F. W. Hackländer
Der Augenblick des Glücks – Aus den Memoiren eines fürstlichen Hofes
F. W. Hackländer

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Die Herzogin liebte ihre Schwester außerordentlich, und der regierende Herr hatte ein verhätscheltes Kind aus ihr gemacht. Wo sich nur ein Kunstwerk, sei es ein Bild, sei es eine kleine Statue, sei es eine reiche Bronzearbeit, für die Zimmer einer Dame passend, zeigte, da wurde dasselbe für die Prinzessin Elise bestimmt, und die Herzogin trat ihr dergleichen Spielereien, wie sie es nannte, um so bereitwilliger ab, da ihr Sinn das Einfache liebte und deshalb ihre Zimmer auch so bescheiden möbliert waren, wie man sie kaum bei einem wohlhabenden Privatmanne findet.

Das Vorzimmer der Prinzessin neben dem Speisesaal kennen wir bereits. Über demselben befand sich ein ähnliches, das an einen Salon stieß, wo Ihre Durchlaucht die kleineren Gesellschaften zu versammeln pflegte. Vergoldete Möbel waren hier freilich nicht zu finden; dagegen waren Sessel und Fauteuils von Palisanderholz, alle reich geschnitzt, und nach Zeichnungen von guten Künstlern angefertigt. In den Ecken befanden sich Blumenpartien und kleine Marmorstatuetten und an den Wänden Bilder. Dieser Salon hatte ein einziges großes Fenster, aus einer einzigen riesenhaften Scheibe bestehend, welche durch einen sinnreichen Mechanismus vermittelst des leichten Druckes auf eine Feder in den Boden versank. Vor diesem Fenster befand sich ein Altan, mit einem weißen Marmorbrunnen, der seine klaren Strahlen hoch hinauf sprühte, und dieser Altan selbst war durch Schlingpflanzen, die sich zwischen Orangen- und Citronenbäumen empor wanden, zu einer prachtvollen Laube umgewandelt, die an warmen Tagen einen entzückenden Aufenthalt bot.

An diesen Salon stieß ein kleines Speisezimmer, dessen Wände mit geschliffenem Eichenholze bedeckt waren, worin die Unterscheidungen und Abteilungen der Felder aus ciselierter Bronze bestanden. Aus demselben Metall befand sich auch ein prachtvoller Lüster über dem einzigen runden Tische, der Platz für acht Personen bot. Eine größere Anzahl lud die Prinzessin nie zu ihren kleinen Diners. Die Thüre war ebenfalls aus Eichenholz aufs zierlichste geschnitzt, ebenso wie das Büffett, auf dem sich seltene Majoliken und alte reiche Krystallgefäße befanden. Die beiden Fenster dieses Zimmers hatten Vorhänge aus dunkel violettem Samt, welche Stoffe man auch auf den Sesseln und Stühlen sah. Die langen Felder auf der Wand waren dekoriert mit in Bronze ausgeführten Wildbret- und Geflügelgruppen, seltenen Kunstwerken, die Tiere und Vögel in einer frappanten Natürlichkeit, welche der regierende Herzog zur Ausschmückung des Speisezimmers der Prinzessin von einem bedeutenden Künstler hatte anfertigen lassen.

Neben diesem Speisezimmer war das Frühstückszimmer der Prinzessin, woselbst sie auch die Damen empfing, welche sie ihres Besonderen Vertrauens und ihrer Freundschaft würdigte. Hier bestanden die Tapeten aus hellblauem Seidenstoffe und das ganze Ameublement aus Rosenholz. Es war dies ein heiteres lachendes Zimmer, mit einem großen Bogenfenster, welches eine prachtvolle Aussicht auf die um das Schloß liegende Stadt gewährte. Hohe Epheuwände trennten die beiden Ecken im Hintergrunde dieses Gemachs und bildeten so zwei reizende Winkel, wohin sich die Prinzessin gerne zum Lesen zurückzog. Deshalb befand sich auch neben diesem Zimmer in einem kleinen Gemach die ausgewählte Bibliothek Ihrer Durchlaucht, reich an guten Ausgaben der bedeutendsten Schriftsteller und Dichter, besonders aber an prachtvollen Kupferwerken aller Nationen. Neben dieser Bibliothek war dann die Ecke des Schloßflügels, den die Prinzessin bewohnte, und hier war ihr Boudoir, wo sie nur ihre genauesten Bekannten sah und von wo es alsdann in jene Teile ihrer Appartements ging, in Gemächer, über welche wir nur von den Kammerfrauen einige Details erhalten könnten, wenn es für unsere wahrhaftige Geschichte von Interesse wäre. Da folgten sich Toilettenzimmer, Schlafzimmer, Badekabinett, Garderobe, Zimmer der Kammerfrauen, und das ganze beschloß ein Vorzimmer, in welchem sich die Dame vom Dienst aufzuhalten pflegte, wenn die Prinzessin deren Gesellschaft gerade nicht wünschte.

