Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Leo Greiner
geb. 1. April 1876 in Brünn
gest. 21. August 1928 in Berlin.

Zwei Hauslieder

I.

Nun losch im Dorf der Schritt
Des letzten Wandrers aus.
Wir wohnen tief im Tale –
Raum überwölbt das Haus.

Entschlafen Dach und Wand.
Hörst du mit Haucheswehn
Durch Flure, über Treppen
Nacht auf und nieder gehn?

Nun fürchte dich nicht mehr!
Wind flackert ein und aus.
Sternbilder stehn wie Drachen
Geschart um unser Haus.

II.

Die Brunnen sind wieder laut.
Der Raum ist aufgebaut.
Nun ist unser Haus hinausgestellt,
Irgendwohin in die Mitte der Welt
Unter dem wandernden Himmel.
Die Schwelle von Mondlicht verschneit,
Schläft es in einem verwilderten Garten,
Der heißt Ewigkeit.

Leben

Und immer fremder sind mir Tag und Räume ...

Was weht um mich? Man sagt: ein Menschenwort.
Was rauscht um mich? Man sagt: die alten Bäume,
Die rauschen noch aus deiner Kindheit fort.
Und Gärten stehn im abendlichen Land,
Ihr Schatten grüßt mich kühl und altbekannt.
Ich aber wandre dunkel fort, im Innern
Ein uralt Schattenbild, das leise weint.
Die nenn' ich Mutter, diesen nenn' ich Freund
Und lächle tief und kann mich nicht erinnern.

Der Wald

Ob ich, du Finstrer, einzutreten wage?
Wirst du nicht zürnen der Vermessenheit,
Daß ich den unruhvollen Funken Zeit
Unter das Dach des ewigen Schattens trage?

Wird nicht das Rauschen im verdorrten Laub
Dich aus versteinerter Erhebung schrecken,
Wenn meine Füße deinen eigenen Staub,
Uralte Herbste aus dem Schlafe wecken?

Du starrst gedächtnislos aus hohlen Kronen
Hinab auf deinen hundertfachen Tod
Und schauderst nicht, und deine Wipfel wohnen
Der Erde fern im kalten Abendrot.

Ich aber bin der Mensch, des Todes Raub,
Bin Zeit und Glut, bin Schmerz und wilde Blüten!
In dunkler Brust will ich den Funken hüten,
Sonst brächst du brennend hinter mir in Staub.

Einschlummern nach traumschwerer Nacht

Leise, Hauchende! Singe mich silbern ein,
Dämmerfrühe, mit rieselndem Brunnengetön!
O fließender Schlaf, durchsichtig gewebt aus Fäden von Apfelblütenschein
Und zagenden Birkenschatten am Weg und Märzenwölkchen in Windeshöh'n.
Seiden wird mein Lager, meine Schultern sind leicht.
Mit blauen Vögeln und Schmetterlingen
Werd' ich vielleicht den Tag erschwingen,
Der irgendwo schon einen Gipfel bleicht.

Lenau

Schreit' ich zur Nacht im dunklen Regen
Verstört durchs übergraute Feld,
Kommt erdenthallend, dumpf gesellt,
Mir hügelab ein Schritt entgegen.

Ich stehe still: da schweigt der Tritt.
Ich schreite fort: Erdhall und Wandern.
Am schwarzen Wegkreuz mit dem andern
Zusammendröhnt mein dumpfer Schritt.

Ein Hauch, ein Gruß – und dann allein.
Und Kälte rauscht in meinem Blute.
Die Hand, die in der meinen ruhte
Mit grauen Fingern, war von Stein.

Mir selbst so fremd, hinauf, nach Hause!
Dort liegt ein aufgeschlagnes Buch,
Darin ein Schrei, ein Schmerz, ein Fluch –
Und an den Fenstern Windgebrause.

 


 << zurück weiter >>