Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Hermann von Gilm
geb. 1. Nov. 1813 in Rankweil
gest. 31. Mai 1864 in Linz

Ist das bald?

Über hundert lange Stunden,
Über hundert frische Wunden –
Unterdessen kann der Wald,
Kann die Wiese sich entfärben,
Können alle Blumen sterben –
Ist das bald?

Die Georgine

Warum so spät erst, Georgine?
Das Rosenmärchen ist erzählt,
Und honigsatt hat sich die Biene
Das Bett zum Schlummer schon gewählt.

Sind nicht zu lang dir diese Nächte,
Die Tage nicht zu schnell dahin?
Wenn ich dir jetzt den Frühling brächte,
Du feuergelbe Träumerin?

Wenn ich mit Maitau dich benetzte,
Begösse dich mit Junilicht?
Doch ach, dann wärst du nicht die Letzte,
Die stolze Einzige auch nicht.

Du spätgebornes Kind der Sonne,
Ich reich' dir brüderlich die Hand,
Ich hab' des Lebens Frühlingswonne
Wie du den Maitag nicht gekannt,

Und spät wie dir, du feuergelbe,
Stahl sich die Liebe mir ins Herz:
Ob spät, ob früh, es ist dasselbe
Entzücken und derselbe Schmerz.

Lied eines Mädchens

Ich habe drei Kränze gewunden,
Gleich einer Schäferin,
Und will sie nun verteilen
Nach meinem törichten Sinn.

Den ersten aus Eichenblättern,
Den drücke ich dir aufs Haupt;
Es liegt eine Kraft in der Eiche,
Auf die man vertraut und glaubt.

Den zweiten aus wilden Rosen,
Geb' ich dem Bächlein im Wald,
Das färbt mit rosigem Leben
Die Wangen von jung und alt.

Den dritten aus Blumen des Feldes,
Leg' ich dem Heiland aufs Haar.
Er soll keinen Dornenkranz tragen
In meinem seligsten Jahr.

Allerseelen

Stell' auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die letzten roten Astern trag herbei!
Und laß uns wieder von der Liebe reden,
Wie einst im Mai.

Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke,
Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei,
Gib mir nur einen deiner süßen Blicke,
Wie einst im Mai.

Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe,
Ein Tag im Jahre ist den Toten frei;
Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
Wie einst im Mai.

Lied von den italienischen Grenzen

Hellblau wie die Himmelsdecke
Wölbt der Flachs die Draperien,
Rosenblätter von der Hecke
Hat das Heidekorn geliehen.

Dort im Acker voller Farben
Streut der Mohn schon reife Körner,
Daß voll süßen Schlafs die Garben
Senken ihre gelben Hörner.

Laß mich hier auf diesem Platze!
Kind, was willst du weiter gehen?
Nichts ist mein vom ganzen Schatze,
Als die Augen, ihn zu sehen.

Der Verschollene

Ich lieg' im Feld, zur Seite mir die Ähre,
Die neigt ihr Haupt schwermütig in Gedanken,
An ihrer rauhen Wimper hängt die Zähre;
Da ist mir wohl, ich lieb' die Seelenkranken.

Und eine Lerche lehrt die zarten Jungen
Das Frühlingslied und gibt das beste Futter
Dem Kinde, welches fehlerfrei gesungen;
Da ist mir wohl, als hätt' ich eine Mutter.

Dort wird die Tanne wie im Freundschaftsbunde
Umfangen von der Birke weißen Armen,
Ob auch die scharfe Nadel sie verwunde;
Da ist mir wohl, als gäb' es noch Erbarmen.

Und alles, was ich liebe, schien gestorben,
Doch ringsum sind die Rosen aufgeschossen,
Nicht alle Blumen hat der Schmerz verdorben;
Da ist mir wohl, als wär' ich nicht verstoßen.

An eine Roveretanerin

Von meinen Bergen will ich zu dir sprechen,
Erzählen dir helldunkle Waldgeschichten,
Von Heidelbeeren unter schlanken Fichten
Und von den wilden Rosen an den Bächen;

Vom grünen Eise neben Blumenflächen,
Von Lilien, die auf die Felsen flüchten,
Zum kühnsten Jodler will ich Lieder dichten
Und mit Gefahr das Edelweiß dir brechen.

Du aber sollst Isera mir kredenzen,
Frühfeigen pflücken mit den weichen Händen
Und mir das Haupt mit Mandelblüten kränzen.

Und rufen wollen wir bis an die Grenzen,
Wie groß Tirol und seine Männer ständen,
Wenn so wie wir sich Nord und Süden fänden.

Die Nacht

Aus dem Walde tritt die Nacht,
An den Bäumen schleicht sie leise,
Schaut sich um im weiten Kreise –
Nun gib acht!

Alle Lichter dieser Welt,
Alle Blumen, alle Farben
Löscht sie aus und stiehlt die Garben
Weg vom Feld.

Alles nimmt sie, was nur hold;
Nimmt das Silber weg des Stromes,
Nimmt vom Kupferdach des Domes
Weg das Gold.

Ausgeplündert steht der Strauch –
Rücke näher! Seel' an Seele,
O die Nacht, mir bangt, sie stehle
Dich mir auch.

 


 << zurück weiter >>