Das Boudoir nun in der Ecke des Schlosses, welches zugleich Schreibkabinett war, hatte die Prinzessin aufs zierlichste und geschmackvollste eingerichtet. Die Wände waren mit rosa und weißgestreiftem Seidenzeug bezogen, und aus den Lambris von edlem Holz traten an jeder derselben einfach edel geschnittene Konsolen hervor, die abwechselnd eine schöne kleine Marmorstatue oder eine prächtige Vase trugen. Ein Schmuck dieses Zimmers waren die beiden Fenster in gotischem Stile, welche aus alten, ausgewählten Glasmalereien bestanden. Vor denselben befanden sich kleine Ruheplätze, welche so konstruiert waren, daß man sie als Sofas benutzen konnte, wo zwei Personen nebeneinander saßen, und die sich wieder durch eine leichte Handbewegung so wenden ließen, daß sie zwei einander gegenüberstehende Fauteuils bildeten. Die Thüre zur Bibliothek war mit einem vortrefflich erhaltenen alten Gobelin bedeckt, und den Ausgang in die inneren geheimen Zimmer bildete ein riesenhafter Spiegel, der vom Fußboden bis an Decke ging und sich durch den Druck auf eine Feder leicht herumwandte. Er öffnete sich ebenso geräuschlos, wie er sich wieder schloß. Die Etagères in diesem Zimmer, sowie auch der Schreibtisch waren mit den ausgesuchtesten kleinen Kunstwerken in Metall und Porzellan bedeckt, und hier, wo die Prinzessin, wie gesagt, selten jemand den Eintritt gewährte, befanden sich auf den Diwans, den Stühlen und Fauteuils Bücher, halbgeöffnete Mappen mit den seltensten Handzeichnungen und Aquarelle, oft in malerischer Unordnung.

Am frühen Morgen des Tages nach der Unterredung mit Herr von Fernow, nachdem der Adjutant seinen Rapport abgestattet, hatte der Regent die Prinzessin um eine Unterredung bitten lassen; und nach geschehener Anfrage, nachdem auch die gehörige Zeit verflossen, meldete Herr Kindermann, es würde Ihre Durchlaucht außerordentlich freuen, seine Hoheit um zehn Uhr zu sehen, bevor sich Ihre Durchlaucht zu der Frau Herzogin begäben. Herr Kindermann hatte das sehr langsam und mit einem Lächeln gemeldet, das für diejenigen, welche diesen würdigen Mann genauer kannten, etwas Forciertes hatte. Herr Kindermann befand sich in einer gespannten Aufregung. Der Mund des Regenten war verschlossen wie das Grab; glücklicherweise befahl er die Uniform des Leibdragonerregiments, und da hoffte der Kammerdiener schon durch das bekannte Manöver mit dem Säbel zu einer ganz unterthänigen Bemerkung, respektive Frage zugelassen zu werden. Bevor aber noch Herr Kindermann dem Garderobediener die nötigen Befehle in Betreff der Uniform geben konnte, hatte der Regent schon sich eines anderen besonnen und wünschte einen einfachen bürgerlichen Anzug. Dieser an sich geringfügige Umstand gab dem Herrn Kindermann neuen Stoff zum Nachdenken und in dieses Nachdenken mischte sich ein gewisser Schmerz, da seine Hoheit auf die notwendigen Fragen nur mit Kopfnicken, höchstens mit Ja und Nein antwortete. Schlug das Eßbouquet-Mittel fehl, so war nichts mehr zu hoffen. Und auch dieses schlug fehl; denn als der Regent den Duft desselben empfunden, stimmte er ihn nicht weich, wie Herr Kindermann sonst zu bemerken pflegte, machte ihn auch nicht nachdenkend, sondern er fuhr hastig mit der Hand über die Stirn, nickte mit dem Kopfe und sagte laut und vernehmlich: »Gut, wir wollen sehen.«

