F. W. Hackländer
Der Augenblick des Glücks – Aus den Memoiren eines fürstlichen Hofes
F. W. Hackländer

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Nachdem der Regent so gesprochen, machte er abermals einen raschen Gang durch das Zimmer, stellte sich hierauf näher zu dem jungen Mann und schaute ihn fest an, während er das Folgende sprach:

»Die Prinzessin Elise dagegen denkt anders. – Sie möchte selbst gern eine Art kleine Vorsehung sein und dem Schicksal nachhelfen, wo es nicht galant genug wäre, einer schönen Dame das zu erfüllen, was diese sich in den Kopf gesetzt hat. – Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen.«

»Ich glaube Euer Hoheit zu verstehen.«

»Nun gut. – Wenn ich jetzt fortrede, junger Mann,« sagte der Fürst plötzlich mit einem kalten, fast drohenden Tone, »so beweise ich Ihnen ein Vertrauen, dessen Mißbrauch von den bedenklichsten Folgen sein könnte, nicht sowohl für mich, als – für Sie. Es gibt Menschen mit dem besten Willen,« fuhr er gleich darauf in leichtem Tone und mit einer gefälligen Handbewegung fort, als er sah, daß ihm Herr von Fernow etwas antworten wollte; »Menschen, die mit dem besten Willen doch nicht im stande sind, – ein Geheimnis zu bewahren. Wenn Sie zu diesen gehören, mein lieber Fernow, so beendigen wir die Unterredung, und ich bitte, mir den Grafen Schuler zu rufen.«

»Wenn ich es aber vorzöge, selbst zu bleiben, Euer Hoheit?« entgegnete der junge Mann, indem er eine leichte Verbeugung machte und dabei die rechte Hand wie beteuernd auf die Brust legte. Zugleich aber schaute er dem Regenten so offen und ehrlich und mit so festem Blick in das Gesicht, daß dieser mit einem lächelnden Kopfnicken antwortete:

»So nehmen Sie meine Worte von vorhin als eine leichte Verwarnung, die sich ein älterer Mann einem jüngeren gegenüber wohl erlauben darf. – Hören Sie mich: Wie ich Ihnen schon andeutete, und wie Sie auch selbst wohl wissen, ist die Prinzessin Elise eine andere Natur als ihre Schwester. Mit unschätzbaren Eigenschaften des Geistes und auch des Herzens verbindet sie eine Lust zur Intrigue, die mich schon bittere Augenblicke gekostet hat. Statt einer Sache, die man nicht voraus berechnen kann, ihren Lauf zu lassen, interessiert sie sich schon beim Anfange so lebhaft für das Ende, damit dies nämlich sein möge, wie sie es wünscht, daß sie alle möglichen Mittel aufbietet, selbst das Schicksal in die Bahnen zu lenken, die sie demselben in ihrer Laune vorzeichnen möchte. Man könnte sagen: die Laune eines Weibes! und achselzuckend vorübergehen; aber die Kombinationen der Prinzessin, wenn auch auf falschem Wege, sind dabei so geistreich, daß man sie überwachen muß, um irgend ein Unglück oder wenigstens eine unsägliche Konfusion zu vermeiden. Sie kommt mir zuweilen vor wie einer jener alten Alchimisten, die, mit großen Kenntnissen ausgerüstet, alles daransetzen, den Stein der Weisen zu suchen, den sie freilich nie fanden, dagegen aber etwas anderes, irgend ein Fluidum oder ein Pulver zusammenstellten, dessen verheerende Wirkungen ihnen unbekannt waren und wodurch sie eben ihr eigenes Haus über ihren eigenen Köpfen zusammenstürzten. – Die Prinzessin kann den Gedanken nicht ertragen, daß die verwitwete Herzogin dem Lande möglicherweise eine Prinzessin schenken könnte. – Ich begreife wohl, daß sie einen Thronfolger wünscht, indem sie alsdann der Hoffnung lebt, bei der künftigen Regentschaft ein bedeutendes Wort mitsprechen zu dürfen.« Das sagte der Herzog mit einem sarkastischen Lächeln.

»Wir anderen Menschenkinder,« fuhr er fort, »müssen uns unter den Willen des Schicksals beugen, ein unruhiger Geist wie der der Prinzessin aber glaubt, wie ich Ihnen schon vorher andeutete, daß es Mittel und Wege gebe, selbst das unabänderliche Geschick ihrem Willen unterthan zu machen. Sie hat sich vorgenommen, es soll ein Prinz zur Welt kommen, und sie wäre im stande, sich mit Leuten einzulassen, die ihr begreiflich machten, man könnte ihren Willen auch in diesem Punkte durchsetzen. – Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen.«

»Ich fürchte fast, Euer Hoheit,« antwortete Herr von Fernow.

