Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Alfred Freiherr von Berger
geb. 30. April 1853 in Wien
gest. 24. August 1912 in Wien

An die Zither an meiner Wohnungstür

Zither an der Türe du,
Geht die Türe auf und zu,
Klinge, leise klinge!
Alle Tag in meinem Haus
Gehn viel' Gäste ein und aus,
Freud' und Leid und Lieb' und Haß,
Heute dies und morgen das,
Gut' und böse Dinge;
Jeden grüße, ob er was
Hole oder bringe.

Schleicht ins Haus die Sorge sich,
Drückt das Herz mir nieder,
Leise klinge, leise sprich:
In der Ferne irgendwo
Lacht das Leben hell und froh,
Klingen lust'ge Lieder;
Eh' ein Stündlein nur verstrich,
Singst du selber wieder.

Stürmt die Freud' mit Saus und Braus
Jubelnd mir in Herz und Haus,
Zither, sage leise:
Ausgeklungen und verhallt
Ist die laute Freude bald,
Ruhig, Herz, und weise!

Wenn mein Lieb mit leichtem Schritt
Lächelnd in die Türe tritt,
Zither, hell erklinge,
Als ob an dem Himmelstor
Unsichtbarer Englein Chor
Geigend sie empfinge;
Sage heimlich ihr ins Ohr
Tausend holde Dinge.

Tragen sie mich einst hinaus
Aus dem Leben, aus dem Haus,
Zither an der Türe du,
Eh' die Tür für immer zu,
Ein Ade mir bringe:
Wenn ihm auch nicht viel gelang,
War es doch ein reiner Klang!
So bei meinem letzten Gang
Klinge und verklinge.

Festgedicht

Zur Grundsteinlegung des Wiener Raimund-Denkmales am 1. Juni 1890.

Ein alter Lindenbaum, in dessen Schatten
Die Vögel singen und die Arbeit rastet,
Die Kinder spielen und die Liebe flüstert, –
Das wär' das rechte Denkmal für den Raimund!
Denn, einem Baum gleich, sog er seine Kraft
Mit tausend Wurzeln aus der Heimaterde,
Und, einem Baum gleich, bot er einst dem Volk
Mit seinen tausend Ästen Schirm und Schatten;
Er war ein Stück der Scholle, die ihn nährte,
Ein Teil des Volkes, dessen Kind er war,
Und Volk und Heimat hat in ihm gedichtet.

Wer einen Schiller feiert, einen Goethe,
Der mit gereifter Kunst erhabne Werke
Vollendet schuf, der preiset ihn, den Dichter,
Der, treu sich selber bildend und veredelnd,
Die Kunst sich gab, die Schönheit zu verkörpern;
Doch, Raimund feiernd, preisen wir nicht ihn,
Wir loben den, der ihn erschaffen hat,
Der ihm sein Waldlied, das er singen mußte,
Wie er die Lilien kleidet auf dem Felde,
Mit unsichtbarer Schrift ins Herz geschrieben,
Der ihn erschaffen wie die Nachtigall,
Die schluchzend schlägt im Dunkel der Gebüsche,
Der ihn erschaffen hat so wie die Lerche,
Die singend in den offnen Himmel steigt.

Ja, Volk und Heimat hat in ihm gesungen!
Aus seinem Liede grüßt's wie Fiedelklang,
Wie Walzermelodie, wie Sang und Jauchzen
Bei jungem Wein – der blauen Donau Rauschen,
Der sonn'gen Hügel Rebenduft, die Größe
Der blauen Alpen, die den alten Steffel
Von ferne grüßen – was ein Wienerherz
Im trauten Worte »Heimat« warm umfaßt,
Das lebt und weint und lacht in seinem Liede!
Wie eines Österreichers helles Auge
Durch allen blauen Dunst hindurch die Dinge
Leibhaftig schaut in ihrer Wesenheit,
So steht's im Raimund kräftig hingemalt,
In ew'ger Jugend, farbig, leuchtend, lebend:
Das gute Herz, das in uns allen schlägt,
Die offne Hand, die jedem helfen möchte,
Der leichte Sinn, der nicht nach morgen fragt,
Die Treue, die kein Undank überwindet,
Der fromme Glaube auch, daß eine Fee
Gutmachen wird, was wir verdorben haben.
Dazu das alte österreich'sche Glück,
Das diesen Glauben nicht zuschanden macht
– Ein echter Wiener geht ja niemals unter –,
Der franke, frohe Mut, der selbst dem Teufel
Gelassen »Servus« sagt, der Rappelkopf,
Der in uns allen schimpft und räsoniert –