Obgleich sich der Kammerdiener als letzten Versuch den Anschein gab, als habe der Regent mit ihm gesprochen, und sich augenblicklich nach den Befehlen Seiner Hoheit erkundigte, so war doch auch damit nichts gewonnen. Der Regent sagte: »Ich danke, es ist nichts, lieber Kindermann.« Das »lieber Kindermann« stimmte den alten Herrn fast wehmütig und er dachte bei sich: »Was nützt mir das ›lieber Kindermann‹, wenn er gerade so thut, als sei ich der letzte Schloßknecht und so eben erst in Dienst getreten. Es wäre doch nicht das erste Mal, daß er ein Wort fallen ließe über ein wichtiges Vorhaben. Hat er mich doch schon bei anderer Veranlassung gefragt: Es ist uns doch heute morgen keine Spinne begegnet? oder: Was halten wir vom heutigen Tage, Kindermann? Ist er gut oder schlecht? Können wir etwas unternehmen oder lassen wir es lieber bleiben?«

Unterdessen war nichts zu machen. Der Kammerdiener hatte seine Schuldigkeit gethan und mußte dem Herr von Fernow, auf den er noch seine letzte Hoffnung setzte, das übrige überlassen, denn der Major war im Vorzimmer, und als der Regent wenige Minuten vor zehn Uhr hindurchschritt, hörte ihn Herr Kindermann sagen: »Begleiten Sie mich hinauf, Fernow, und bleiben Sie in der Nähe.« Dabei stiegen beide die Treppe hinauf, und ehe sie noch den ersten Stock des Schlosses erreicht hatten, hörten sie Herrn Steppler, der droben wartete, ehrerbietig husten. Der Kammerdiener Ihrer Durchlaucht meldete dem Regenten ganz unterthänigst, daß Ihre Durchlaucht sich in ihrem Boudoir befinde und sehr erfreut sei, dort den Besuch Seiner Hoheit zu empfangen.

Warum der Regent bei diesen Worten eigentümlich, fast schmerzlich lächelte, und warum er einen langen Blick in einen der großen Spiegel des Vorzimmers that, wissen wir nicht ganz genau anzugeben. Er durchschritt leicht und elegant den Salon, Speise- und Frühstückszimmer, die Bibliothek, und wer ihn so dahin gehen sah, aufrechten Hauptes, in der festen militärischen Haltung, den großen Schnurrbart leicht nach oben gedreht, mußte von ihm sagen: »Das ist ein vornehmer und schöner Herr.«

Pünktlich, wie er als Militär gewohnt, ließ er die Glocke in dem Bibliothekzimmer zehn ausschlagen, dann schob er den Gobelin auf die Seite und trat in das Boudoir. Hatte ihn die Prinzessin noch nicht erwartet, oder vorher noch eine Meldung befohlen, genug, sie wandte sich überrascht, fast erschrocken bei seinem Eintritt von ihrem Schreibtisch, vor welchem sie stand, ab und drückte den Deckel eines Etuis, welches sie in der Hand hielt, so hastig zu, daß es laut knackte. Dies entging dem Regenten nicht, und wenn er nicht vollkommen Herr seiner selbst gewesen wäre, so hätte wohl eine leichte Wolke seine Stirn getrübt; so aber ging er unbefangen und heiter lächelnd auf die Prinzessin zu, welche ihm entgegen kam. Auch nahm er ihre dargebotene Hand und schüttelte sie freundlich, wie er gewöhnlich zu thun pflegte.


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