F. W. Hackländer
Der Augenblick des Glücks – Aus den Memoiren eines fürstlichen Hofes
F. W. Hackländer

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Der Regent hatte abermals einen Gang durch das Kabinett gethan. Jetzt blieb er neben dem Fauteuil stehen, in welchem die Prinzessin saß, und als er bemerkte, wie sie ihre Augen mit beiden Händen bedeckte, nahm er ihre Rechte, um sie sanft von dem Gesicht zu entfernen.

»O Elise,« sagte er mit weicher Stimme, »Sie hätten das nicht thun sollen, nicht so hinter meinem Rücken handeln; Sie wissen, wie gern, ja freudig, ich stets Ihre Wünsche erfüllte – freudig erfüllte, selbst einen Ihrer Wünsche,« setzte er leiser hinzu, »der mir in manchen Beziehungen weh gethan haben würde.«

Als er das sagte, blickte sie zu ihm auf und es war ein Blick, diesmal nicht schalkhaft, nicht herausfordernd, wie gewöhnlich, sondern es war vielmehr ein tiefer inniger Blick, wie er aus dem Herzen eines Weibes kommt, wenn ihre Brust von einem süßen Gefühle geschwellt wird.

»Doch, das ist nun vorbei,« sprach er nach einer Pause und sich abwendend. »Glauben Sie mir, Elise, ich bin auch nicht gekommen, Ihnen über Ihr Benehmen Vorwürfe zu machen, wozu der Regent vielleicht ein Recht hätte, sondern ich will einfach und ruhig mit Ihnen überlegen, wie der Wunsch Ihres Herzens auf würdevollste Art, wie sich's für unser Haus geziemt, zu realisieren ist.«

Es lag nicht in dem Charakter der Prinzessin, daß ein tiefer, inniger Blick ihres Auges lange anhielt, selbst wenn auch das Gefühl, das ihn hervorgerufen, fortdauerte. Jetzt schon blickte wieder aus ihrem Antlitz eine kleine Schalkhaftigkeit, und obgleich sie sich nicht enthalten konnte, ihre Hand sanft auf den Arm des Regenten zu legen, so sagte sie doch mit einem Anflug ihrer neckischen Laune: »Verzeihen Sie mir, ich fühle in der That mein Unrecht und dies um so mehr, da mich Ihre edelmütigen Gesinnungen beinahe niederdrücken, – Ihre Sorge für mein Wohl – Eurer Hoheit Entschluß, meine Wünsche zu erfüllen, selbst wenn ihre Erfüllung Ihnen in manchen Beziehungen weh thun würde.«

»So reden Sie, Prinzessin, was soll ich thun?« fragte düster der Regent.

»Viel und wenig,« entgegnete fast heiter die Prinzessin und fuhr fort, indem sie ihr Gesicht schmeichelnd zum Regenten erhob, » – das thun, was Sie schon so für mich gethan. Meine – vielleicht unbesonnenen Schritte wieder gut machen.«

»So will ich also,« antwortete der Regent nach einer längeren Überlegung, »den Hofmarschall zu Seiner Durchlaucht dem Herzog Alfred senden, ihm anzeigen lassen, daß ich seine Anwesenheit erfahren, und mich so zurückhaltend als möglich nach seinen Wünschen erkundigen. Fällt seine Antwort befriedigend aus, woran ich nicht zweifle, so werde ich ihm gegenüber – es sogar recht zart finden, daß er sich vorher – von der Neigung Eurer Durchlaucht für ihn überzeugte, ehe er öffentliche Schritte that.«

»Hat er sich überzeugt?« fragte schüchtern die Prinzessin, wobei sie trotz ihrer Keckheit nicht aufzublicken wagte, – »hat er sich wirklich überzeugt?«

»Nach den Schritten, die er gethan,« sagte der Regent, indem er sich bemühte, sehr fest und ruhig zu sprechen, »muß dies doch wohl der Fall sein. Ja, ich bin der festen Ansicht, der Herzog ist sicher, daß Sie, Prinzessin, mit einem mehr als gewöhnlichen Interesse von seiner Anwesenheit wissen.«

»Glauben das Euer Hoheit in der That?« fragte, nun alles Ernstes erschrocken, die Prinzessin.

»Daran ist nicht zu zweifeln. Verzeihen Sie mir, Elise,« setzte er bitter hinzu, »wenn man einmal so weit gegangen ist, Porträts auszutauschen – «

»Nicht auszutauschen« – sagte die junge Dame in bestimmtem Tone.

