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Richard Schaukal
geb. 27. Mai 1874 in Brünn
gest. 10. Oktober 1942 in Wien

Mai

Bist du endlich gekommen,
Rosenfingriger Mai?
Töne deiner Schalmei
Sind in Lüften geschwommen.

Leise sind an den Bäumen
In einer seligen Nacht
Aus ihren zagenden Träumen
Weiße Blüten erwacht.

Hoch vom Himmel hernieder
Spannt sich leuchtendes Blau,
Und im glänzenden Tau
Funkeln die Gräser wieder.

Unter den Küssen der Winde
Schauernd gleitet der Bach,
Stärker schon rauschen der Linde
Wimpel über dem Dach.

Unterm Kastanienbaum

Unterm Kastanienbaum
Saß ich und sann:
War einst mein Tag wie ein Traum,
Aber das Träumen verrann ...

Stand auf und hob die Brust.
Leben ist schwer,
Sagt immer nur: Du mußt!
Hört nie: Ich kann nicht mehr.

Entführung

Wenn die leichte Kerzenflamme
Schwelend sich gespenstisch hebt,
Die am runden, weißen Stamme
Zuckend wie gefangen klebt,

Und ein Hauch im düstern Zimmer
Unbemerkt sie plötzlich treibt,
Daß ihr flüchtig blasser Schimmer
Schattend einen Kreis beschreibt:

Fühlst du dich im tiefsten Kerne
Wie von einem Ruf berührt,
Der dich in die große Ferne,
In die Ewigkeit entführt,

Fühlst dich über diesem Leben
Körperfrei im Wirbelwind
Lautlos zu den Quellen schweben,
Draus die Zeit ins Dunkel rinnt.

Ritt ins Leben

Geharnischt reit' ich von euch: Verschließet hinter mir die Tore.
Der Morgen loht: Es flammt von meinem Speer.
Die Sonne spiegelt bald in meiner blanken Wehr.
Blickt mir nach von weithin schauender Empore.

An dem Hügel, der das Tal verbirgt, zurück
Darf ich noch einmal wenden mein gehelmtes Haupt,
Von der alten Linde brech' ich mir ein weißerblühtes Stück.
Die Heimat läßt mich los! Ich hätt' es nie geglaubt.

Chronika

Sabbioneta kam von fernen Fahrten
Zu seiner Gattin, die mit kühlen, zarten
Verbrecherhänden ihm Willkommen bot.
Er sah in ihre großen ahnungbangen,
Verbuhlten Augen, und im schwarzen langen
Samtmantel neben ihr stand schon der Tod.

Rokoko

Steife silbergraue Portieren,
Weiße Göttergestalten mit großen leeren
Augen, verschlafne Konsolenuhren,
Possierliche Porzellanfiguren
Auf Marmortischen mit goldenen Beinen,
Schwarze Katzen aus grünen Steinen
Lüstern blinzelnd auf hohen Kaminen,
Weiche Causeusen hinter Gardinen,
Geblumte vergoldete Garnituren,
Und ein Spinett, und die exquise
Gavotte lehnt noch aufgeschlagen,
Die leicht vergilbten Seiten tragen
Am Rande rechts unten einer Marquise
Zierlich gewölbte Nagelspuren,
Die damals hochgemiedert hier
Saß und spielte mit sanft gebogenen
Brauen über großen verlogenen
Blauen Augen, mit puderbestaubten
Locken, vor Herrn, die ans Irdische glaubten
Und an den Hurihimmel auf Erden,
Die mit Spitzenmanschetten und halben Gebärden
In einer sublimen schmalen Manier
Ihr Kräuseljabot aus den Westen zogen
Und schlanke Rohre träumend bogen
Mit Silberknäufen und Freiherrnkronen,
Die mit dem Parfüm der Sonnenzonen
Ihre heimlichen zärtlichen Aventüren
Feuchteten und mit gewandten Allüren
Den alten Gott in die Grube legten,
Über die sie sich schmächtig und höflich bewegten
In kleinen Schritten mit scherzenden Worten ...
Wer öffnet mir die verriegelten Pforten
Zu dieser Welt der blassen Nüancen,
Der Madrigale und Medisancen?

 


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