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Alfred Gruenewald
geb. 17. März 1884 in Wien
gest. 9. September 1942 in Auschwitz

Der Riese

Ein Riese, der in Weiberpein,
Sprach: »Besser ist gestorben sein,
Denn so in Liebe lungern.
Was soll mir Sucht und Überschwang.« –
Dann legte er sich längelang,
Geruhsam zu verhungern.

Und schlief. Da kam ein Menschenzwerg,
Ein zweiter – dritter. – »Seht, ein Berg!
Wir wollen ihn bebauen.« –
Ein vierter – fünfter. – »Fettes Land!
Seid mit Geräten schnell zur Hand,
Zum Graben, Roden, Hauen.«

Bald war ein Städtlein aufgestellt.
Drin hausete die rege Welt.
Es flammten die Gefühle.
Da wuchsen Lust und Gier und Wut,
Und dorrend sanken Kraft und Mut
Im zwergichten Gewühle.

So wichen zweimal sieben Jahr.
Dem Riesen dies zwei Stunden war,
Und just so lange schlief er.
Dann reckte er sich wohl und weit.
Da fiel die Stadt mit ihrem Streit,
Gebröckel und Geziefer.

Er sprach: »Wer geht die rechte Spur,
Gefeit vor Trug? Wie kam es nur,
Daß ich mich also sehnte.
Wohl manch ein Ding in Nichts zerrinnt,
Wenn man's beschläft, wenn man's besinnt.« –
Und reckte sich und gähnte.

 


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