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Felix Dörmann
geb. 29. Mai 1870 in Wien
gest. 26. Oktober 1928 in Wien

Verlorene Sehnsucht

Ich wäre gern ein schlichter Mann geworden,
Der starken Anmut lebensfrohes Bild,
Ich wäre gern ein schlichter Mann geworden,
Mit einer Seele sonnenklar und mild.
An eines stillen Stromes grünen Borden
Hätt' ich das Leben gerne süß verträumt,
An eines stillen Stromes grünen Borden
Die wilde Lust, die wilde Qual versäumt. –

Ich wäre gern ein schlichter Mann geworden ...

Der einsame König

Ein nackter Felsen, von der Flut umzogen,
Ist mir Gefängnis, Heimat, Zuflucht, Haus!
Eintönig schlagen ihn die dunklen Wogen,
Umkreiselt ihn der kalten Winde Braus.

Kein junges Grün sah jemals mein Gelände,
Und nie, gar niemals lebensüppig bricht
Die rote Sonne durch die Wolkenwände.
Wann Tag ist und wann Nacht, ich weiß es nicht.

Mir naht kein Weib, kein Freund, auch nicht Genossen,
Des Lebens Schiffe gleiten fern vorbei,
Nur Möwenschwärme kommen angeschossen
Und grüßen mich mit ihrem heisern Schrei.

Ein König bin ich diesem Felsenschroffen,
Ich kenne keinen Herrn als mich allein;
Ich habe nichts zu fürchten, nichts zu hoffen,
Mich martert keine Luft und keine Pein.

Und immer zweifelloser will's mir scheinen,
Daß ein Jahrtausend schon vorbei gewallt,
Seit ich verlernt, zu lachen und zu weinen,
Und wie mein Felsen wurde starr und kalt.

Was ich liebe

Ich liebe die hektischen, schlanken
Narzissen mit blutrotem Mund;
Ich liebe die Qualengedanken,
Die Herzen zerstochen und wund;

Ich liebe die fahlen und bleichen,
Die Frauen mit müdem Gesicht,
Aus welchen in flammenden Zeichen
Verzehrende Sinnenglut spricht;

Ich liebe die schillernden Schlangen,
So schmiegsam und biegsam und kühl:
Ich liebe die klagenden, bangen,
Die Lieder von Todesgefühl;

Ich liebe die herzlosen, grünen
Smaragde vor jedem Gestein;
Ich liebe die gelblichen Dünen
Im bläulichen Mondenschein;

Ich liebe die glutendurchtränkten,
Die Düfte, berauschend und schwer;
Die Wolken, die blitzedurchsengten,
Das graue, weitschäumende Meer;

Ich liebe, was niemand erlesen,
Was keinem zu lieben gelang:
Mein eignes, urinnerstes Wesen
Und alles, was seltsam und krank.

Auf grünem Rasen

O laßt mich, laßt mich ruhn auf grünem Rasen,
In seinen Farbenzauber mich versenken,
Entfliehen allem qualvoll-heißen Denken
Zu meiner Seele schweigenden Ekstasen.

O lichtes Grün, wie du die Seele weitest,
Um jede Nervenfaser zärtlich kost,
Ins Unermessene das Gefühl verbreitest,
O lichtes Wiesengrün – mein treuer Trost.

Wenn meine Seele sich vor Grauen sträubet,
Wenn alles öd und ekel ist geworden,
Wenn Qual und Sehnsucht jedes Glück ermorden,
Dein sanfter Schleier einzig sie betäubet.

 


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