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Als er aus einem kurzen Schlaf am späten Morgen auffuhr und vor dem Fenster den Schnee trübselig niederrieseln sah, stand das Gesicht sogleich wieder vor ihm, und mehr noch als der rauhe Hauch des Wintermorgens machte ihn der Angstblick jener blauen Augen erschauern, die er nie wiederzusehen gehofft hatte, und die nun das alte Spiel mit seinem Frieden von Neuem beginnen wollten. Und doch hatte er anfangs Mühe, an das Erlebte zu glauben. Nur an seiner tiefen Erschöpfung erkannte er, welchen Sturm er überstanden hatte. Er wunderte sich aber selbst über die dumpfe, starre, eisige Ruhe, mit der er an den furchtbaren Auftritt zurückdenken konnte, als hätte das Nachtgespenst, das ihm gestern das Haar gesträubt, am hellen Tage keine Macht über ihn. Auch an den Verlust seines alten Gefährten dachte er wie an etwas längst Vergangenes. Der Gedanke nur war ihm peinlich, daß er das treue Thier in seinem Maskenputz mit den bunten Bändern und der Laute auf dem Rücken hatte einscharren lassen. Er grübelte sogar darüber nach, ob er das Grab wieder aufwühlen und von allem Possenkram reinigen sollte. Doch verschob er das auf den Abend. Denn freilich hatte er dringendere Geschäfte.
Er war fest entschlossen, ein Ende zu machen, so oder so, den alten, ewig brennenden und schwärenden Widerhaken um jeden Preis aus der Wunde zu reißen. Wie das am sichersten zu erreichen wäre, wußte er noch nicht. Aber daß er es auch Julien schuldig sei, sie ein für alle Mal vor der Wiederkehr solcher Auftritte zu schützen, stand ihm unerschütterlich fest.
So verließ er das Atelier und ging in die Stadt. Er wandte sich nach dem Hôtel, wo die Russin wohnte. Zu seinem Erstaunen hörte er dort, daß man von einer Madame Saint-Aubain, wie Rosenbusch ihm gestern Abend seine Dame bezeichnet hatte, nichts wisse. Der Portier entsann sich sehr wohl einer Gestalt, wie Jansen sie beschrieb; die Dame habe erst gestern den ganzen Tag bei der Gräfin zugebracht. Aber sie wohne nicht hier im Hôtel, und wie sie heiße, habe er nicht erfahren.
Er wolle die Gräfin selbst darum befragen; ob sie zu sprechen sei? sagte der Bildhauer.
Der Portier sah nach der Uhr. Es war erst Neun; vor Elf pflege Niemand vorgelassen zu werden.
So mußte er sich gedulden, so hart es ihn ankam. Ohne bestimmten Plan zog ihn sein Herz nach Juliens Wohnung. Als er aber das Haus von ferne erblickte, kehrte er um. Es war ihm unmöglich, ihr vor die Augen zu treten, eh er ihr sagen konnte: Es ist zu Ende; du hast nichts mehr von meiner Vergangenheit zu fürchten; das Gespenst ist zu den Todten zurückgebannt.
Er ging in die Pinakothek, wo um diese Jahres- und Tageszeit die großen, ungeheizten Säle leer stehen. In dem Rubenssaal war es in der That völlig einsam. Er streckte sich auf das Sopha, das in der Mitte des weiten Raumes steht, und sah mit halbgeschlossenen Augen an den Wänden umher. Die Macht und Lebenswärme der herrlichen Gebilde drang ihm unmerklich ins Blut, und während seine Stimmung immer stiller und sanfter wurde, schlief er endlich fest ein, den Kopf auf die Lehne zurückgesunken, den Hut so tief ins Gesicht gerückt, daß die Galeriediener und die wenigen fremden Besucher ihn für einen eifrig studierenden Maler hielten, der sich gegen den Reflex des Oberlichts durch die Hutkrämpe geschützt habe.
Er hatte nachzuholen von der Nacht; so vergingen drei, vier Stunden, ohne daß er erwachte. Einer der Aufseher, dem die Sache doch endlich unheimlich wurde, trat an ihn heran und entdeckte, wer es war. Nun hatte er vollends zu viel Respect vor dem Künstler, um seinen Schlaf zu stören, ehe die Galerie geschlossen wurde. Jansen fuhr in die Höhe, fragte nach der Zeit und erschrak, wie viel Stunden er versäumt hatte. Eilig verließ er die Galerie und stürmte wieder nach dem Gasthof.
