit dir ist heute nicht zu reden.«

»Mit dir ist heute nicht zu reden, Karl, det is et! Janz unvanünftig biste!«

»Also gut, Rieke, ich bin unvernünftig. So laß mir meine Unvernunft ...«

»So redet ihr Männer alle, wenn ihr jar nischt mehr zu sagen wißt! Aba ick habe doch recht, und det Sparbuch kriegste nich!«

»Wir reden morgen weiter darüber. Gute Nacht, Rieke.«

»Wa reden nich mehr darüber, det is erledigt! – Iß erst deine Stullen, Karl, eh de ins Bett jehst!«

»Danke, ich habe keinen Hunger mehr. – Gute Nacht, Rieke.« Sie schwieg. »Ich habe gute Nacht gesagt, Rieke!« Schweigen. »Wir wollen doch nicht verzankt ins Bett gehen, Rieke! Es wäre das erste Mal!«

»Eenmal muß det erste Mal sind, sagte det junge Mächen, da fiel se! Nee, Karl, jute Nacht sare ick dir heute nich, det wäre bloß äußerlich. Ich bin Schuß mit dir!«

»Also denn nicht gute Nacht«, sagte Karl Siebrecht unter der Tür. »Aber es tut mir leid.« Er stieg die Treppe hinunter.

Oben riß Rieke die Tür wieder auf. Ohne Rücksicht auf die Nachtruhe der Mitbewohner schrie sie ihm durch das Treppenhaus nach: »Denkste, mir tut det nich leid, du olla Dussel?! Denkste, ick werde 'ne jute Nacht haben, bloß, weil du se mir wünschen tust? Det denkste?! Sei lieba vanünftig, du olla Boomaffe du!« Oben knallte die Tür. Nun doch ein wenig erleichtert, trat Karl auf den Hinterhof.


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