Herman Grimm
Das Leben Michelangelos
Herman Grimm

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II

Giulio drängte zu sofortiger Abreise nach Carrara. Michelangelo erhielt eine Anweisung auf tausend Dukaten an ein Florentiner Haus und verließ Rom.

Carrara liegt im nördlichen Teile von Toskana an der Grenze des genuesischen Gebietes, wo die Apenninen dicht an das Ufer des tyrrhenischen Meeres stoßen, nicht weit davon Sarzana und Pietrasanta. Acht Monate blieb Michelangelo in den Steinbrüchen dort. Er hatte zwei Diener und ein Gespann Pferde bei sich. Zwei von den an die Säulen angefesselten Gestalten ließ er dort schon im Groben zuhauen, der übrige Marmor wurde in Blöcken fortgeschafft. Der Kontrakt mit Schiffseigentümern aus Lavagna, einem nördlich gelegenen genuesischen Küstenstädtchen, lautet vom 12. November 1505. Für zweiundzwanzig Golddukaten übernehmen es die Leute, den Marmor nach Rom zu schaffen. Einen Teil der Steine schickte Michelangelo jedoch nach Florenz, wo die Arbeit bequemer und billiger zu haben war. Auch bei diesen ließ sich der Transport bis an Ort und Stelle zu Wasser bewerkstelligen.

Als er im Januar 1506 in Rom wieder ankam, lag ein Teil seiner Blöcke schon am Tiberufer; dennoch ging es schlecht mit dem Transport der übrigen, wie ein am letzten des Monats an seinen Vater geschriebener Brief zeigt. »Hier würde ich ganz zufrieden sein«, heißt es darin, »wenn nur mein Marmor kommen wollte. Ich habe Unglück bei der Sache, nicht zwei Tage, so lange ich wieder hier bin, ist gutes Wetter gewesen. Vor einigen Tagen wäre eine Barke, die gerade ankam, um ein Haar zugrunde gegangen. Als darauf bei schlechtem Wetter die Blöcke ans Land geschafft waren, trat der Fluß über und setzte sie unter Wasser, so daß ich bis heute noch nichts habe tun können. Den Papst muß ich durch Redensarten hinzuhalten suchen, damit ihm nicht die gute Laune ausgeht. Hoffentlich ist bald alles in Ordnung, und ich kann einen Anfang machen mit der Arbeit. Gott gebe es.«

»Nehmt alle meine Zeichnungen«, fährt er fort, »das heißt die Blätter, die ich in den Sack zusammenpackte, von dem ich euch sagte; macht ein Paket daraus und schickt es mir durch einen Fuhrmann. Aber verwahrt es gut, damit die Feuchtigkeit keinen Schaden tut, und paßt auf, daß auch nicht das kleinste Blättchen davon fortkomme, bindet es dem Fuhrmann auf die Seele, denn es sind Sachen von großer Wichtigkeit für mich dabei. Schreibt auch, durch wen ihr es schickt und was ich dem Manne zu zahlen habe. Michele (wahrscheinlich einer von den Arbeitern für das Denkmal) hatte ich brieflich gebeten, meine Kiste an einen sichern und bedeckten Ort zu schaffen und dann hierher nach Rom zu kommen und mich unter keinen Umständen im Stiche zu lassen. Ich weiß nicht, was darauf geschehen ist, bitte, erinnert ihn daran, und überhaupt, darum bitte ich besonders, laßt euch zwei Dinge recht sehr angelegen sein: einmal, daß die Kiste ganz sicher stehe, und zweitens, daß ihr meine Madonna von Marmor zu euch ins Haus schaffen laßt und daß sie kein Mensch zu sehen bekommt. Ich schicke kein Geld mit für die Auslagen, weil sie nur unbedeutend sein können. Aber selbst wenn ihr es borgen müßtet, nur recht schnell. Sobald mein Marmor hier ist, bekommt ihr Geld für alles.

