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Ferdinand Raimund
geb. 1. Juni 1790 in Wien
gest. 5. Sept. 1836 in Gutenstein

An die Dunkelheit

Mich drängt's mit Macht, die Leier zu erfassen,
Dich zu beweinen, arme Dunkelheit;
Es will mein Geist dein trübes Reich umfliegen,
Und aus der Seele schwebt der Führer auf.
Mein düstrer Sinn ist's, der, mit dir verwandt,
Sich selbst in deine Zauberkreise bannt.

So sing' ich dich denn, melanchol'sche Tochter
Des Lichtes und der alten Finsternis,
Die du den Anblick deiner Eltern fliehest,
Dich scheu verbirgst in Grotten und in Hainen,
Wenn Freude rauscht im leicht bekränzten Saal,
In düstrer Kammer weilst mit herber Qual,

Wohin der Vater oft dir tröstend folgt,
Mit sanftem Strahlenblick bedauernd dich
Belauscht und liebreich deine Spur erhellt.
Nur sie, die Finsternis, das stolze Weib,
Die oft das Schönste, was der Tag uns gab,
Gefühllos tauchte in ihr schwarzes Grab,

Die von der Ewigkeit gezeugt, die Welt
Gebären sah und sie verschlingen wird,
Nur sie verfolgt dich, arme Dunkelheit.
Von ihr vertrieben mit dem Speer der Nacht,
Wirst du zum Spiel der heimatlosen Zeit,
Die, treulos stets, Veränd'rung nur uns beut.

Die ewig altert und doch ewig blüht,
Auch als Erinnrung noch wie Hoffnung grünt,
Und doch sich haßt, verdränget und verjagt,
Bis sie verrinnt in der Äonen Strom.
Doch eben weil des Schicksals Grausamkeit
So schuldlos dich zur Unglückspriest'rin weiht,

Liebst du das Heer armsel'ger Brüderschaft,
Die durch des Glückes Fluch verwandt, nimmst sie
In deine stillen Hallen auf, die oft
Das Elend sucht, und vor dem Aug' der Welt
Verbirgst du mitleidsvoll das wehmutsreiche Los
Des heißbetränten Blicks in deinem dunklen Schoß.

So such' auch ich dich, freudenarmes Kind
Des Strahlengottes, der die Welt entzückt,
Wenn unter dichtbelaubten Bäumen du
Dein sinnend Haupt lehnst an des Waldes Grün;
Und fällt auf mich dein heil'ger Schattenblick
Im frommen Traum, umschwebt mich Friedensglück.

Wohl denen, die in deinem stillen Tempel
Des goldnen Friedens sanfter Hauch umweht.
Nur Reinheit darf sich hoffnungsvoll dir nah'n,
Doch den Verbrecher schreckst du, Dunkelheit,
Und scheuchst ihn fort aus deinem Heiligtum,
Wo still nur thront verkannter Tugend Ruhm.

In Schleiern tief verhüllt, den starren Blick
Dem Traumgott zugewandt, beglückst du doch
So mild die Welt, entnervst der Ahndung Kraft,
Wenn ihr prophetischer Geist die Parze schaut,
Und hältst mit weiser Hand den Nebelschild
Unwissenheit vor grauser Zukunft Bild.

So auch das Glück, wenn es von fern sich naht
Und leis ertönen läßt sein klingend Spiel,
Um nach und nach als Sieger uns zu grüßen,
Umschlingst du es mit dicht gewebtem Flor,
Und plötzlich steht's vor dem erstaunten Blick
Und glänzet doppelt schön, das schnellgeborne Glück.

Und edel fliehst du, holde Träumerin!
Damit man dein vergißt im wilden Rausch;
Du weißt es schon, der Mensch in seinem Wahn
Ist stets des Undanks übermüt'ger Sohn,
Der selbst den Wert des höchsten Glücks nicht ehrt,
Bis ihn die Qual erst des Verlusts belehrt.

Es ist sein alter Brauch im irren Hoffnungswahn,
Daß, durch Begierd' entflammt, er stets die Gunst
Des Glücks nur sieht und undankbar auf den
Vergißt, der sie ihm liebend hat gesandt;
Drum eilst zurück du in die Einsamkeit,
Die dem Bedauern dieser Welt geweiht.

Und so fließt still dein krankes Leben hin,
Und dein Geliebter ist der sanfte Abend,
Der, wenn der Tag die Blicke abwärts senkt,
Mit leisem Tritt sucht der Geliebten Spur
Und weinend dann auf Fluren stiller Au
Ans Herz dich drückt, – daher der Abendtau.