Die Gräfin sei zu unwohl, um heute irgend einen Besuch anzunehmen, beschied ihn der Portier.
Jansen zuckte die Achseln, brummte ein paar unverständliche Worte und stieg trotz dieses Bescheides die Treppe hinauf.
Oben die gleiche Abweisung durch die Zofe der Gräfin, die ihm auf dem Corridor entgegenkam.
Bringen Sie der Gräfin meine Karte. Ich bedauerte, sie zu stören, es sei aber eine dringende Nothwendigkeit, daß ich sie sprechen müsse.
Das Mädchen nahm die Karte, that, als ob ihr der Name, den sie darauf las, völlig fremd sei, und versetzte:
Im Augenblick ist es wirklich rein unmöglich, daß die Frau Gräfin Besuch annimmt. Der Herr Doctor ist bei ihr, der den Verband erneuert. Das greift sie immer so an, daß sie dann zwei bis drei Stunden vollständig ruhen muß, wenn sie keine Nervenkrämpfe bekommen soll. Vielleicht – wenn Sie gegen Abend wieder anfragen wollten –
Jansen blitzte das schlaue Ding mit einem Blick an, der selbst ihre Zofenfrechheit in Verwirrung brachte.
Ich bin überzeugt, mein gutes Kind, daß Sie mich aufs Kaltblütigste anlügen, sagte er; weder ist der Arzt bei Ihrer gnädigen Frau, noch bedarf sie der Ruhe. Ich hätte gute Lust, Sie beiseite zu schieben und einfach mir selbst meinen Weg zu bahnen. Aber damit Ihre Herrschaft sieht, daß ich ein ganz höflicher Mann bin, will ich thun, als glaubt' ich Ihnen, und erst in einigen Stunden wiederkommen. Dann aber – und er erhob ein wenig die Stimme, für den Fall, daß man hinter der Thüre das Gespräch belauschen sollte, – dann erwarte ich, daß die Nerven der Frau Gräfin nichts dagegen haben werden, wenn ich um eine Unterredung von zehn Minuten bitte. Es ist jetzt zwei Uhr. Um vier Uhr werde ich so frei sein, wieder an diese Thür zu klopfen.
Vielleicht ist es gut so, sagte er im Hinabsteigen. Ich habe seit gestern Abend Nichts genossen. Mit leerem Magen taugt man schlecht zu diplomatischen Verhandlungen. Und ich will so gelassen als möglich bleiben.
Er trat in eine Restauration, aß in der Eile ein paar Bissen und machte, daß er wieder auf die Straße kam. In der Schneekälte war ihm allein wohl; langsam wie ein Spaziergänger im schönsten Frühlingswetter schlenderte er mit entblößtem Haupt dahin und ließ die Flocken über Stirn und Haar wehen, daß die Vorübergehenden ihm nachsahen. Da er bis zu der festgesetzten Stunde des Besuchs noch lange zu warten hatte, trieb er sich auf weiten Umwegen durch die Stadt und gelangte endlich wieder nach seinem Atelier. Fridolin berichtete ihm, Fräulein Julie sei zweimal selbst da gewesen und habe das zweite Mal etwas aufgeschrieben. Auch der Herr Oberlieutenant und die andern Herren hätten ihn besuchen wollen, und den Herrn Baron habe er zu dem Grabe im Garten führen und ihm Alles erzählen müssen. Herr Rosenbusch sei noch nicht erschienen, und auch Fräulein Angelica habe sich nur einen Augenblick sehen lassen, um ihre Blumen zu begießen, und sei dann wieder weg. Indessen habe er im Atelier geheizt, und bei den Heiligen sei's auch warm, obwohl die Herren Gehülfen sich heute einen blauen Montag gemacht hätten. Ob der Herr Professor – so nannte er Jansen hartnäckig – noch etwas zu befehlen habe?
