F. W. Hackländer
Der Augenblick des Glücks – Aus den Memoiren eines fürstlichen Hofes
F. W. Hackländer

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Die Prinzessin sah reizend aus und schien in der besten Laune zu sein. Ihr reiches blondes Haar war scheinbar ohne besondere Wahl um den Kopf aufgesteckt, doch rahmte es denselben so pikant ein, daß man wohl bemerken konnte, diese Einfachheit sei nicht ohne Absicht. Dazu trug sie ein weißes Morgenkleid ohne alle Verzierung, sehr lang herabfallend und so anliegend, daß man ihre feine zierliche Gestalt aufs deutlichste sah.

»Es ist schon lange her, mein lieber Vetter,« sagte sie, nicht ohne einen Anflug von Ironie, »daß ich nicht mehr in den Fall gekommen bin, Ihnen eine kleine Privataudienz bewilligen zu können.«

»Was daher kommt,« fiel der Regent ihr lächelnd ins Wort, »weil ich es gern zu meinem Studium mache, die Neigungen der Leute, die mir wert sind, zu erforschen.«

Die Fürstin wehrte mit den Händen auf eine komische Art von sich ab und sagte, während sie den Mund ein klein wenig aufwarf:

»Schon wieder Krieg! Ich merke es schon. Eure Hoheit kommen nur immer in feindseliger Absicht zu mir, und da ich das genau weiß,« setzte sie scheinbar ernst hinzu, »so muß ich meinen teuersten Vetter bitten, niederzusitzen, damit ich nicht gar zu sehr im Nachteil bin; – eine arme kleine Figur, wie ich! – Sehen Sie, wie ich den Kopf erheben muß, um an Ihnen hinauf zu blicken. Das ist keine Gleichheit der Waffen!«

Mit diesen Worten war sie auf ihre eigentümliche Art halb tänzelnd, halb schleifend ganz nahe vor den Regenten getreten, und als sie nun in nächster Nähe ihm von unten herauf in die Augen sah und dabei den kleinen Mund so schelmisch geöffnet hatte, daß man ihre feinen Zähne sah, während sie die Augen eine Sekunde nachher etwas affektiert schläfrig schloß, sagte der Regent mit einem für sie unerklärlichen Seufzer: »Ja, ja, es ist besser, meine teuerste Elise, wenn wir uns niedersetzen.«

»Schön,« entgegnete sie lebhaft, »und dort auf dem Ruheplatz am Fenster, auf dem Diwan nach meiner Erfindung. Ich bilde mir was auf diese Konstruktion ein.«

Sie schoß nach dem bezeichneten Sofa hin, und während sie die Hand auf die verborgene Feder legte, fuhr sie fort: »Aber Sie kennen die Maschinerie?«

»O, ich kenne sie vollkommen,« sagte der Regent, der ihr langsam gefolgt war. »Es ist eine verkörperte Laune unserer liebenswürdigen Prinzessin.«

»O weh, o weh!« rief sie mit komischem Ernste aus, »Eure Hoheit sind galant gegen mich; da habe ich wahrscheinlich etwas begangen, und werde eine gelinde Strafpredigt erhalten. Wenn dem in der That so ist,« fuhr sie fort, und dabei blitzte eine kleine Bosheit in ihrem Auge, »so ist es besser, ich drücke hier auf die Feder.«

Sie that so und das Sofa teilte sich in der Mitte und bildete zwei einander gegenüberstehende Fauteuils.

»Sie wollen mich also nicht an Ihrer Seite?« fragte lachend der Regent.

»Das Gesicht Eurer Hoheit ist mir in der That zu ernst zu einer mir sonst so angenehmen Nachbarschaft. Auch können Sie mich besser ansehen, wenn ich Ihnen gegenübersitze, das heißt einfach, um zu erfahren, ob die Strafpredigt, die ich erhalten soll, auch ihren Eindruck auf meinen Leichtsinn nicht verfehlt.«

»Sie erwarten also eine Strafpredigt?« meinte der Regent, nachdem er sich vis-à-vis der jungen Dame niedergelassen. »Also haben Sie ein böses Gewissen?«

»Das hat man Ihnen gegenüber nur zu leicht, verehrtester Herr und Vetter,« versetzte die Prinzessin. »Aber Scherz beiseite, diesmal glaube ich, daß ich allem, was da kommen mag, mit der größten Ruhe entgegensehen kann.«