Bittet Gott, daß meine Angelegenheiten hier günstigen Verlauf nehmen, und legt, wenn es irgend möglich ist, bis zu 1000 Dukaten in Ländereien an, wie wir ausgemacht haben.«

Wir sehen, wie er von seinem Gelde gleich eine bedeutende Summe dem Vater in die Hände gibt.

Mit dem Marmor scheint es bald besser gegangen zu sein. Michelangelo ließ die Steine auf den Platz vor der Basilika von Sankt Peter hinter Santa Caterina bringen, wo er wohnte. Ganz Rom staunte die Blöcke an, die den Platz bedeckten, vor allem aber hatte der Papst seine Freude daran, die er Michelangelo durch herablassende Vertraulichkeit zu erkennen gab. Oft besuchte er ihn in seiner Werkstätte, saß dort bei ihm und besprach die Arbeit oder andere Dinge; endlich, um es bequemer zu haben, ließ er vom Palaste, der in der Nähe lag, einen Gang mit einer Zugbrücke einrichten und kam so zu ihm, ohne daß es jemand gewahr ward.

Wenn irgendein Geist damals in Italien den hohen Gedanken gewachsen war, welche Giulio hegte, so war es Michelangelo. Was er wollte, ging noch über die Peterskirche hinaus. Er hätte ganze Gebirge zu Kunstwerken umgestaltet, wenn ihm freie Hand gelassen worden wäre. Einen Felsen, der bei Carrara am Ufer sich erhebend fern auf dem Meere sichtbar blieb, wollte er in einen Koloß umwandeln, der den Schiffern als Wahrzeichen dienen sollte. Von da war es nicht mehr weit zu Gedanken, wie sie ein griechischer Künstler hegte, der einen Berg in eine Statue Alexanders des Großen verwandeln wollte, die in der Hand eine Stadt hielte.

Michelangelo galt damals für den ersten Bildhauer in Rom. Nur einen Nebenbuhler finden wir genannt, Cristoforo Romano, ein Künstler, der, wenn er nicht zufällig noch an anderer Stelle erwähnt würde (im Cortigiano des Grafen Castiglione, wo er zu der in Urbino versammelten geistreichen Gesellschaft gehört, aus deren Gesprächen das Buch besteht), in der Kunstgeschichte längst verloren und vergessen wäre, denn das Grabmal der Visconti in der Certosa zu Pavia, an dem sich sein Name befindet, wird ihm trotzdem kaum zugeschrieben. Zugleich mit Michelangelo aber kommt er jetzt in einem Briefe vor, den Cesare Trivulzio aus Rom an Pomponio Trivulzio über den neuesten antiquarischen Fund, die Entdeckung des Laokoon schrieb.

Im Frühling 1506 wurde die berühmte Gruppe in den Ruinen des Tituspalastes vom Eigentümer des Platzes, einem römischen Bürger, entdeckt. Sie steckte noch im Boden drin, als der Fund schon dem Papste gemeldet ward. Dieser schickt zu Giuliano di Sangallo, er möge gehen und nachsehen, was es gäbe. Francesco, der Sohn Giulianos, erzählt es. »Michelangelo«, sagt er, »der fast immer bei uns im Hause war (mein Vater hatte ihn kommen lassen und ihm die Bestellung des Grabmals verschafft), war gerade da. Mein Vater bat ihn mitzugehen, und so machten wir uns alle drei, ich auf dem Rücken meines Vaters, auf den Weg. Als wir herunterstiegen, wo die Statue lag, sagte mein Vater sogleich, das ist der Laokoon, von dem Plinius spricht. Man erweiterte nun die Öffnung, so daß er herausgeholt werden konnte. Nachdem wir ihn dann betrachtet, gingen wir nach Hause und frühstückten.«

Der Eigentümer der Figur will das Werk an einen Kardinal verkaufen, für 500 Scudi, als der Papst dazwischentritt, den Preis zahlt und im Belvedere eine »Art Kapelle« für die Gruppe einrichten läßt. Nun soll erprobt werden, ob Plinius' Behauptung, daß die Gruppe aus einem einzigen Stücke gearbeitet sei, mit der Wahrheit stimme. Cristoforo Romano und Michelangelo, die »ersten Bildhauer in Rom«, werden herbeigeholt. Sie erklären, daß die Gruppe aus mehreren Stücken bestände und zeigen vier Nähte, die aber so fein versteckt sind und deren Verkittung sich als eine so ausgezeichnete erweist, daß Plinius, als in verzeihlichem Irrtum befangen, freigesprochen wird, es sei denn, daß er absichtlich die Unwahrheit gesagt habe, um das Werk berühmter zu machen.

