F. W. Hackländer
Der Augenblick des Glücks – Aus den Memoiren eines fürstlichen Hofes
F. W. Hackländer

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»Ich verstehe Euer Exzellenz in der That nicht.«

»Es ist aber nicht schwer, mich zu verstehen. Wie schon bemerkt, – Sie waren klug genug, sich hier in die Einsamkeit zurückzuziehen, und sind so dem Netze entgangen, welches man im Begriffe stand, über Sie zu werfen. Ich dagegen zapple darin wie eine gefangene Fliege.« Seine Exzellenz machte in der That bei dieser Bemerkung ähnliche krampfhafte Bewegungen, wie man sie wohl bei einem gefangenen unglücklichen Geschöpf der eben erwähnten Art sieht.

»Darf ich Sie wohl bitten, mir durch Ihren Kammerdiener das Paketchen herbringen zu lassen, das ich ihm vorhin übergeben?« sagte die Exzellenz und fuhr alsdann fort, nachdem Herr von Wenden achselzuckend die Klingel gezogen und ihn mit unverkennbarem Erstaunen, fast mit Schrecken anstarrte: »Glauben Sie mir, lieber Freund, drüben im Schlosse sind alle zehntausend Teufel los.«

Der Kammerherr deutete pantomimisch an, indem er die Augen weit aufriß und seine Hände von sich abstreckte: Sie sehen meine Überraschung.

»Ich versichere Sie, lieber Wenden, es war der klügste Streich Ihres Lebens, sich in Zimmerarrest setzen zu lassen. Hätte ich das vor acht Tagen nur auch gethan! O, über die intriganten Weiber! Sie wissen, weshalb ich an die Prinzessin gefesselt bin. Meine Verlobung mit Fräulein von Ripperda ist ausgesprochen, ich interessiere mich lebhaft für das schöne Mädchen; es wird mich auch glücklich machen, sie zu heiraten, und ich will und kann nicht anders. Denn wenn ich selbst jetzt zurückträte, so würde sich doch die ganze Welt hohnlachend über den schönen Korb freuen, den der ältere Baron Rigoll von dem jüngeren Fräulein von Ripperda erhalten.« Hierbei sandte er einen Blick in den Spiegel, und da er mit seinen Betrachtungen nicht sehr zufrieden zu sein schien, so warf er sich unmutig in seinen Fauteuil. Der Kammerdiener hatte unterdessen das bewußte Paketchen gebracht, Seine Exzellenz riß hastig Papier und Bindfaden ab und reichte von zwei Porträts, die darin waren, eines dem Kammerherrn, ohne es anzusehen.

»Eine Photographie von Ihnen? Vortrefflich gemacht!« sagte Herr von Wenden.

»Ah! Ich gab Ihnen das falsche!« rief der Oberstjägermeister. »Nehmen Sie dies da. Kennen Sie die Person?«

Der Kammerherr betrachtete lange und aufmerksam das Bildnis. Dann bedeckte er die Augen mit der Hand und dachte nach. »Gesehen habe ich diesen Kopf,« sprach er nach einer Pause, »aber ich weiß nicht, ob die Person selber, oder ebenfalls nur ein Bildnis von ihr.«

»Vielleicht beides; erinnern Sie sich.«

Herr von Wenden sah den Oberstjägermeister mit einem eigentümlichen Blick an, doch bemerkte man wohl an seinen Augen, daß er in seinem Gedächtnis wühlte. »Ja, ja,« sprach er alsdann, »das Gesicht ist mir bekannt. Ich meine, ich hätte es kürzlich gesehen.«

Seine Exzellenz nickte mit dem Kopfe.

»Wenn ich aber diesem Kopfe in meinen Gedanken ein Tuch gebe, wie es die Beduinen auf ihren Ritten in der Wüste zu tragen pflegen, und mir statt des Paletots einen Burnus denke – – – – Alle Teufel! ja, ich hab's.« Bei diesen Worten eilte er an seinen Bücherschrank, öffnete ihn hastig, zog ein sehr elegant gebundenes Buch hervor und hielt das Porträt in demselben dem Oberstjägermeister vor die Augen. – Dieser nickte abermals und sehr verdrießlich mit dem Kopfe.

