F. W. Hackländer
Der Augenblick des Glücks – Aus den Memoiren eines fürstlichen Hofes
F. W. Hackländer

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»Meinst du in der That?« fragte Herr von Wenden; doch war es ihm nicht unlieb, daß sein Freund der Ansicht war, der Zimmerarrest habe ihn in der That nicht so geschmerzt, als dies in Wirklichkeit der Fall war. Auch hatte es der eitle Kammerherr von jeher geliebt, für einen unerbittlichen Eroberer zu gelten, obgleich seine Eroberungen selten Eroberungen zu nennen waren. Er machte einen vergnüglich gespitzten Mund, strich mit der linken Hand über das glatte Haar und lächelte zu dem anderen Fenster hinüber, wobei er einen leichten Seufzer affektierte. »Du hast wahrhaftig nicht ganz unrecht,« meinte er, »und wenn du das schöne Mädchen kenntest, so würdest du begreifen, daß es sich um sie wohl einer außerordentlichen Mühe verlohnt.«

»So gib dir außerordentliche Mühe,« entgegnete Herr von Fernow, indem er seine Uhr herauszog und alsdann lebhaft ausrief: »Was? fast Mitternacht! – Von morgen an,« fuhr er in gewöhnlichem Tone fort, »hast du vollkommen Zeit und kannst eine weitere Parallele vorschieben, um deine schöne Festung einzunehmen. Wenn ich dir dabei dienen kann, so weißt du, ich thue für einen Freund alles. – Apropos, sagte ich dir schon, daß jener junge Mann, mit dem ich soupiert, in der Wohnung deiner Angebeteten Zutritt hat?«

»Allerdings sprachst du davon.«

»Und auch, daß er sich mir verpflichtet fühlt, und mit Vergnügen bereit sei, mir und in diesem Falle auch dir zu dienen?«

»Ich glaube, du sagtest so, und dann?«

»Und dann? – Das ist doch eine kuriose Frage für einen Kammerherren in den Zwanzigen, der sich doch auch schon in der Welt umgesehen.«

»Du meinst also,« sagte zweifelnd Herr von Wenden, »ich soll – «

»Ihr schreiben. Das ist doch ganz natürlich. Wenige Worte, aber fest.«

»Daß ich sie liebe?«

»Andeutend, ja, aber nicht zu extravagant; du bittest vielmehr ganz bescheiden, sie besuchen zu dürfen. Du schreibst in der Art, daß wenn deine Zeilen der Mutter in die Hände fallen, sie sagen muß, das ist ein bescheidener, anständiger junger Herr und wenn der unser Haus besucht, so wird das meiner Tochter keinen Schaden bringen.«

»Du hast Routine in solchen Billets?« fragte lauernd Herr von Wenden.

»Im Gegenteil,« entgegnete Herr von Fernow; »überhaupt weißt du mit der Feder besser umzugehen als ich. Mir scheint aber fast, du fürchtest dich durch dein Schreiben zu kompromittieren. Wenn du das glaubst, so lassen wir die Sache fallen. Ich habe dir nur meine Bereitwilligkeit zeigen wollen.«

Damit stand er auf und nahm seinen Paletot, den er bei der Ankunft auf ein Sofa geworfen.

»Und du glaubst, daß dein junger Mann sicher ist?«

»Er wird es sicher übergeben, daran zweifle ich nicht.«

»Und wann?«

»Morgen, wenn es dir genehm ist.«

Das sagte Herr von Fernow, wie gelangweilt, in einem fast schläfrigen Tone, wobei er gewaltig gähnte.

»Dann werde ich zwei Zeilen schreiben.«

»Wie du willst.«

Der Kammerherr setzte sich an den Schreibtisch, kaute einen Augenblick an der Fahne seiner Feder, und als dieselbe nun hastig über das Papier zu fliegen begann, zündete sich der Major zum Nachhausegehen eine neue Zigarre an und knöpfte Paletot und Handschuhe zu.

»So,« sprach Herr von Wenden, »kurz und gut. Soll ich es dir vorlesen?«

Der Major nickte mit dem Kopfe und stellte sich neben den Schreibtisch.

»Verehrtes Fräulein! Seit längerer Zeit bin ich so glücklich, Sie an Ihrem Fenster zu sehen, würde aber beneidenswert sein, wenn es mir erlaubt wäre, Ihnen ein freundliches Wort sagen zu dürfen. Sind Sie so gut wie schön, so darf auf eine Antwort hoffen Ihr ganz ergebener Verehrer.«

»Und weiter?«

»Weiter nichts!« antwortete der Kammerherr.