Jansen schüttelte den Kopf und betrat seine Werkstatt. Er fand Juliens Billet. Sie hatte ihm auf Italienisch, das sie seit einigen Monaten mit ihm zusammen lernte, die flehentliche Bitte niedergeschrieben, sie der qualvollen Ungewißheit in Betreff seiner Stimmung und dessen, was er zu thun gedenke, zu entreißen. Sie wolle jetzt nur einen Besuch bei Irene machen und dann zu Hause bleiben, ihn zu erwarten. Ein zärtlicher Liebesgruß und die wiederholte Bitte, auf den Abend gewiß zu ihr zu kommen, schloß das Briefchen, das ihm unsäglich wohlthat. Aber er blieb fest in seinem Vorsatz, erst zu ihr zu gehen, wenn Alles im Reinen sei.
Er setzte sich auf das Sopha und rückte eben ein Tischchen heran, um ihr eine beruhigende Zeile zu schreiben, als ein rasches Klopfen an der Thür ihn unterbrach.
Betroffen sah er die Pflegemutter Fränzchen's eintreten. Die kleine Frau, die das Haus voll Kinder und den Kopf voll Sorgen hatte, besuchte ihn selten, und nie ohne ihr Pflegekind.
Ihre sonst so munteren schwarzen Augen spähten, sobald sie eingetreten war, ängstlich suchend durch alle Winkel des Ateliers.
Ist das Kind hier? stammelte sie athemlos.
Bei mir? Nein. Wie kommen Sie darauf?
Er trat hastig auf sie zu. Was haben Sie, beste Frau? Haben Sie Fränzchen denn hergeschickt?
Nicht hier! O mein Gott! – Aber sie kann ja auch oben sein, bei Fräulein Angelica – ohne daß Sie davon wissen – Ich will sogleich –
Fräulein Angelica ist nicht droben. Ich bin ganz allein im Haus. Sagen Sie um Gotteswillen –
Er stockte plötzlich; eine böse Ahnung lähmte ihm die Sprache.
Die erschöpfte Frau war auf das Fußgestell der Paradiesesgruppe niedergesunken und wich seinen Augen aus.
Das Kind –? fragte er endlich mühsam.
Sie sah mit einem flehenden Blick zu ihm auf.
Bringen Sie mich nicht um! Ich weiß es nicht – irgend Jemand hat sie fortgeholt – die Angst hat mich hieher gejagt – ich kann nicht mehr! – –
Sie schien nichts Geringeres zu erwarten, als daß er sie auf dieses Bekenntniß hin zerschmettern würde.
Als er aber regungslos blieb, fand sie den Muth, was vorgefallen war, in abgerissenen Worten zu berichten. Sie war nach Tische in die Stadt gegangen, die alte Mutter hatte wie gewöhnlich die Aufsicht über ihre Enkel und das Pflegekind übernommen. Gleich nach ihrem Fortgehen – als ob man das nur erst abgewartet hätte – sei eine fremde Dame gekommen –
Jung? mit blauen Augen? unterbrach sie der Bildhauer, der die Zähne mühsam von einander brachte.
Nein. Eine ältliche Frau, nah an den Fünfzigen, schwarz gekleidet und dicht verschleiert. Sie habe nach dem Fränzchen gefragt, das sie zu Fräulein Julie bringen solle, nur auf eine Stunde. Es handle sich um eine Ueberraschung für seinen Papa, das Kind solle von Tante Angelica gezeichnet werden, eine Droschke warte draußen vor dem Hause, die Großmama möchte dem Kinde nur das Mäntelchen anziehen, im Uebrigen solle es im Hauskleide kommen, wie es gehe und stehe. Die alte Frau, nachdem sie durch ihre Taubheit hindurch den Zusammenhang begriffen, habe das zuerst sonderbar gefunden, aber die Erklärung der Fremden, Fräulein Angelica sei durch eine kleine Erkältung vom gestrigen Abend her abgehalten, das Kind selbst zu holen, habe sie wieder beruhigt. Auch sollte die Kleine nach zwei Stunden wieder zurückgebracht werden; Fräulein Julie werde sie selbst nach Hause bringen. Da die Unbekannte mit allen Verhältnissen so vertraut schien, wußte die alte Frau nichts Triftiges einzuwenden. Und doch, als die Fremde kaum mit dem Fränzchen fortgefahren, habe sie eine seltsame Bangigkeit gefühlt und die Rückkehr ihrer Tochter ungeduldig erwartet.
