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Emil Faktor
geb. 31. August 1876 in Prag
gest. 10. April 1942 im Ghetto Litzmannstadt

Akazien

Wie sie vor dem Auge schwanken,
Die mir in das Fenster ranken,
Blühende Akazienbäume!

Weiße Dolden, Duft und Helle,
Also strömt des Sommers Welle
In die stille Träumerstube.

Wenn sie auf- und niederschweben,
Kann ich meinen Blick nicht heben
Von dem Silbergrün der Zweige.

Wie die Dolden seltsam spielen,
Auf das Laub begehrlich zielen,
Wie beseelte weiße Flammen!

Fürchten sie, die selber funkeln,
Daß die Brüder sie verdunkeln?
Nein, jetzt strahlen sie in Frieden.

Regungslos, wie Träumerinnen
Stehn die Bäume da und sinnen,
Und der Wind schläft in den Ästen.

Und am hellsten Grün gesunden
Meine heimwehkranken Stunden –
Herrlich blühn Akazienbäume!

Das Rosenjahr

Die Erde lag in wunderbarem Schweigen ...
Und Venus ward in ihrem Wolkenpfühl
Zu eng das Lager und die Luft zu schwül –
Sie sehnte sich, den Menschen sich zu zeigen
In ihrer Schönheit unverhülltem Glanz.
Das Haupt umglüht von einem roten Kranz,
Gab sie sich einem Sterblichen zu eigen,
Der wie ein Gott von edlem Wuchse war –
Und reich an Rosen wurde dieses Jahr.

Liebesschauer

Es waren trunkene Minuten ...
Ich sank und sank bis an das Herz der Welt,
Und immer röter glühten meine Wangen,
Und endlich glitt ich träumend nieder ...
Es duftete, als hätt' ein Blumenparadies
Mich rings umrauscht mit hunderttausend Blüten –

Da wuchs vor mir – es bebte leicht die Erde –
Die herrlichste Magnolie empor
Und wurde groß in wenigen Sekunden.
Ich zitterte und beugte mich zu ihr
Und wollte diese Wunderblume küssen –
Doch ängstlich schauerte zusammen sie
Und ward ein weißer Mädchenbusen – – –

Da jagte durch den Kopf mir dunkles Feuer,
Und meine Blicke wurden scheu und scheuer,
Bis ich beseligt und bestürzt erkannte,
Daß mir mein Haupt in deinem Schoße brannte ...
Nun hörte ich in angstvoll süßem Lauschen
Die Erde stöhnen und den Himmel rauschen ...

 


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