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Karl Hans Strobl
geb. 18. Januar 1877 in Iglau
gest. 10. März 1946 in Perchtoldsdorf bei Wien

Herausforderung

An die Spitze meines Degens bind' ich eine rote Rose.
Jene Rose, die du gestern in der Sommernacht Gekose
Dir von Dorimenen hast mit heuchlerischem Wort erschworen,
Die du dann in heißem Rausche bei Angelika verloren.
Öffne deine samt'ne Weste, du verliebter Kavalier –
Sieh, ich fand die wunderrote Rose, und ich bring' sie dir.
An der Spitze meines Degens schwankend kommt sie dir zurück;
Zieh' und gegen diese Rose suche noch einmal dein Glück!
Blau erflammt der Stahl, und rötlich zitternd naht die Rose sich ...
Öffne deine samt'ne Weste ... Stoß um Stoß und Stich um Stich ...
Stoß um Stoß ... die Klingen sprühen ... Stich um Stich und Stoß um Stoß ...
Vom verschob'nen Spitzenhemde wird ein bleicher Schimmer bloß ...
Kreise, klirre, liebe Klinge, Stoß und Stoß ... nun bist du mein ...
Zischend fährt die rote Rose in die weiße Brust hinein,
Lustig spritzt ein roter Quell und färbt die weißen Spitzenfalten –
Dorimenens rote Rose hat sich wunderbar erhalten. –
Schöner blüht sie noch und schwerer von den kaum verhauchten Lüsten,
Tief in ihrem dunkeln Kelche ist der Duft von ihren Brüsten,
Tief in ihrem dunkeln Kelche ist ein Tropfen roten Tau's.
Liebe, liebe, liebe Klinge! ... Die Komödie ist aus ...
Lauschend beugt sich Dorimene von der Brüstung des Altans:
»Hier ist deine rote Rose mit dem Blute des Galans!«