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Arthur Schnitzler
geb. 15. Mai 1862 in Wien
gest. am 21. Oktober 1931 in Wien.

Ohnmacht

In neuen Worten, tiefen, sehnsuchtbangen,
Wie du sie nie gehört, möcht' ich dir nahn;
Mit neuen Küssen möcht' ich dich umfangen,
Dich neue Gluten lehren, bessern Wahn.

Ich möchte dich in Seligkeiten hüllen,
Darin dich ungeahnter Schauer faßt,
Ich möchte dich mit tiefem Leid erfüllen,
Wie du's von keinem noch erlitten hast –

Und kann es nicht! Dasselbe bleibt es immer,
Es ist im Wort derselbe irre Klang,
Im Aug' derselbe liebesfeuchte Schimmer,
Die gleichen Bitten sind's, der gleiche Dank.

Und wenn mein Arm den Nacken dir umwindet,
Irrt er der Spur vergangner Nächte nach,
Und wenn mein Mund den deinen bebend findet,
Küßt er ihm kaum vergeßne Küsse nach.

Und in den reichsten Stunden, liebessüßen,
Umschwelgt uns trunkener Erinnrung Bann;
Aus meinem Lächeln und aus meinen Grüßen
Schaut ein Gewesnes dich vertraulich an.

Und wenn ich mit dem Blick des Hohns dich quäle,
Seh' ich im Aug' dir ein Gedenken glühn,
Und was ich löschen will aus deiner Seele,
In hellern Farben lass' ich dir's erblühn.

Und wenn ich mich gemartert von dir wende,
Spielt um die Lippen dir ein müder Zug –
Der lächelt stumm: Ich kenn' ja auch das Ende,
Wie's immer kommt – mit Ekel und Betrug.

Wie wir so still ...

Wie wir so still an einem Tische saßen,
Als hätten wir uns früher nie gesehn,
Und ganz geruhig unsern Spargel aßen,
Als wäre gar nichts zwischen uns geschehn,

Und wie sie mir – als wenn ich es nicht wüßte! –
Im Flüsterton erzählten, wer du bist,
Und ich zum Abschied dir das Händchen küßte,
Als hätt' ich deinen Nacken nie geküßt.

Anfang vom Ende

Daß all das Schöne nun längst zu Ende,
Wie könntest du's verstehn?
Ich hab' ja die lieben, süßen Hände
Geküßt beim Kommen und Gehn;
Und hab' in deinem dämmrigen Zimmer
Mit dir gekost und gelacht –
Und hab' auch geplaudert mit dir wie immer
Bis spät, bis spät in die Nacht.

Im Heimgehn wieder, durch stille Gassen,
Schlich's über mich so bang,
Wie ich mein armes Mädel verlassen,
So lange schon! ach, wie lang!

Doch, daß ich so einsam von dir gegangen,
Wie käm's dir denn zu Sinn,
Und daß ich, von deinem Arm umfangen,
So endlos fern dir bin!

Ich will ja morgen wieder kommen
Mit lächelndem Gesicht;
Und daß ich längst Abschied von dir genommen.
Mein Mädel, – du weißt's ja nicht ...

Abschied

Ich habe dir viel gegeben;
Bewahr es gut,
Wo fern vom Irren und Leben
Es einsam ruht.

Wie Schatten hingebreitet,
Die kommen und fliehn,
Auf deiner Seele gleitet
Die Welt dahin.

Doch in die tiefern Gründe
Schau ich hinab,
Ob ich dort wiederfinde,
Was ich dir gab.

Am Flügel

Da sitz' ich im wohlbekannten Gemach
Und spiele die alten Walzer und Lieder,
Doch find' ich die alten Töne nicht wieder.
Da lass' ich das Spielen und sinne nach.

Und sehe draußen die Wälder sich weiten,
Zum Fenster grüßen die Bäume herein,
Vom Felsen die schweren Schatten gleiten,
Der Mittag ist stille, ich bin allein.

Wie hab' ich so ernst und so beklommen
Mich heute zum Flügel hingesetzt,
Hier hab' ich deine Hand genommen
Und sie mit meinen Tränen benetzt.

Erinnerst du dich? Du hast's vergessen.
Laß dir's erzählen zum letztenmal.
Wir waren allein im dämmrigen Saal,
Und ich bin vor dem Flügel gesessen.

Ich habe von dir einen Blick ersehnt, –
Und während meine Weisen erklangen,
Im Walde die Leute lachten und sangen,
Hast du am Fenster schweigend gelehnt.

Und lehntest lange schweigend da,
Dann aber hört' ich ein leis' Bewegen,
Du neigtest dich meinem Haupt entgegen, –
Und deinen Atem fühlt' ich nah.

Und über die Stirn mir glitt dein Hauch,
Und meine Hände sanken nieder.
Verstummt die Walzer und die Lieder,
Ich bebte, mein Lieb! ... Du weintest auch.

Vergebens heut in den alten Tasten
Such' ich den süßen, geliebten Ton,
Es ist ein dummer Klimperkasten,
Wahrscheinlich war er's damals schon.

 


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