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Stefan Milow
geb. 9. März 1836 in Orsova
gest. am 12. März 1915 in Mödling bei Wien

Ewig

Aus tausend Knospen bricht die Kunde,
Es ist nur Täuschung aller Tod!
So klingt es schmetternd in der Runde,
So spricht das goldne Morgenrot.

Wir stehen unter Blütenbäumen –
Mit Jubel denk' ich's, daß du mein,
Und rufe laut in sel'gen Träumen:
O dieses Glück muß ewig sein!

Da fallen welke Blüten nieder,
Es schauert leis der Lenz im Wind:
Ja, ewig! sagst du lächelnd wieder
Und blickst auf unser spielend Kind.

Über Nacht

Gestern Knospe, noch verhüllt;
Heute eine offne Rose,
Farbenglühend, reich gefüllt –
Schnell entfalten sich die Lose.

Gestern scheu der erste Kuß,
Banges Zaudern und Verhehlen;
Heut – o süßer Überfluß! –
Küsse, nimmermehr zu zählen.

In der Flucht der Zeit

Auf das Leben sich besinnen,
Ach, das ist der Tod!
Siehst du alles doch zerrinnen,
Was es je dir bot.

Laß uns träumen weltverloren,
Selig, stumm verzückt,
Was der Augenblick geboren,
Fest ans Herz gedrückt.

Vermächtnis

Ich habe Sonnentage froh gelebt!
Ob viele, wenige – wer fragte bang?
Unmeßbar bleibt, was, flüchtend, still verschwebt
In die Vergangenheit; da ist nichts lang,
Nichts kurz: es war! dies Wort verkündet alles.
Ich habe Sonnentage froh gelebt!
Ist das kein Trost, trotz jeglichen Zerfalles,
Vor dem die Seele banggeängstigt bebt?
Und mehr: ich lebe! lebe, lichtumflossen,
Die Gegenwart; es liegt vor mir die Welt,
Rings wallt und wogt es, tausend Triebe sprossen,
Und wie die Brust mir stiller Jubel schwellt,
Dünkt dieses Feuer mir der Lebensfunken,
Der alles nährt, und wie ich, angefacht
Von innen, in der Runde Bild versunken,
Strahlt alles hell in bunter Farbenpracht.
Und du bist mir geschenkt! Das schönste Band
Verknüpft uns fest zu seligstem Entzücken,
Und was ich je Beglückendes empfand,
Es will durch dich mich doppelt tief beglücken.
Ich hange süß erglüht an deinem Munde
Und fühle ganz die Lust: ich bin bei dir!
Gib einen Kuß für tausend, eine Stunde
Der Seligkeit gib für Äonen mir!
Und müßt' ich morgen sterben, weine nicht!
Erfülle einen Augenblick nur ganz:
Das ist die Ewigkeit! Mein Auge bricht,
Doch du bewahr' in deinem feinen Glanz,
Du spiegle fort das goldne Licht der Sonne,
Du trage weiter, was in mir entschlief,
Und hüte treu im Herzen all die Wonne,
Die ich mit dir gefühlt so voll, so tief!
Wenn ich dann war, so denke nicht, wie lang,
Und daß ich allzufrüh geschieden – nein!
Du weißt, ich lebte, voll von Himmelsdrang,
An Stunden reich, die schon ein ganzes Sein.
Am schönsten feierst du mein Angedenken,
Da, lächelnd du, wie sonst, die Welt entzückst,
Und selber, was dir hold die Götter schenken,
Mit sanfter Rührung an den Busen drückst.

 


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