Sie hatte sich bei diesen Worten in den Fauteuil zurückgelehnt, und als sie hierauf ihr Gegenüber mit einem festen Blick ansah, so hätte jeder andere diesen Blick für einen Blick der vollkommensten Unschuld gehalten. Nicht so der Regent. Er wußte wohl, was das seltsame Feuer zu bedeuten hatte, welches in ihrem Blick glänzte, und warum ihre Lippen fast unmerklich zuckten, aber doch zuckten. Er kannte die Leidenschaft der Prinzessin, mit scharfen Waffen zu fechten, und wußte wohl, wie schwer sie aus der Fassung zu bringen war. Sie hatte mit ihrer Rechten über die Schulter hinweg eine der schweren seidenen Quasten genommen, welche an langen Schnüren befestigt waren und zum Zuziehen des Vorhangs dienten, und gebrauchte diese wie einen Fächer, indem sie dieselbe jetzt anhaltend im Kreise drehte, sich so Kühlung zufächelnd, und sie dann vor das Gesicht hielt, wobei im letzteren Falle ihre Augen recht schelmisch, ja fast boshaft, durch die glänzenden violetten Fäden durchblickten.

»Wir werden in den nächsten Tagen ein Ereignis bei Hofe haben,« sprach der Regent mit Beziehung auf die verwitwete Herzogin nach einer Pause; »ich glaube, in ganz naher Zeit. Danach, wenige Wochen später, wird sich, wie wir beide genau wissen, die Herzogin nach Eschenburg zurückziehen.«

»Ich glaube, das letztere ist eine ausgemachte Sache,« erwiderte die Prinzessin aufmerksam; »und wenn ich nicht irre, sind für diesen Fall schon alle Arrangements vorgesehen.« – Sie ließ die Quaste vor ihrem Gesichte herabhängen, dieselbe dann einen Kreis beschreiben und zwischen den umherfliegenden Fäden warf sie einen scharfen Blick auf den Regenten.

»Allerdings sind alle Arrangements getroffen,« wiederholte dieser; »doch scheinen wir alle vergessen zu haben, daß das Schloß von Eschenburg sehr klein ist und kaum Platz für die Herzogin und für Sie, Prinzessin, bieten wird.«

»Für mich?« fragte sie; »es fällt mir nicht ein, nach Eschenburg hinauszugehen.«

»So haben sich Ihre Ansichten geändert?«

»Ja, es ändert sich manches,« erwiderte die Prinzessin mit sehr leiser Stimme.

»Sagten Sie mir damals nicht selbst, es würde Ihre höchste Lust sein, in der Nähe des künftigen kleinen Thronerben zu verweilen?«

»Oder in der Nähe einer kleinen Prinzessin. Richtig, ich sagte so.«

»Und jetzt?«

»Jetzt habe ich mir überlegt, oder ich habe mir vielmehr ins Gedächtnis zurückgerufen, wie oft Sie mir gesagt, Sie hielten es für besser, wenn ich meine Schwester mehr ihren eigenen Weg gehen ließe. Ich habe gefunden, daß Sie damals recht hatten, und will jetzt darin, wie auch noch in manchem anderen, strenge Ihren Rat befolgen.«

Als die Prinzessin dies sagte, war der Ton ihrer Stimme auffallend ernster geworden, und sie ließ die Quaste so gerade vor ihrem Gesichte herabhängen, daß man von dem Ausdruck ihrer Augen durchaus nichts sehen konnte.

»Nehmen wir uns in acht!« dachte der Regent, »sie spielt nicht ohne Absicht mit mir Versteckens! Sie beschattet ihr Gesicht, ich sitze im Lichte; und wir müssen ebenfalls Vorsichtsmaßregeln anwenden.« Indem er sich, dies denkend, so viel als thunlich war, in seinem Fauteuil zurücklehnte, stützte er den Arm auf die Lehne desselben und legte den Kopf in die Hand.

»Und der zu erwartende Thronerbe soll Ihrer Sorgfalt entbehren?« fragte er dann mit Beziehung.

»Ob Thronerbe, ob Prinzessin,« entgegnete Ihre Durchlaucht, »ich bin überzeugt, daß Ihre Bestimmungen die besten und nützlichsten sein werden.«

»Seit wann schenken Sie mir dies Vertrauen?«

»Ich habe nie anders über Sie gedacht, nur bin ich vielleicht zuweilen mißverstanden worden.«

»Ei, Prinzessin!« nahm der Regent nach einem augenblicklichen Stillschweigen das Wort, »verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen sage, daß ich anfange, an Ihnen irre zu werden. Sie, eine Liebhaberin des kleinen Krieges, der schon seit längerer Zeit zwischen uns besteht, wollen sich aus Ihren sicheren Positionen zurückziehen und mir das Schlachtfeld allein überlassen? Wie verstehe ich das?«


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