Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Arthur Kahane
geb. 2. Mai 1872 in Wien
gest. am 7. Oktober 1932 in Berlin

Prinz Rosmarin und der Vagabund

Einer liegt im Straßengraben,
Den sie rausgeschmissen haben;
An den Lumpen hängt der Dreck,
Und er pfeift sein Liedel keck.

Aus den Augen, aus den braunen,
Aus dem Mund, gespitzt von Launen,
Aus den Kleidern, die defekt,
Blitzt der Mangel an Respekt.

Und er reckt sich, streckt sich, dehnt sich,
Fühlt sich wohl und sinnt und sehnt sich,
Fühlt sich eins mit Baum und Flur,
Fühlt sich eins mit der Natur.

Freut sich an der Wasserwelle,
Freut sich an der Sonnenhelle,
Pfeift auf was da draußen sei,
Staat, Gesellschaft, Polizei.

Da mit einem kühnen Sprunge
Setzt Prinz Rosmarin, der junge,
Über seines Gartens Zaun
In das weite Weltenblau'n.

Tief in sich die Weite fassend,
Hinter sich die Enge lassend,
Sitzt der Junker Rosmarin
Zu dem Bruder Stromer hin.

»Bruder Stromer, Bruder Kunde,
Hand in Hand und Mund an Munde,
Zink' nicht ab und schlage ein,
Laß uns Freund und Chawer sein.

Bruder, hier im Weltenblauen,
Schenk' mir Liebe und Vertrauen,
Blick' nicht scheel auf meine Kluft,
Meiner weißen Hände Duft.

Glaubst du, daß die parfümierte,
Affektierte und gezierte,
Feine Welt mir nicht zur Last,
Grade wie sie dir verhaßt?

Glaubst du, Bruder, daß der Schranzen
Und der leeren Eleganzen
Namenlos verächtlich Heer
Mir nicht auch zum Ekel wär'?

Glaubst du denn, daß ich die Masse
Nicht mit gleichem Ingrimm hasse?
Glaubst du, daß ich ihrem Zwang
Mich nicht so wie du entrang?

Daß ich durch das Leid der Erde
Nicht wie du so elend werde,
Und der Freiheit Sonnenrot
Mir nicht durch die Seele loht?

Frei vom Zwang der satten Massen
Laß uns streichen durch die Straßen,
Fern den Sitten jener Welt,
Wie es dir und mir gefällt.

Wo du weinst, da will ich weinen,
Deine Feinde sind die meinen,
Und zur Fackel, die du schmeißt,
Leih' ich Willen dir und Geist.

Du und ich mit Mond und Winde
Und der Vogel und die Hinde,
Keinem Herr und keinem Knecht,
In den Fäusten unser Recht.

So hab' ich im Vagabunden
Freund und Bruder mir gefunden,
Hand in Hand mit dir zu zwei,
Stampft ich eine Welt zu Brei.«

 


 << zurück weiter >>