Der Laokoon bewegte ganz Rom damals. Beigelegt waren dem Briefe die Verse, die von den ersten Gelehrten zum Lobe der Gruppe gemacht wurden, von Sadolet, Beroalda und Jacopo Sincero. Von einem dieser Gedichte sagt Trivulzio, es sei so vortrefflich, daß man, wenn man es gelesen hätte, den Anblick der Arbeit selbst entbehren könne. Wahrscheinlich meinte er die (in einer Anmerkung zu Lessings Laokoon am bequemsten abgedruckte) poetische Beschreibung des Werkes von Sadolet, zu deren Ruhme Lessing zufällig auch sagt, daß sie die Stelle einer Abbildung vertreten könnte.

Heute liegt neben der Gruppe, wie sie neu restauriert im Vatikan steht, ein im Groben zugehauener Arm mit Schlangen, von dem gesagt wird, daß er ein Werk Michelangelos sei, und der, was die Bewegung anlangt, richtiger ist als der, welcher aus anderer Hand der Schulter des Laokoon angesetzt worden ist. Allein, da sich dieser Versuch Michelangelos nirgends erwähnt findet, so bleibe die Wahrheit der Angabe dahingestellt. Rührt der Arm von ihm her, so müßte er in viel späterer Zeit entstanden sein.

Mitten in der Blüte seiner Gunst bei Giulio kam nun jedoch ein plötzlicher Abbruch dieser Verbindung. War es Bramante gelungen, über Giuliano di Sangallo beim Bau der Peterskirche den Sieg davonzutragen, so sollte nun auch Sangallos Günstling, Michelangelo, aus der schon begonnenen Arbeit herausgedrängt werden. Von zwei Seiten her wurde der Papst darauf hin bearbeitet, und in beiden Richtungen gelang der Plan.

Man leitete Giulio die Meinung zu, daß es von übler Vorbedeutung sei, sich bei eignen Lebzeiten ein Grabmonument aufzurichten. Schon im Herbste 1505 muß Michelangelo Zeichen eines möglichen Sinneswechsels beim Papst beobachtet haben. Indem Kontrakte vom 10. Dezember, worin er die Überführung von Marmorblöcken aus Carrara nach Rom stipuliert, wird der doppelte Fall vorgesehen: einmal, daß der Papst nicht leben bliebe, oder, daß er zwar leben bliebe, das Grabmonument aber nicht errichten ließe. Mit der Vorsicht, welche wir in allem Geschäftlichen bei Michelangelo beobachten, hatte er, falls das eine oder andere einträte, den Kontrakt im voraus für ungültig erklären lassen.

Als im Frühjahr 1506 die Blöcke nun ankamen, sollte sich zeigen, ob die Abkühlung des Eifers, mit welchen Giulio die Unternehmung zuerst betrieben hatte, weitere Fortschritte gemacht. Die Barken mit dem neuen Marmor legten an, Michelangelo war zur Stelle, er brauchte Geld, um die Schiffer zu bezahlen. Der Papst hatte zu mehrerer Bequemlichkeit angeordnet, daß Michelangelo jederzeit unangemeldet vorgelassen würde. Jetzt aber macht man ihm Schwierigkeiten, und als er den Einlaß durchgesetzt, empfängt er dennoch kein Geld. Er war gezwungen, sich an Jacopo Galli zu wenden, der ihm die hundertundfünfzig bis zweihundert Dukaten vorschoß, deren er benötigt war.

