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Rosenbusch an Angelica.
(Feldpostbrief.)
Im Hauptquartier des Kronprinzen,
24. December 1870.
Die Weihnachtskerzen loschen aus,
Vorbei das Fest mit Sang und Schmaus.
Die Kameraden schlafen all',
In Stub' und Kammer, Küch' und Stall;
Elfinger schnarcht, der arme Tropf,
Trotz seiner Säbelwund' am Kopf.
Nur ich, beim Flackern der
chandelle,
Hab' Herz und Augen wach und helle.
Ist, was mir die Gedanken wirrt,
Der Schneesturm, der ans Fenster klirrt?
Ist's, weil ich bin seit vielen Wochen
Nicht in ein richtiges Bett gekrochen,
Daß ich auf weichen Polstern nun
Muß Verse kritzeln, statt zu ruhn,
Und, da ich besser läg' und schlief,
Abfassen einen Liebesbrief?
Ach, liebste Freundin, süße Braut,
Dir sei's in stiller Nacht vertraut,
Ob's auch nicht mannhaft klingt vielleicht:
Ein bittres Heimweh mich beschleicht,
Gedenk' ich an die heil'ge Nacht,
Die wir vor'm Jahr so schön verbracht
In deiner Werkstatt hell und warm,
Vollzählig noch der ganze Schwarm,
Und jetzt versprengt nach allen Winden,
Wer weiß, ob sie sich wiederfinden –
Und ich von deinem Halse fern –
Wenn sich's nur schickte, flennt' ich gern!
Doch fort, weichmüth'ger Tropfen du!
Besinnen will ich mich im Nu,
Wie einzig groß, wie wunderbar
Zur Rüste geht dies hohe Jahr,
Wie es so glorreich uns beschert,
Was aller Noth und Mühen werth:
Der stolzen Siege reichsten Kranz,
Des deutschen Namens Ehr' und Glanz,
Der Nord dem Süden treu vereint,
Ein Bruderbündniß vor dem Feind,
Das, wenn die Friedensbanner wehen,
Wird unzerreißbar fortbestehen.
Und dies mein frohes Künstlerblut
Geläutert in der Kampfesglut,
Daß ich mich darf wohl werth bekennen,
Die treuste Seele mein zu nennen,
Die mir zum Christkind hergesandt
So liebe Gaben liebster Hand.
Herz, Alles, was du hergeschickt,
Hat mich erfreut, gelabt, beglückt.
Die Punschessenz ward gleich erprobt
(Der Hauptmann selbst hat sie gelobt),
Die schönen Hausschuh warm und weich
Zog ich an meine Füße gleich,
Nachdem ich, folgsam dem Recept,
Frostbalsampflaster aufgeklebt;
Das allerliebste Taschenbuch,
Das Westchen und das seidne Tuch –
Fast möcht' ich schelten, Liebste mein!
Ganz ausgebeutelt mußt du sein,
Und, wenn ich keinen Schatz erbeute,
Sind wir zwei pauvre Liebesleute.
Sei's drum! Das reichste Erdengut
Uns golden doch im Busen ruht,
Und kehr' ich heim, arm, wie ich ging,
Dir bin ich doch nicht zu gering.
Es wird auch wohl zu schaffen geben,
Und was braucht Liebe viel zum Leben?
Auch bring' ich – halt's noch fein geheim –
Doch einen großen Schatz mit heim.
Nicht, daß ich irgend brandgeschatzt,
Reiche Proprietaires getratzt,
Behüte Gott! Und doch zuhauf
Las ich mein Gut im Felde auf,
Ja, mitten in der harten Pflicht
Der Lockung widerstand ich nicht
Und sackte ein und stahl mir rings
Was mich nur reizte, rechts und links,
So daß mich dünkt mit gutem Fug,
Für all mein Lebtag sei's genug.
Was? Keine Feder könnt' es schildern,
Motive, Schatz, zu tausend Bildern,
Dran hundert Jahre könnt' in Ehren
Ein fleiß'ger Schlachtenmaler zehren.
Wie oft, o Liebste, schalt ich mich,
Wenn, während ringsum fürchterlich
Die Schlachtenfurie tobt' und krachte,
Ich heimlich meine Studien machte,
Ja, oft auf dem Verbandplatz schier
Mir wünschte Bleistift und Papier
Und merkte, wie die Kunst ganz sacht
Aus guten Menschen Bestien macht.
Doch that ich drum zu aller Zeit
Meine verfluchte Schuldigkeit.
Nur, bin ich erst bei dir zu Haus
Und krame meine Schätze aus,
Wie wird, der einst mir schien so edel,
Entwerthet sein der alte Trödel!
Mir ist, ich hätte nur gespielt,
Bis ich den Zwang der Noth gefühlt,
Hätte nur Narrenwerk gemacht,
Bis ich erlebt die erste Schlacht,
Und jetzt erst sollten, mir zum Frommen,
Die echten Rosenbusche kommen.
Drum werde mit der Lützner Schlacht
Nur flugs ein Feuer angemacht,
Daß ich nicht seh', wovor mir graut,
Daheim die alte Schlangenhaut.
Und jetzt – doch halt! Noch gab ich nicht
Von frohem Wiedersehn Bericht.
Denk, als ich vor acht Tagen just
Zum Hauptquartier hieher gemußt –
Wollt' von den neu'sten »Liebesgaben«
Charpie für meine Kranken haben –
Wen find' ich in Freund Schnetzens Zimmer,
Kaum kenntlich bei der Kerze Schimmer,
Gebräunt, verstaubt, verwildert sehr,
Und schmucker doch in Waff' und Wehr?
Nun, unsern Flüchtling, den Baron,
Den wir geglaubt im Urwald schon.
Mein Jubel war gewiß nicht klein,
Er aber sah fast fremd darein,
Sprach noch mit Schnetz ein dienstlich Wort
Und ritt dann trutzig wieder fort.
Nun hört' ich, als der Krieg entbrannt,
Hab' er als Landwehrlieutenant
Sofort sich pünktlich eingestellt
Und sei mit ausgerückt ins Feld.
Er soll im dicksten Drang der Schlachten
Stehn wie ein Thurm mit Todverachten,
Als ob er recht nach ihm verlange;
Das Kreuz verdient' er sich schon lange,
Doch weicht er allen Freunden aus,
Zieht immer gleich die Stirne kraus
Und reitet einen hitzigen Renner,
Wilder als alle Wouvermänner.
Schnetz, ohne daß es just so schien,
Hält immer doch ein Aug' auf ihn.
Ist selber Hauptmann, wie du weißt,
Und ward durch dieser Tage Geist
Ein andrer Mensch von Kopf zu Füßen.
Er frug nach dir und läßt dich grüßen.
Jetzt aber, Schatz, – durch Nacht und Sturm
Schlägt Eins die Uhr vom nahen Thurm.
Wann wird der Stunde Ruf erschallen,
In der die Heimkehr winkt uns Allen,
Die heut die heil'ge Weihenacht
Fern in der Fremde zugebracht?
Doch dies ist Vater Moltke's Sache;
Jetzt gilt's, daß man sich Ehre mache.
Hoch, Deutschland! hoch der Kaiser! Tusch!
Gute Nacht! Dein ew'ger
Rosenbusch.