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Ada Christen
geb. 6. März 1844 in Wien
gest. 19. Mai 1901 in Wien

Maryna

Seit du gestorben, bin ich recht allein.
Ich träume oft, es müsse anders sein,
Dann sag' ich mir: Sie ist nur fortgegangen
Und kehret wieder, denn sie ahnt mein Leid.
Dann kommst du lachend wie in alter Zeit
Und streichelst hastig redend meine Wangen.

Und ich erwache ... will dich wiederseh'n,
Will dich in einem Winkel noch erspäh'n,
Ich suche wie die Mutter nach dem Kinde!
Doch plötzlich fällt mich der Gedanke an:
Daß ich die Welt zu Ende laufen kann
Und nirgends ... nirgends ... nirgends ... dich mehr finde!

Ein Balg

Die alte Frau hat ein hartes Gesicht,
Doch kluge, sanfte Augen,
Die wenig mehr beim Pfenniglicht
Und nicht zum Weinen taugen.

Sie war ein Balg ... Als Findelkind
Verlass'ner als die Armen,
Bat weder Herren noch Gesind
Um Futter und Erbarmen.

Sie griff fest zu und schaffte stramm
Wie ehrbar ernste Leute,
Daß nie sie Unverdientes nahm
Erfreut das Weib noch heute.

Sie zeigt auch jetzt mit Bauernstolz
Erdarbte Talerscheine:
»Die sind mein unverbranntes Holz,
Meine ungetrunknen Weine ...

Die sind mein ungegessenes Brot,
Auf jedem steht geschrieben:
Ein Alter ohne Schand' und Not ...
Und was mir Gott schuldig geblieben.«

Bald jährt sich unser Hochzeitstag

Bald jährt sich unser Hochzeitstag,
Wo ich durch Sturm und Regen
– Die zitternd mir im Arme lag –
Dich hertrug – mir zum Segen.

Wie bist du, demutvolles Kind,
So hilflos dort gesessen,
Im Schornstein wimmerte der Wind,
Ich kann es nie vergessen.

Mein heißes Blut begehrte dich,
Doch rührte mich dein Bangen,
Und einem tiefen Mitleid wich
Mein liebendes Verlangen.

 


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