Nun stellten sich die Marmorarbeiter ein, die er in Florenz gemietet hatte. Er brachte sie in seinem Hause unter, die Arbeit sollte vorwärts gehen, aber Giulio war wie verwandelt, er drängte nicht mehr, noch wollte er Geld geben. Dagegen kam er mit einem ganz neuen Plane zum Vorschein: Michelangelo sollte die Wölbung der Sixtinischen Kapelle, so genannt, weil Papst Sixtus, Giulios Oheim, sie (1473) gebaut hatte, mit den noch mangelnden Gemälden versehen.

Denn daß damals irgendeine Wand, welche Raum für Malerei bot, ungemalt geblieben wäre, war nicht denkbar.

Bramante wollte Michelangelo mit seinem Grabdenkmale auf diesem Wege aus der Peterskirche herausschaffen und ihn zugleich auf ein Feld locken, auf dem seine Erfolge zweifelhaft wären.

Und so kam es denn wirklich zu der Szene, welche Michelangelos Feinde zwischen ihm und dem Papste herbeiführen wollten. An einem Sonnabend, Ende April, als der Papst, während er sein Mittagessen einnahm, mit allerlei Leuten laufende Geschäfte besprach, hörte ihn Michelangelo zu einem anwesenden Goldarbeiter sagen, er habe keine Lust mehr, auch nur einen Pfennig für Steine auszugeben, weder für kleine noch für große. Michelangelo, der dabei stand, wußte sofort, was Giulio ihm hatte zu verstehen geben wollen, und als er mit dem eigenen Anliegen selber nun an die Reihe kam und Geld für seine Arbeiter verlangte, hieß es nun, er möge Montag wiederkommen.

»Und nun«, wie es in dem Briefe heißt, in welchem er kurz darauf seine Erlebnisse beschrieb, »kam ich am Montag wieder, und kam Dienstag und Donnerstag, wie der Papst recht gut wußte, und endlich, am Freitage wurde ich fortgewiesen, d. h. herausgeworfen.«

Wie es bei dieser letzten Audienz am Freitage zuging, hat Michelangelo mehr als einmal erzählt. Er hat es Condivi diktiert und es beinahe mit denselben Worten in einem seiner Briefe wiederholt, man fühlt aus dem Tone, in dem er redet, wie sich das Erlebnis für alle Zeiten in sein Gedächtnis eingestempelt hatte. In anderen Briefen, wo er bei weiten dazwischen liegenden Zeiträumen auf die damals erlittene Schmach zurückkommt, wechselt er mit Einzelheiten, läßt fort, setzt zu, wie ihm im Momente die Phantasie das Geschehene ins Gedächtnis zurückruft. Wir sehen, daß er die Dinge nicht vergessen konnte und wie sie immer anders gewandt in seiner Erinnerung sich herumwälzen.

Michelangelo will in den Palast eintreten, als einer von den Diensthabenden ihn zurückweist. Ein hoher Geistlicher, welcher zugegen ist, fährt den Mann an, ob er nicht wisse, wer Michelangelo sei. »Gewiß weiß ich es«, antwortete er, »aber mein Dienst ist, auszuführen, was mir befohlen wird und nicht weiter nachzufragen, warum?« »Nun«, ruft Michelangelo aus, »so sagt dem Papste, wenn er mich in Zukunft brauche, möge er mich suchen, wo ich zu finden bin.« Dreht um, geht nach Hause, befiehlt den beiden Dienern, die er hatte, seine Habseligkeiten zu verkaufen und ihm dann nachzukommen, setzt sich zu Pferde und reitet ohne Aufenthalt, bis er auf florentinischem Gebiete ist.

