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Karl Freiherr von Levetzow
geb. 10. April 1871 in Schloß Dobromielitz i. M.
gest. 4. Oktober 1945 in Mírov

Stille Stadt

Stille Stadt! – Die Giebel beugen
Müde sich nach vorne über,
Alter Größe welke Zeugen,

Und die Fenster, trüb' und trüber
Mit verglasten Greisenblicken
Spiegeln brechend ein »vorüber«!

Braune Wurzelfasern nicken,
Grinsend, grämlich, koboldkaurig
Aus den grauen Mauerflicken;

Auf den Firsten starren schaurig
Schemenhafte Wetterfahnen,
Träumend, rostverklebt und traurig.

Längst verwehter Stürme Mahnen
Klingt aus ihrem schwarzen Schweigen,
Längst erfülltes Endesahnen!

Auf verwaschnen Bürgersteigen
Tanzen nun die todesblassen
Wassernebel nächtigen Reigen;

Auf dem Weiher, wie verlassen,
Flackert nur ein Irrlichtschein; –
Einsam klappert durch die Gassen,
Flöte pfeifend, Bruder Hein.

Weltlied

Ich bin der Losgelöste,
Losgelöst von Fesseln und Wurzeln.
Der Freischwebende in der Flugmaschine.
Ich singe losgelöste, fessellose Lieder;
Ich singe das Lied der Welt!

Das Lied von der europäischen Republik,
Die ihre Weltschwestern grüßt. – –
Hei! hei! – Der Motor schnurrt! –:
Steigt mit mir in die Flugmaschine!
Wir kleben nicht mehr!

Was ist uns noch eine kleine Heimat,
So lieblich und traut sie auch sei.
Eine jede ist traut und lieb, ich weiß es,
Und du magst sie lieben: –
Aber fühle mit mir die Größere!

Sieh dort hinab
Im Fluge von oben!

Was ist diese grüne Weide am rauschenden Mühlbach,
Mit der radklappernden Hütte daneben?! –:
Eine liebe Heimat ist sie;
Und diese Felsenbucht am blauen Meere
Mit den feuchtblitzenden Netzen im Boot,
Mit der safranduftenden Fischsuppe im Tontopf? –:
Eine liebe Heimat ist sie.

Der Marmorpalast voll Meisterbildern und Statuen;
Die Almhütte mit dem Kuhglockengeläut und den leuchtenden Firnen gegenüber;
Der Dampfer, der durch Sturm und Sonnenschein fährt, von Meer zu Meer
Mit der kleinen Koje, die nach Tabak und Grog duftet;
Und das Jagdschloß im grünen Hag, um das die Meute kläfft – – –:
Heimat! – – – Heimaten!
Und ihr mögt sie lieben; warum nicht,
Alles ist liebenswert.
Aber seht, dort ist eine größere Heimat.
Dort ist die runde Welt, die zwischen Sternströmen rollt,
Mit der Aussicht auf Unendlichkeiten.
Vergeßt auch die rundrollende Welt nicht,
Die große Nomaden-Roulette auf der Milchstraße –:
Sie ist die Heimat der Losgelösten von heute'

Sie hat ihr Lied, wie jede Heimat ihr Lied hat;
Das Lied der Welt braust in mächtigen Orgeltönen:
Horcht hin!
Horcht auf!

Seid Losgelöste,
Ihr Mitmenschen von heute,
Losgelöst von Fesseln und Wurzeln,
Freischwebende in der Flugmaschine.

Wie unsere Weltheimat durch die Sternheimaten fliegt,
Singt mit die losgelösten fessellosen Lieder,
Grüßt mit eurem Liede die Nachbarsterne,
Singt mit: –
Das Lied der Welt!