Sie aber sei bei ihren Gängen in der Stadt aufgehalten worden, und als sie endlich nach Hause gekommen, wo das Kind noch immer nicht zurückgekehrt war, habe sie in großer Bestürzung sich gleich aufgemacht, es zu suchen. Aber keine Spur von ihm, weder bei Julien, die selbst von dem alten Erich vermißt wurde, da sie gegen ihre Gewohnheit nicht zum Essen zurückgekommen war, noch im Hause Angelica's. Hier hatte man ihr gesagt, daß die Malerin erst um Mittag ausgegangen sei, da sie spät aufgestanden; auch habe sie es zum Arbeiten heut zu trübe gefunden. Die letzte schwache Hoffnung sei gewesen, das Kind bei dem Vater zu finden – und nun auch hier keine Spur von ihm!
Die Augen der Frau hatten sich während ihrer Erzählung mit Thränen gefüllt. Sie war von dem Fußgestell herabgeglitten und lag nun heftig weinend am Boden, vor den Füßen des stummen Mannes, wie um mit dieser demüthigen Geberde seinen Zorn zu entwaffnen.
Beruhigen Sie sich! hörte sie ihn endlich sagen. Sie sind ja unschuldig an dieser Sache. Glauben Sie mir: das Kind ist nicht verloren – o nein, es ist vortrefflich aufgehoben. Kann ein Kind irgendwo sicherer sein, – als bei Der, die es geboren hat?
Die Weinende richtete sich auf und starrte ihn fragend an.
Ja, ja! wiederholte er bitter lachend. Sie wissen es noch nicht, liebe Freundin; es war unbesonnen von mir, es Ihnen nicht zu allererst schon heute früh mitzutheilen: meine – Frau ist wieder aufgetaucht; sie hat gestern Abend von ihrer Kunst eine Probe gegeben – eine Gastrolle im Paradiese – eine kurze Scene, aber mit großem Effect. Dies ist nun der zweite Act. Daß der dritte, in welchem ich mitzuspielen habe, der letzte sein soll, dafür bürge ich Ihnen.
Sie ist hier? – sie hat das Kind? – Und Sie wissen, wo sie zu finden ist –?
Noch nicht. Indessen kenne ich Jemand, der darum weiß und mit einigem Zureden dahin zu bringen sein wird, es mir zu sagen, – ich denke, es ist gerade Zeit, bald vier Uhr – wir wollen gehen!
Gehen Sie allein, wenn Sie mich nicht durchaus dabei nöthig haben. Meine Kniee tragen mich nicht. Die Angst – O lassen Sie mich nur einen Augenblick hier ausruhen –
Ich werde eine Droschke kommen lassen. Sie dürfen den weiten Weg nicht zu Fuß machen. Wir fahren eine Strecke zusammen.
Er rief den Hausmeister und schickte ihn nach einem Wagen. Dann durchmaß er ohne eine Silbe zu sprechen mit starken Schritten das Atelier, während die Frau auf einen Stuhl gesunken war und sich mühsam zu fassen suchte.
In dieser bangen Stille hörten sie plötzlich draußen auf dem Flur die Stimme des Schlachtenmalers.
Er trat mit Felix herein, und seine unsichere Haltung und das bleiche, überwachte Gesicht zeigten deutlich, daß ihm der Schrecken der gestrigen Nacht noch in den Gliedern lag. Er begrüßte Jansen mit niedergeschlagener Miene, und die Scherze, die er zu machen versuchte, klangen nicht froh. Er würde sich auch, sagte er, in seiner katzenjämmerlichen Verfassung nicht haben blicken lassen, wenn ihm nicht etwas begegnet wäre, was für Jansen vielleicht von Wichtigkeit sein möchte.