Ob man anders mich als einsam sieht

Stammbuchblatt

Einsam bin ich selber in der Menge,
Streb' ich gleich zu sein, wo Menschen weilen,
Einsam selbst im wildesten Gedränge,
Wer soll Lust, wer Freuden mit mir teilen?
Fremd sind die bekanntesten Gestalten
Mir geworden, und seit du mir fern,
Schmerz allein und Grab und Trübsinn walten,
Weil ich stets sie pflege, bei mir gern.
Sie umschmeicheln mich, doch ach! sie haben
Meine Ruh' auf immer untergraben:
Schlaue Diener, zwingen sie den Herrn.

Dich vergessen! könnt' ich's! Nicht erinnern,
Wie du alles, alles mir gewesen,
Muß ich nicht in meinem trüben Innern
Wie im aufgeschlagnen Buche lesen?
Leb' ich nicht allein in jenen Tagen,
Wo du mein warst, ich vor allen dein;
Als ich nie geglaubt, daß Leid und Plagen
Könnten auf der Erde möglich sein.
Frage nicht mehr, wie ich dich besessen
Für das Leben – nie kann ich's vergessen:
So in deinen Himmeln, denke mein!

Wenn ich nicht der Linden Rauschen höre,
Nicht des Grases Lispeln durch den Wind,
Wenn der kleinen Sänger Freudenchöre
Längst verstummet meinem Ohre sind;
Wirst du dann bei Lesung dieser Zeilen,
Die hier ausgezeichnet Freundeshand,
Sanft gerührt ein wenig nur verweilen
Sprechend: Ach! auch diesen hab' ich einst gekannt!??

Reisen Sie glücklich, vielleicht finden Sie dort,
was ich hier vergebens suche ... Ruhe.

Wien, den 12. März 1814.

Hobellied

Aus dem » Verschwender«

Da streiten sich die Leut' herum,
Oft um den Wert des Glücks,
Der eine heißt den andern dumm,
Am End' weiß keiner nix.
Da ist der allerärmste Mann
Dem andern viel zu reich;
Das Schicksal setzt den Hobel an
Und hobelt alle gleich.

Die Jugend will stets mit Gewalt
In allem glücklich sein;
Doch wird man nur ein wenig alt,
So gibt man sich schon drein.
Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus,
Dies bringt mich nicht in Wut,
Ich klopfe meinen Hobel aus
Und denk': du brummst mir gut.

Zeigt sich der Tod einst, mit Verlaub,
Und zupft mich: Brüderl komm!
So stell' ich mich ein wenig dumm
Und schau' mich gar nicht um.
Doch spricht er: »Lieber Valentin,
Mach keine Umständ', geh!«
So leg' ich meinen Hobel hin
Und sag' der Welt: Ade!

Brüderlein fein

Duett der Jugend und des Bauern Wurzel aus » Bauer und Millionär«

Jugend:

Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt nicht gar so böse sein.
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt nicht böse sein.
Scheint die Sonne noch so schön:
Einmal muß sie untergeh'n,
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt nicht böse sein.

Wurzel:

Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Wirst doch nicht so kindisch sein!
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Wirst nicht kindisch sein!
Geb zehntausend Taler dir
Alle Jahr', bleibst du bei mir,
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Wirst nicht kindisch sein.

Jugend:

Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Sag mir nur, was fällt dir ein!
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Sag, was fällt dir ein!
Geld kann vieles in der Welt,
Jugend kauft man nicht um Geld.

Jugend:

Brüderlein bald flieh ich von dir!

Wurzel:

Brüderlein, halt! geh nicht von mir!

Jugend:

Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Wirst mir wohl recht gram jetzt sein!
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Wirst mir gram jetzt sein.
Hast für mich wohl keinen Sinn,
Wenn ich nicht mehr bei dir bin;
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt nicht gram mir sein!

Wurzel:

Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Du wirst doch ein Spitzbub' sein!
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt kein Spitzbub' sein!
Willst du nicht mehr zu mir stehn,
Na, so kannst zum Teufel gehn,
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Willst ein Spitzbub' sein?

Jugend:

Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Zärtlich soll geschieden sein!
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Es muß geschieden sein!
Denk' manchmal an mich zurück,
Schilt nicht auf der Jugend Glück.

Jugend:

Brüderlein fein, Brüderlein fein,

Wurzel:

Es muß geschieden sein!

 


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