»Herzog Alfred von D•.,« rief der Kammerherr im Tone der höchsten Überraschung, »und er ist hier in der Residenz, ich sah ihn kürzlich in – wo war es doch – in irgend einer Gesellschaft.«

»O, in der besten von der Welt. Der Herzog war – hier in diesem Zimmer, auf demselben Fauteuil, wo ich jetzt zu sitzen die Ehre habe.«

»Graf Hohenberg?«

»Graf Hohenberg.« – Einen Augenblick sahen sich die beiden forschend an. Ihre Gedanken konnten sich unmöglich vereinigen. Auf dem Gesichte des Kammerherrn bemerkte man deutlich, daß er in Vermutungen umhertappe, in den Blicken der Exzellenz dagegen lag eine unheimliche Ruhe, die verriet, er wisse vollkommen, um was es sich handle, und er schweige vielleicht nur aus Schonung, um den anderen nicht plötzlich zu erschrecken.

»Aber um Gotteswillen, Exzellenz, was hat es zu bedeuten, daß sich der Herzog so inkognito bei uns aufhält? Denn, daß man bei Hofe von seiner Anwesenheit nichts weiß, liegt auf flacher Hand. – Sie lächeln so sonderbar. Wüßte man doch etwas davon, und hätte Ursache, es zu verheimlichen?«

»Daß Personen vom Hofe um dieses in der That gefährliche Geheimnis wissen, beweisen wir beide. Wir gehören ja auch zum Hof.«

»Ich muß recht sehr bitten, Exzellenz. Ich erfahre soeben die ersten Andeutungen darüber.«

»Weil Sie sich schlauerweise auf die Krankenliste setzen ließen.«

»Das also hängt mit jenem Papierstreifen zusammen?« fragte der Kammerherr in höchster Spannung.

»So ist es.«

»Also, um da zu irgend etwas mitzuhelfen, irgend welche Instruktionen zu empfangen, sollte ich an jenem verhängnisvollen Abend die bewußte Audienz haben?«

»Die Sie durch Ihren Freund, Herrn von Fernow, vereiteln ließen. O, Sie haben das schlau angefangen, bewunderungswürdig fein.«

»Aber ich versichere, daß es mir ein wahres Glück wäre, der durchlauchtigen Prinzessin Elise mich und meine Dienste unbedingt und unbeschränkt anbieten zu können.«

»Und das sagen Sie mir?« rief der Oberstjägermeister, »mir, den Sie in diesem Augenblick fast darüber in Verzweiflung sehen, daß ich mich, verzeihen Sie mir den Ausdruck, der Prinzessin mit Leib und Seele übergeben habe?« Er war bei diesen Worten in die Höhe gesprungen und griff mit seinen Fingern zwischen die Halsbinde, wie jemand, dem es zu warm wird.

Obgleich sich der Kammerherr bemühte, ein recht gescheites Gesicht zu machen, so mußte er sich doch gestehen, daß es der Situation angemessener gewesen wäre, recht dumm auszusehen; denn er verstand durchaus nichts von den Verlegenheiten des Oberstjägermeisters, wenn sich auch unzählige Vermutungen in seinem Kopfe kreuzten.

Seine Exzellenz hatte sich wie ermattet in den Fauteuil zurückgelehnt; sie faltete ihre Finger zusammen und ließ die Daumen beider Hände umeinander herumspazieren. »Da ich fest auf Sie vertraue,« sagte Rigoll nach einer Pause, »und da ich eine Hilfe vielleicht notwendig brauche, so will ich Ihnen die ganze Geschichte mitteilen. Aber, lieber Wenden, es ist eine Sache, die, auf unrechte Art am unrechten Orte hinterbracht, ganz eigentümliche Folgen haben kann.«

»Für Sie, Exzellenz?«

»Ja. Eigentlich für jeden, der damit zu thun hat.«

»Da könnte sich also meine Krankheit ins Unendliche verlängern, ja, am Ende gar zu einem chronischen Übel werden.«

»Machen Sie keinen Scherz. Gerade Ihre so außerordentlich apropos eingetretene Krankheit überzeugt mich, mit welcher Gewandtheit Sie unsere Sache behandeln werden. Wenn man sich in die Intriguen einer Dame wie die Prinzessin Elise einläßt, so spielt man va banque.«

»Spielen wir,« sagte entschlossen der Kammerherr. »Wie ich an Euer Exzellenz gesehen habe, ist Ihnen schon vor Beendigung des Spiels ein wunderbarer Treffer zugefallen. Vielleicht bin ich auch so glücklich.«

Der Oberstjägermeister unterdrückte einen leichten Seufzer. »Daß der Herzog also hier ist, wissen Sie. Ich habe ihn früher sehr gut gekannt, daher suchte man auch gerade mich aus zu der höchst gefährlichen Kommission.«


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