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Alfred Meißner
geb. 15. Okt. 1822 in Teplitz
gest. 29. Mai 1885 in Bregenz

Spätsommer

Laß im geheim mich zu dir kommen,
Laß im geheim mich von dir gehn;
Ach! unsrer Liebe kann's nicht frommen,
Daß andre noch uns glücklich sehn.

Stumm sei dein Mund, dein Blick verschweige,
Wie weit sich unser Herz verlor,
Die Insel unsres Glückes steige
Aus unentdecktem Meer empor.

Ist Liebe doch die Frucht aus Eden,
In Einsamkeit gepflückt von zwei'n;
Das fremde Auge eines jeden
Kann hier ein Schlangenaug' nur sein!

Braucht's keine Seel' doch zu erfahren,
Wie einst, in Liebe schön entflammt,
Zwei Menschenherzen selig waren,
Trotz einer Welt, die sie verdammt!

Einsamkeit

Daß ich dein auf ewig bliebe,
Tiefes, felsumschlossnes Tal,
Traurig-schön wie unsrer Liebe
Tiefe hoffnungslose Qual!

Tannen schauern an den Wänden,
In der Schlucht der Bergstrom tost,
Winkt als wie mit weißen Händen:
Komm', o komm' und trinke Trost!

Und ich schleiche um die Föhren,
Horche auf der Wasser Gang,
Glaube immer noch zu hören
Deinen schmerzlichen Gesang.

Jenes Lied voll Qual und Beben,
Das die Seele mir umspann,
Von dem Herzen, das nicht leben,
Ach, und doch nicht sterben kann!

Rausche fort, du wild Gewässer,
Überschreit' des Herzens Not –
Nie geboren wäre besser,
Aber gut auch wär' der Tod!

Versäumnis

Der Erinnerung an die früh verstorbene Gattin

Oft sag' ich mir: das Leben ist ein Fest
So zweifelhaften Werts! Verliert man viel,
Wenn man es früh verläßt?
Schön ist's am Morgen – da ergötzt das Spiel –
Dann wird es Mittag, und der Tag wird schwül –
Müd wird man im Gewühl –
Und Staub und Ekel sind des Tages Rest.

Und doch! und doch! Ach, was verschläfst du nicht
Nun schon so lang: das Abendsonnenlicht
Auf unsrem See – der Frühlingszeit Erwachen
Nun schon zum zweitenmal –
Des Mädchens stillen Ernst – des Knaben Lachen –
Von beiden Küsse ohne Zahl.

Daß du sie sähst, Marie, daß du sie träfst
Bei ihrem Spiel, bei ihrer vollsten Lust! ...
O, schrecklich ist's, daß du all das verschläfst,
In deinem frühen Grab verschlafen mußt!

 


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