»Keine Unterschrift?«

»Meinst du vielleicht, ich sollte irgend einen Buchstaben hinsetzen?«

»Du gefällst mir mit deinen anonymen Liebesbriefen. In solchen Fällen, wie der vorliegende, tritt man nicht im geheimen auf, sondern sehr öffentlich und unterschreibt mit seinem ganzen Namen.«

»O, du spaßest!«

»Nicht im geringsten. Aber du besitzest eine gewaltige Einbildungskraft! Da soll ein anständiges Mädchen, – denn für das halte ich sie nach deinen Beschreibungen – auf einen Wisch antworten, der keine Unterschrift hat! Nein, nein! Entweder laß die ganze Geschichte fallen oder gib deinen ganzen Namen: Baron Eduard von Wenden.«

»Das ist am Ende kompromittierend,« sagte der Kammerherr, »doch wenn du meinst,« fuhr er fort, als er sah, wie der Offizier ungeduldig die Achseln zuckte, »soll es mir auch darauf nicht ankommen.«

Er unterschrieb mit einem raschen Federzuge.

»Jetzt hoffe ich, bist du zufrieden: Baron Eduard von Wenden. – Es ist mein ehrlicher Name, es ist meine ganze Zukunft, die ich in Ihre Hände lege.«

»Dein Citat ist falsch, lieber Freund,« sagte der Major, indem er das Billet, nachdem es versiegelt war, einsteckte. »Ich bin nicht der Sekretär Wurmb, du aber noch viel weniger die unschuldige Luise. – Nun, behüte dich Gott. Morgen sehen wir uns wieder.«

»Ja, bei Philippi!« entgegnete der Kammerherr mit Pathos. Er begleitete den Freund an die Thür und fragte beim Weggehen desselben fast schüchtern: »Und bekomme ich auf mein Billet eine Antwort?«

»Hoffentlich ja, und zu gleicher Zeit eine Einladung,« versetzte Fernow lachend, »zu einem Augenblick des Glücks.«

Fünfzehntes Kapitel.

Keine Rose ohne Dornen.

Die Appartements Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Elise stießen, wie wir bereits in einem früheren Kapitel erfahren, an den großen Empfangs-, Tanz- und Speisesaal des Schlosses und waren nur durch ein kleines Entree, sowie durch ein paar Vorzimmer von letzterem getrennt. Eigentlich wäre dies die Wohnung der regierenden Herzogin gewesen, doch hatte es der hochselige Herr vorgezogen, den rückwärts gelegenen stilleren Schloßflügel zu bewohnen und so die Prinzessin in einem Rechte belassen, das sie sich selbst angemaßt. Wenn man alles genau betrachtete, so war sie, was das innere Leben und Treiben des Hofes anbelangte, die eigentliche Herrscherin. Mit wenigen Ausnahmen ließ ihr der Regent das Vergnügen, die Einladungen zu den Diners zu bestimmen, und selbst wenn solche Ausnahmen eintraten, wußte sie immer auf eine feine Art die einen oder anderen ihrer Lieblinge, die vielleicht vergessen worden waren, noch nachträglich befehlen zu lassen.

Da der Regent ihren klaren und scharfen Verstand anerkannte, auch ihr Urteil hochschätzte, so gab er nicht selten große Audienzen an fremde Gesandte und dergleichen in ihren Zimmern und konnte alsdann vielleicht lächelnd zuschauen, wie sie durch ihre pikanten Fragen oder ihre gewandten Bewegungen in jeder Beziehung den Vortritt nahm und er selbst wie die zweite Person neben ihr erschien. Die Herzogin, welche in früheren Zeiten fast den ganzen Tag bei der Prinzessin zubrachte, verließ jetzt ihre Appartements nicht mehr, und daher kam es, daß die der Prinzessin im gegenwärtigen Augenblicke weniger lebhaft als sonst waren, weil diese jetzt meistens im anderen Schloßflügel bei ihrer Schwester war. Wenn man die Gemächer durchschritt, welche die Prinzessin bewohnte, so begriff man wohl, daß jeder gerne darin verweilte. Hier war jedes Zimmer, jedes Kabinett aufs vortrefflichste benutzt und dabei mit einem Kunstsinne, einem Geschmack arrangiert, der die Einrichtung ebenso fern von Überladung, wie von ungebührlicher Einfachheit hielt.


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