Vor einer Stunde erst habe er sich ins Freie geschlichen, den Kopf noch schwer von dem Wein, den er gestern so trübselig in sich hineingegossen, um allen Ingrimm über das meuchlerische Trauerspiel mit dem armen Homo zu ersäufen. Und da er keinem Bekannten zu begegnen gewünscht, habe er den Weg außen um die Thore herum eingeschlagen, auch unter Anderm den Friedhof besucht, recht in der Stimmung, sich selbst seinen Ruheplatz auszusuchen. Wie er dann wieder ans Sendlingerthor zurückgekommen, habe er einen Reisewagen ganz mit Koffern bepackt daherrollen und in die Landstraße einlenken sehen. Das sei ihm aufgefallen, in dieser Jahreszeit und im Jahrhundert der Eisenbahnen, und darum habe er sich das Fuhrwerk im Vorbeifahren genauer angesehen. Zu seinem größten Erstaunen aber habe er in der einen Dame, die sich gerade ein wenig vorgebeugt, seine Unbekannte von gestern Abend, die räthselhafte Madame Saint-Aubain, erkannt und auf dem Rücksitz ihr gegenüber keinen Geringeren, als den griechischen Don Juan, den Monsieur Stephanopulos. Beide hätten eifrig mit einander gesprochen und ihn nicht bemerkt. Die Dame habe wieder verteufelt hübsch ausgesehen, das Gesicht statt der Kapuze von gestern sehr kokett mit einem schwarzen, goldgestickten Baschlik eingerahmt, die blauen Augen –
Aber was ist dir, Jansen? unterbrach er sich bestürzt, da er den Freund plötzlich erblassen sah. Ich dachte dir etwas Angenehmes zu sagen, wenn ich dir meldete, daß diese fatale Person und der Mörder des armen Homo dir aus den Augen –
Hast du ein Kind bei ihnen gesehen? rief der Bildhauer außer sich und stürzte auf den arglosen Erzähler zu.
Ein Kind? Möglich, daß auch ein Kind mit im Wagen war. Wenigstens sah ich auf den zwei andern Plätzen noch allerhand Tücher und Schleierzeug. Aber ums Himmelswillen, Freund –
Es ist gut! Ich danke dir. Ich weiß genug. Vor einer Stunde, sagst du? und auf der Sendlinger Landstraße? Es ist gut. Sie entschuldigen mich, liebe Freundin – ich – ich muß fort – Ich will nur auf alle Fälle –
Er stürzte an den alten Schrank in der Ecke, riß mit zitternden Händen die Thüre auf und zog eine mit Rost und Staub bedeckte alterthümliche Pistole heraus.
In diesem Augenblick fühlte er Felix' Hand auf seiner Schulter.
Was soll's? fragte er ohne umzublicken.
Ich gehe natürlich mit, sagte der Freund mit gedämpfter Stimme. Wie die Dinge stehen, glaube ich zu wissen, um was sich's handelt. Was ich noch nicht weiß, magst du mir unterwegs erklären, aber allein lass' ich dich nicht auf diese traurige Jagd ausziehen. Und du mußt mir auch erlauben, da mein Blut ruhiger ist, als deines, die Führung zu übernehmen. Sie haben die Fahrstraße vorgezogen, weil sie auf der Eisenbahn dem Telegraphen nicht entgehen könnten, und ihr Vorsprung ist noch nicht groß. Darum denk' ich, wir holen sie zu Pferde sicher ein. Komm! Die Droschke, die Fridolin eben meldet, bringt uns in zehn Minuten zu meinem Pferdeverleiher. Dann reiten wir noch bei meiner Wohnung vorbei, und ich stecke, wenn du darauf bestehst, meinen Revolver zu mir. Der alte Sattelpuffer würde Herrn Stephanopulos wenig Respect einflößen. Bist du's zufrieden, mein Alter?
Lassen Sie mich in dem Wagen nachfolgen, bat die kleine Frau; ich vergehe sonst ohnehin vor Angst, und wer weiß, ob Sie mich nicht sehr gut brauchen können. Das arme Kind, unter den fremden Menschen, wenn der Schrecken und die kalte Fahrt es krank machen –
Felix beruhigte sie, so gut er konnte, und seine entschlossene, feste Haltung setzte es durch, daß auch Rosenbusch versprach, sich bis zu ihrer Rückkehr ganz still zu verhalten und mit seiner Erzählung weder Julie noch Angelica aufzuregen. So drängte Felix den Freund, der sich willenlos seiner Leitung überließ, hinaus, schrieb noch im Hausflur auf eine Karte ein entschuldigendes Wort an Irene, die ihn auf den Abend erwartete, und trieb, als sie in die Droschke gestiegen waren, den Kutscher zur schleunigsten Eile an.
Eine halbe Stunde später sprengten die beiden Freunde auf raschen Pferden die Landstraße dahin, die vom Sendlingerthore über die weite Isarebene dem Gebirge entgegenführt.