All unser Wesen lebt in seinem Lied,
In unserm Raimund hat es sich verraten
Bis auf die innerst scheue Heimlichkeit,
Die nur begreift, wen diese Flur geboren.
Drum trifft sein Dichterwort das Wienerherz
Wie der geliebte Laut der heim'schen Mundart,
Der, lang entbehrt, an unsre Ohren schlägt;
Wer hat es nicht erlebt in unsrem Wien,
Wenn in des Sommerabends Dunst und Schwüle
Es in den Bergen blitzt und leise donnert
Und plötzlich dann der feuchte Laubgeruch
Der Wienerwaldluft durch die Straßen flutet,
Von allen Lippen dürstend eingesogen?
So geht ein tiefes Atmen durch die Menge,
Ein frischer Schauer fröhlichen Gesundens,
Wenn rein und lauter auf entweihter Bühne
Des alten Raimund keuscher Zauber waltet.
Drum, wer ihn schilt, den Hausgeist unserer Stadt,
Wer was an Raimund auszusetzen hat,
Wem wir, wie wir schon einmal sind, nicht passen,
Wem Raimund nicht behagt – nun, der soll's bleiben lassen!

Heut ist der Tag, der Raimund einst geboren –
Ein Frühlingstag! – Und heut vertrauen wir
Dem milden Schoß der lieben Heimaterde
Den Grundstein seines Denkmals – nicht wie einen
Entseelten Leichnam, wie ein Samenkorn,
Daraus mit frischer Kraft zu neuer Blüte
Das Wiener Volksstück wachse! Freundlich blicke,
Wenn auch verwundert ob der Zeiten Wechsel,
Aus seiner Märchenwelt der alte Raimund
Auf seine lieben Wiener nieder, wachend
Als treuer Eckart vor dem Volkstheater!

Märchenglaube

Von mir scheiden mag alles, was mein,
Irdischem Schicksal zum Raube,
Du nur lasse mich nicht allein,
Heimlicher Märchenglaube!

Soll ich mit mutigem Herzen vertrau'n,
Daß mir, was möglich, gelinge,
Muß ich ganz im geheimen bau'n
Auf unmögliche Dinge.

Nimmer mit kluger Leidenschaft
Wirst du was Großes erreichen,
Glaubst du nicht tief in dir die Kraft,
Wunder zu tun und Zeichen.

Nimmer wird dein ehrlicher Fleiß
Echte Weisheit ergründen,
Hoffst du nicht, daß, was keiner weiß,
Vöglein dir zwitschernd verkünden.

Hätte wohl mancher freudig oft
Kerker erduldet und Ketten,
Wenn er nicht insgeheim gehofft,
Engel würden ihn retten?

Frauenhuld, die dich selig erhebt,
Wirst du nicht fühlen und schauen,
Wenn nicht in dir das Märchen lebt
Seliger Hulden und Frauen.

Heimliche Hoffnung würze dein Weh,
Daß du an einsamer Stelle,
Wie im Märchen das wunde Reh,
Findest die heilende Quelle.

Wenn ich sterbend zu ewiger Ruh',
Staub hinsinke zum Staube,
Drücke mir tröstend die Augen zu,
Heimlicher Märchenglaube!

 


 << zurück weiter >>