Hier erreichen ihn die Leute, die von Rom aus hinter ihm drein geschickt worden sind. Sie sollten ihn mit Gewalt wiederbringen; in Poggibonsi aber, wo sie jetzt mit ihm unterhandelten, durften sie sich nichts herausnehmen. Michelangelo war florentinischer Bürger und droht, sie niederhauen zu lassen, wenn sie ihn anrührten. Sie legen sich aufs Bitten, erreichen aber nichts, als daß er den Brief des Papstes schriftlich beantwortet, damit sie selber sich mit der Unmöglichkeit entschuldigen könnten. Der Papst hatte geschrieben, angesichts dieses solle er sich auf der Stelle nach Rom zurückverfügen oder seiner Ungnade gewärtig sein. Michelangelo erwiderte, er werde nun und nimmermehr zurückkehren; er habe für die guten und treuen Dienste, die er geleistet, einen solchen Umschlag nicht verdient, wie ein Verbrecher Seiner Heiligkeit aus dem Angesicht gejagt zu werden, und da Seiner Heiligkeit an der Ausführung des Grabmonuments nichts mehr gelegen sei, so betrachte er auch sich als seiner Verpflichtungen entbunden und habe keine Lust, andere einzugehen. Hiermit entläßt er die Leute Giulios und geht nach Florenz.

Von hier aus schreibt er jetzt, den zweiten Mai, jenen Brief an Giuliano di Sangallo, von dem ein Stück oben mitgeteilt worden ist. Es habe sich ihm, heißt es weiter darin, das Gefühl aufgedrängt, nicht um das Grabmal des Papstes als vielmehr um sein eignes Grab werde es sich bald handeln, wenn er länger in Rom bleibe. Ihm seien, als man ihm so den Palast verboten, jene Worte wieder eingefallen, welche der Papst, die großen und die kleinen Steine betreffend, eine Woche früher getan, und es habe sich Verzweiflung seiner bemächtigt. Übrigens sei noch etwas anderes an seinem plötzlichen Verschwinden schuld, worüber er sich schriftlich nicht aussprechen wolle.

»Jetzt nun«, fährt Michelangelo fort, »schreibt Ihr mir im Namen des Papstes, und somit bitte ich, auch diese meine Antwort dem Papste vorzulegen: möge Seiner Heiligkeit überzeugt sein, daß ich den besten Willen habe, das Grabmal weiterzuführen, besseren Willen als jemals, aber daß, wenn der Papst es aufzurichten wahr- und wahrhaftig im Sinne hat, es ihm ja gleichgültig sein kann, an welcher Stelle ich dafür arbeite. Die Hauptsache ist, daß es in fünf Jahren fertig aufgemauert dastehe, im Sankt Peter, wo es dem Papst am besten gefällt, und daß es schön sei. Was dies anlangt, gebe ich mein Versprechen: es wird in der ganzen Welt nichts sein, was dagegen aufkommt.«

»Nun aber, wenn Seine Heiligkeit in der Sache weitergehen will, so mögen die nötigen Gelder hier in Florenz angewiesen werden, mir steht in Carrara genügender Marmor zur Verfügung, den ich zu meinem bereits vorhandenen Vorrat hierher dirigieren lasse und Seiner Heiligkeit gutschreibe, ganz abgesehen, ob ich Schaden dabei habe oder nicht; was dann an Arbeit für das Grabmal fertig wird, sende ich Stück auf Stück ein, und Seine Heiligkeit hätte ihre Freude daran, gerade so, als wenn ich selber in Rom wäre, oder vielmehr besser so, denn Seine Heiligkeit sähe, was fertig dasteht, und hätte weiter keinen Ärger davon. Was das deponierte Geld und das Grabmal überhaupt anlangt, so würde ich ganz nach Seiner Heiligkeit Befehl jede irgend erforderliche Garantie stellen: ganz Florenz würde dafür einstehen. Noch eins: käme in Betracht, daß die Unternehmung für Rom zu teuer wäre, so würde sie das für Florenz nicht sein, da mir alles hier viel bequemer liegt; ja ich würde hier besser und lieber arbeiten, da mir nicht soviel dabei zur Last läge. Und somit, teuerster Giuliano, laßt mich, bitte, recht bald günstige Antwort hören.«