»Gott soll mich bewahren,«fuhr der Herzog mit großem Ernste fort, »daß ich die Prinzessin, die bei ihrem klaren Verstand ein sehr edles Herz hat, für fähig hielte, je etwas Derartiges gegen ihre eigene Familie zu unternehmen, aber leider liebt sie nun einmal, mit dem Feuer zu spielen; und wenn man ihr eine Intrigue zeigt, deren Gelingen fast unmöglich ist, so spornt sie das gerade an, die ersten einleitenden Fäden zu knüpfen, um sich selbst und anderen sagen zu können: Seht ihr, so könnte es gehen. Sie wird aber gleich darauf das ganze Gewebe zerreißen mit dem Zusatze: aber ich will nicht. – Es ist das ihre Manie. – Glauben Sie mir, lieber Fernow,« sagte der Regent zutraulicher, »daß aus demselben Grunde die Verbindung der schönen Ripperda mit dem Baron Rigoll angebahnt worden ist. Hätte man ihr nicht gesagt: Das ist ja unmöglich, eine solche Verbindung kann nie zu stande kommen, es ist völlig widersinnig, das Fräulein jung, unabhängig, reich und schön – «

»Ja, sehr schön,« seufzte der Offizier.

»Der Oberstjägermeister von allem das Gegenteil: liegt darin Verstand? Ich finde keinen.«

»Das weiß Gott.«

»Hätte sich nicht alle Welt dagegen erklärt, so würde sich die Prinzessin dieser fatalen Sache nicht mit ihrer unwiderstehlichen Leidenschaft angenommen haben. – Ja, recht fatal,« setzte er in sehr gütigem Tone hinzu; »und mir jetzt doppelt unangenehm, da ich einen kleinen Blick in Ihr Herz gethan, mein lieber Fernow. Ob da noch etwas zu machen ist, darüber kann ich nicht urteilen, da ich nicht weiß, wie genau Sie die junge Dame kennen. Rechnen Sie aber in jedem Verhältnisse auf meine Hilfe, soweit ich helfen kann.«

Der junge Offizier wollte mit beredten Worten seinen Dank aussprechen; doch unterbrach ihn der Regent schon beim ersten Satze, indem er fortfuhr:

»Kommen wir zu Ende. Daß es viele dergleichen Sachen gibt, wo ich die Herzogin nicht konterkarieren kann und mag, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Sie soll meinetwegen die einleitenden Schritte zu einem Versuche thun, dieses Schloß mit allem, was drinnen ist, mitten in die Stadt zu versetzen, und ich will ruhig zuschauen und dabei lächeln; dagegen ist es meine Pflicht, Fäden zu zerreißen, welche die Prinzessin unbesonnen zum Gelingen einer Sache anknüpft, an deren Ausgang sie selbst nicht glaubt, ein Ausgang, der sie selbst erschrecken, ja empören würde, wo sie sich aber von gewissenlosen Menschen raten läßt, die nur bezwecken, sie zu kompromittieren.«

»Wenn ich mir erlauben darf, zu fragen,« sprach Herr von Fernow, »so wissen Euer Hoheit um die angeknüpften Fäden?«

»Vollkommen.«

»Und kennen die Ratgeber?«

»Gewiß. – Baron Rigoll ist einer von denen, für die es, wenn man ihren Worten glauben will, keine Schwierigkeiten gibt. Und dem etwas in den Weg zu legen,« setzte der Regent lächelnd hinzu, »würde Ihnen wohl gerade nicht unangenehm sein. Bei allem dem gehört es mit zu der Art, wie die Prinzessin ihre Geschäfte besorgt, daß sie ihre sogenannten guten Freunde, die mit ihr an demselben Werke arbeiten, voneinander fern zu halten weiß, so daß der eine nie klar sehen kann, was der andere neben ihm thut. Einer ihrer schlimmsten Ratgeber ist jemand, der weder im Schlosse wohnt, noch Zutritt in demselben hat, den die Prinzessin nie oder höchst selten sieht, und der seine Botschaften auf die eigentümlichste Weise in ihre Appartements einzuschmuggeln versteht. – Auch darin findet die Prinzessin einen eigenen Reiz, ein Zeichen zu erspähen, irgend öffentlich eine Botschaft zu vernehmen, worin sich ein Satz befindet, der für sie eine ganz besondere Bedeutung hat. – Du lieber Gott! ich habe ihr selber oft den Gefallen erzeigt und in der Art mit ihr korrespondiert. – Doch das ist vorbei.«

Die letzten Worte sprach der Regent in fast trübem Tone, während er sich mit der Hand über die Augen strich.

Herr von Fernow hatte diese Bewegung kaum bemerkt, denn als der Regent von den geheimnisvollen Botschaften sprach, die von außen in das Schloß gelangen, fiel ihm mit einem Male die Geschichte mit dem Bouquet vor der Tafel ein.

»Früher,« fuhr der Regent fort, »habe ich mich, wie gesagt, wenig um dergleichen geheimnisvolle Winke oder Worte bekümmert; der vorliegende Fall dagegen bedingt das anders, und ich muß wissen, was hin und her korrespondiert wird. – heute vor der Tafel – «

»Ah!« stieß der junge Offizier in so ausdrucksvollem Tone heraus, daß ihn der Regent fragend ansah und ihn, als er ehrerbietig schweigen wollte, durch eine Handbewegung zum Sprechen aufforderte.


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