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Ludwig Anzengruber
geb. 29. Nov. 1839 in Wien
gest. 9. Dez. 1889 in Wien

Volksweise

Was ist es mit dem Leben
Doch für 'ne arge Not,
Muß leiden und muß sterben
Zuletzt den bittern Tod.

Kam ich doch auf die Erden
Ganz ohne Wunsch und Will',
Ich weiß es nicht von wannen
Und kenn' nicht Zweck noch Ziel.

Es tritt die bunten Auen
Nur einmal unser Fuß,
Für kurze Zeit nur tauschen
Wir Händedruck und Gruß.

Und was uns auch von Freuden
Und Leiden zugewandt,
Das mehret und das mindert
Sich unter Menschenhand.

Drum lasset uns in Freundschaft
Einander recht verstehn
Die kurze Strecke Weges,
Die wir zusammengehn!

Weisung

Ich stand vor manchem schon betroffen,
Der Pinsel und Palette führt,
Und dessen steifes, festes Hoffen,
Mich oft beinahe hätt' gerührt.
Er zog ins Land, studierte immer
Und wies mit freud'gem Hoffnungsschimmer
Den Skizzen-Wust, den er erzielt,
Und schien ihm etwas recht zu taugen,
Da rief er mit verzückten Augen:
»Das gäb' ein Bild!«

Es mußte doch nicht sein das Wahre,
Wie er die Sache nahm zur Hand,
Er trieb es so durch viele Jahre,
Nichts halfen Leute ihm und Land,
Denn was er malte, konnte Laien
Und Kenner nimmermehr entzweien,
Weil keiner etwas darauf hielt;
Und was er eifervollen Strebens
Auch schuf die Tage seines Lebens,
Gab nie ein Bild.

Der soll sich nicht mit Kunst belasten,
Der die Nation wie jeder sieht,
Er schleppt 'nen Photographenkasten,
Der nur die Schulter schief ihm zieht;
Wem irgend Großes noch gelungen,
Der hat sich's selber abgerungen,
Ob zart und mild, ob stark und wild!
Hast du nur deinem Werke eben
Aus eignem Ich was zugegeben,
So gibt's ein Bild!

 


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