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Camill Hoffmann
geb. 31. Okt. 1878 in Kolin
gest. Oktober 1944 in Auschwitz

Trecento

Maria im Rosenhag, –
Das Kindlein weiß nichts vom Leide.
Der Himmel ist wie Seide,
Maria immer nur lächeln mag.

Viel Englein musizieren
Auf braungoldenen Geigen,
Drum ist ein staunendes Schweigen
Unter des Waldes Tieren.

Lämmlein, die sich verirrten,
Schlummern auf glattem Rasen.
Irgendwo ferne blasen
Abwechselnd zwei Hirten.

Romantik

Der Wald ist tot, seitdem der Markgraf freite, –
Das Waldprinzeßlein schleicht auf leisen Zeh'n
Und wünscht sich nur, daß er vorüberreite,
Um ihn aus fremden Augen anzusehn.

Im Wildpark ragen alte Riesenbäume.
Das Waldprinzeßlein klagt durch die Alleen,
Und in den Kronen wiegt es seine Träume,
Die selbst die Sommernächte nicht verstehn.

Kasernenfenster

Aus der Kaserne schallt immer ein Sang,
Ein Waldhornlied, ein Harmonikaklang,
Die jungen Soldaten am Fenster lehnen
Und lauschen vergrübelt den schmachtenden Tönen.

Oft kenn' ich ein Lied; aus der Kinderzeit
Wacht es im Herzen mir auf wie befreit,
Die Knechte sangen es auf den Fluren,
Wenn sie die Mahd in die Scheunen fuhren.

Es dehnt sich darin des Böhmerlands
Schwerkrumiger Acker in trägem Glanz, –
Die jungen Soldaten brennt es im stillen,
Sie tragen des Kaisers Rock wider Willen.

Ihr Blick schweift über der Dächer Rand,
Ihr Heimweh erglüht wie der Abendbrand.
Wie fühl' ich im Lärm der Stadt dies Bangen!
Ich bin, wie sie, durch die Wiesen gegangen.

Mythische Wanderung

Fließt die Magie des Mondes in die Winternacht,
Hat sich mein Herz, behext, auf die Wanderung gemacht.
Silberfelder glitzern weiß, in Hermelin,
Dürr und weise wie Greise kauern die Bäume darin.
Von den Türmen der Dörfer fallen und schallen klar
Die metallenen Stunden; sie runden eilig das Jahr.
In unendlicher Bläue, gleißend wie Bergkristall,
Spiegeln einander die Räume, tief, ohne Widerhall,
Und sie prangen von Sternen, den Blüten kosmischer Wildnis,
Zaubervoll. Denn ein Bildnis
Uralter Menschheitsträume sind Poseidon und Wage,
Krebs und Stier: sie gebar der kreisende Nebel der Sage.
Auf der Milchstraße wandert mein Herz hin, in dem Gesang
Ewiger Sterne, hat ihren Rhythmus, hat ihren Gang ...

Brausend wie Gott ist dieser Gesang, und ist auch so alt.
Licht und Dunkel, Länder und Meer hat seine Gewalt
Einst, am ersten Tag, und dann Morgen um Morgen geteilt;
Er ist's, der bleibt und ruht, wo alles Lebende eilt,
Ist's, der die große, schwebende Welt
Wie eine strahlende Tänzerin leicht und im Gleichgewicht hält.
Auf der Milchstraße, mitten im Klingen mythischer Fernen,
Wandert mein Herz dahin, ein Stern unter Sternen.
Arktischer Zonen Glanz und Einsamkeit
Eisen es ein und durchleuchten die Winternacht tief und weit-weit.

 


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