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Adolf Pichler
geb. 4. Sept. 1819 in Erl
gest. 15. Nov. 1900 in Innsbruck

Der Weltnarr spricht:

Im Himmel geht es lustig zu,
Er hängt ja voller Geigen,
Und was nicht eben hält auf Ruh,
Das dreht sich froh im Reigen.

Der Tisch wird nie von Speisen leer
Und Paradieses Weinen,
Und keine Sünd' ist's Küssen mehr,
Bedroht von Höllenpeinen.

Doch gut ist's auch im Land Tirol,
Drum will ich nicht von hinnen,
Nie kann ich dort im Himmel wohl
Den bessern Platz gewinnen.

Der rote Wein vom Kaltrer See
Scheint auch nicht zu verachten,
Tirolermädeln, – Freund, Juchhe!
Mag sie Sankt Peter pachten.

Und eine Alm mit Edelweiß
Am Sonnjoch oder Schlerne,
Wenn diese nicht verdient den Preis
Ich laß ihm seine Sterne.

Und Gemsen, einen Stutzen blank,
Dort an den schroffen Wänden, –
So sag ich für den Himmel Dank,
Was kann er mir noch spenden?

Ja, du mein liebes Land Tirol, –
Ich will mich noch besinnen;
Ich denk', ich bleib' herunten wohl,
Was könnt' ich dort gewinnen?

Die Braut

Die Fahne steckt der Frühling aus,
Es blühen alle Felder,
Und sind die Alpen oben weiß,
Sind unten grün die Wälder.

Die Lerche singt ihr Tirili,
Wenn's kaum beginnt zu grauen,
Die Schwalben flattern hin und her,
Ihr kleines Nest zu bauen.

»Siehst du das Kreuz am Firste dort?
Mein Haus ist für dich fertig,
O komm, o komm, es ist der Frau,
Der Herrin schon gewärtig!«

Sie lacht den dummen Freier aus
Und denkt: der kann noch warten!
Doch wo er stand, erhebt sich gelb
Die Totenblum' im Garten.

Die Lerche duckt ins reife Korn,
Es zwitschern junge Schwalben,
Da steht er wieder: »Komm, eh sich
Die Blätter noch verfalben!«

Sie hört es, Schauer faßt sie an,
Der Freier ist verschwunden,
Die Wange rötet sich noch mehr,
Doch kann sie nicht gesunden.

Wißt ihr es wohl, daß Michael,
Der Engel, wägt die Toten?
An seinem Feste hat den Gruß
Der Freier ihr entboten:

»Bis Allerseelen bist du wohl
Bereit zum Hochzeitreigen,
Wenn auch die Musikanten dort
Uns nicht zur Feier geigen.«

Und rot verfärbt die Wange sich,
Glänzt auch der Blick noch heller,
Und tanzt sie auch am Kirchtag nicht,
So fliegt der Puls doch schneller.

Der Herbstwind deckt die Dächer ab
Und schleudert schwere Tropfen,
Die Türe kracht sperrangelweit, –
Er ist's, ohn' anzuklopfen.

»Juchhe, juchheisa, tralala,
Die Uhr beginnt zu schlagen,
Und ist die Stunde voll gezählt,
Mußt du das Ja! mir sagen.

Juchhe, juchheisa, tralala,
Willst keinen Finger reichen?
Was zierst du dich? Ich fass' die Hand,
Wer springt, braucht nicht zu schleichen.

Stolz wiesest du die Freier ab,
Mein bist du, wirst es bleiben,
Als Zeuge kann ins schwarze Buch
Der Pfarrer heut' es schreiben!«

Laut schreit sie auf; den Brautkuß gibt
Der Freier ihr, der bleiche,
Und in das Brautbett legten sie
Die schöne kalte Leiche.

Der Meßner zieht die Glocke schon,
Die Glocke statt der Geigen,
Auf ihrem Häuschen siehst du dort
Ein hölzern Kreuzlein steigen.

Sonnenwende

Schon blüh'n die Alpenrosen
Weitum durchs ganze Land,
Doch keine darf ich pflücken
Mit meiner kranken Hand.

Ich sitz' auf hohem Söller,
Die Berge stehn im Kreis,
Es leuchtet ihre Stirne
Gekrönt vom Gletschereis.

Und all die Bilder ziehen
An meinem Geist vorbei,
Wo ich auf ihren Gipfeln
Gestanden kühn und frei.

Ich denk' an jedem Abend:
Es ist zum letztenmal,
Daß ich zur Sonne schaue
Und blick' ins tiefe Tal.

Doch schlägt sie bald, die Stunde,
Legt nieder auf mein Grab
Den Kranz von Alpenrosen,
Den morschen Pilgerstab.

 


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