»Möglich,« fuhr der Regent achselzuckend fort, »im vorliegenden Fall ist es sogar genug, wenn der eine Teil die Porträts des anderen empfängt – behält – bei sich aufbewahrt – mit Interesse betrachtet.«

Er hatte das mit steigendem Tone der Stimme gesprochen, und sie hatte diese Steigerung mit einem eigentümlichen Lächeln und einem so entschiedenen Kopfschütteln beantwortet, daß sich der Regent veranlaßt sah, bewegt auszurufen:

»Aber Elise, Sie können sich jetzt noch nicht entschließen, ehrlich mit mir zu reden, und Sie sehen mich doch bereit, allen Ihren Wünschen nachzukommen?«

»Gerade, weil ich ehrlich mit Ihnen reden will, muß ich mir erlauben, Ihnen zu bemerken, daß Ihre Vorwürfe nicht begründet sind. Sie sprechen von einem Porträt, das ich empfangen. – Möglich, ich lasse mir mancherlei Zeichnungen und Photographien vorlegen.«

»Ja, – Photographien.«

»Aber, daß ich das, wovon Sie eben sprechen, behalten, aufbewahrt, mit Interesse betrachtet, davon weiß ich kein Wort.«

Der Regent zuckte mit den Achseln und während er mit der rechten Hand eine Bewegung der Ungeduld machte, warf er einen bezeichnenden Blick nach dem Schreibtisch hinüber, wo das Etui lag, welches die Prinzessin bei seinem Eintritt so hastig zugedrückt.

Sie folgte seinen Augen, und da sie dies that, fuhr ein freundliches Lächeln über ihre Züge. Sie erhob sich leicht und gewandt von dem Fauteuil, streckte ihre Hand aus und sagte mit so weichem Ton der Stimme, wie man es selten an ihr bemerkte: »Dort liegt das, worauf Ihre Rede zielt. Meinetwegen denn, sehen Sie nach, was es ist.«

»O ich habe es zur Genüge gesehen,« entgegnete finster der Herzog, »aber ich bitte dringend, Elise, wir wollen nicht von unserem Gesprächsthema abschweifen. Teilen Sie mir Ihre Wünsche mit, und so wahr ich Ihnen immer ein ehrlicher und treuer Freund war, so wiederhole ich Ihnen: ich werde auch jetzt alles für Sie thun, was in meinen Kräften steht.«

Bei den letzten Worten, die der Regent innig sprach, hatte sie ihr Gesicht von ihm ab gegen das Fenster gewendet, und es war vielleicht der Widerschein des roten Glases in den bemalten Scheiben, welcher eine tiefe Röte auf ihren Zügen aufflammen ließ. – Vielleicht! doch hatten sich diese auch seltsam verändert; von Schalkhaftigkeit, Behagen an der Situation war keine Spur mehr auf ihnen zu lesen, ja die Augen hatten ihren muntern Glanz verloren, sie preßte die Lippen heftig aufeinander wie jemand, der einen schweren Kampf kämpft, und ein tiefer Seufzer stahl sich aus ihrer Brust empor. – – – Sie ließ den Regenten ziemlich lange warten, ehe sie ihm eine Antwort gab, und diese Antwort bestand darin, daß sie ihre Hand erhob, abermals nach dem Schreibtisch hinzeigte, und mit kaum vernehmlicher Stimme hinzusetzte:

»So betrachten Sie doch das Porträt, das ich einstens erhalten, aufbewahrt, das ich,« setzte sie stockend hinzu, »in Wahrheit häufig mit Interesse beschaut.«

Der Regent, der das Gesicht der Prinzessin nicht sehen konnte, aber an dem Ton ihrer Stimme wohl merkte, daß Eigentümliches in ihrem Herzen vorgehe, trat an den Schreibtisch und nahm das Etui in die Hand. Ehe er es aber öffnete, blickte er noch einmal auf die junge Dame, die ihm jetzt ihren Kopf zugewandt hatte, und war erstaunt, das auf ihrem Gesichte zu lesen, was wir eben berichtet. Ja, eine tiefe Erregung, eine wahre Herzensangst sprach sich in ihren Zügen aus. Jetzt, wo er den Finger auf die Feder des Etuis drückte, streckte sie ihm wie flehend beide Hände entgegen, und aus ihren sonst so klaren, lebhaften Augen, die jetzt umdüstert erschienen, traf ihn ein so ungewohnter Blick, so tief und innig, daß er sein Herz erbeben fühlte.

»Ach, Elise, Sie bereuen Ihre Erlaubnis!«

»Nein, nein!« rief sie; doch es war, als könne sie nicht mit ansehen, was der Regent in der nächsten Sekunde schauen mußte; denn, indem sie auf den Fauteuil zurücksank, preßte sie ihr glühendes Gesicht in die weichen Kissen.

Es durchzuckte ihn so sonderbar, als er nun fühlte, wie die Feder dem Drucke seines Fingers nachgab. Das Etui öffnete sich – und er erblickte nicht jene ihm verhaßt gewordene Photographie, sondern – – sein eigenes Porträt, von dem er nicht wußte, wie es in den Besitz der Prinzessin gekommen.


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