So einfach, wie Michelangelo diesem Briefe zufolge glaubte oder zu glauben vorgab, standen die Dinge in Rom jedoch nicht. Offenbar gingen viele Botschaften hin und her, von denen wir nichts mehr besitzen. Nur ein Brief ist noch erhalten, welcher eine Woche nach dem eben mitgeteilten aus Rom nach Florenz geschrieben wurde von der Hand eines derjenigen, die im Vatikan Michelangelos Sache vertraten. Hier lesen wir:

»Teuerster Freund und Bruder. Viele Grüße und Empfehlungen zuvor. Ich und Bramante hatten letzten Sonnabend dem Papste bei Tafel über allerlei Zeichnungen Vortrag zu halten; erst ich, und nach Tische wurde Bramante gerufen, und der Papst sagte ihm: morgen geht der Sangallo nach Florenz und bringt Michelangelo wieder mit. Und Bramante sagte: heiligster Vater, Sangallo wird sich hüten, ich kenne Michelangelo aus Erfahrung, er hat mehr als einmal gesagt, er denke nicht daran, die Kapelle zu malen; Eure Heiligkeit wollten es ihm zwar aufbürden, er jedoch werde sich auf keine andere Arbeit einlassen als auf das Grabmal. Und weiter sagte Bramante: heiligster Vater, ich glaube, er getraut es sich nicht, denn es müssen da Figuren gemalt werden, die man aus der Tiefe sieht und wo viel Verkürzungen vorkommen, das ist etwas anderes, als unten zu malen. Darauf sagte der Papst: kommt er nicht, so tut er mir einen Schimpf an, und deshalb glaube ich, daß er unter allen Umständen kommen wird. Jetzt zeigte ich, daß ich auch da sei, und nannte Bramante vor dem Papste einen Schurken, etwa wie Ihr gesprochen haben würdet, wenn Ihr statt meiner dagestanden hättet, und Bramante war so auf den Mund geschlagen, daß er still schwieg, weil er einsah, daß er schlecht gesprochen hatte. Endlich sagte er: heiliger Vater, der da hat nie mit Michelangelo über diese Dinge verhandelt, und wenn ich die Unwahrheit gesagt habe, so laßt mir den Kopf vor die Füße legen; ich bleibe dabei, daß der da niemals mit Michelangelo darüber gesprochen hat; freilich, wenn Eure Heiligkeit den Willen dransetzt, wird er schon wiederkommen. Damit hatte die Sache ein Ende, und weiter ist nichts mitzuteilen. Gott sei mit Euch. Kann ich etwas für Euch tun, so laßt es mich wissen, ich will es gern tun. Meine Empfehlungen an Simone Pollaiuolo.«

Wir sehen, daß der Hauptanstoß immer noch in dem Willen des Papstes lag, lieber die Kapelle malen zu lassen, als das Grabmal aufzurichten, und zugleich, daß die Ausmalung der Kapelle erst nach Michelangelos Abreise offen aufs Tapet gebracht worden war, sonst würde sich Michelangelo über diesen Punkt Sangallo gegenüber deutlicher ausgesprochen haben. Vielleicht aber auch sollte dem Papste dadurch angedeutet werden, diese Malerei liege ihm so fern, daß er darüber gar nicht verhandeln wolle. Aus einem Schreiben eines anderen Florentiners an Michelangelo, welches zu gleicher Zeit mit diesem Briefe aus Rom an ihn gelangt sein muß, ersehen wir, wie Sangallo dafür einstand, der Papst wolle das Grabmal weiterführen, und Michelangelo werde bald wieder da sein.

Dieser indessen hatte in Florenz sofort wieder zu arbeiten begonnen.

Zu tun fand er genug; der Karton nahm die erste Stelle ein. Kaum hatte er angefangen, als ein Schreiben des Papstes an die Regierung einlief »Geliebte Söhne«, redet Giulio die Signoren an, »alles Heil und meinen apostolischen Segen zuvor. Michelangelo, der Bildhauer, der uns leichtsinniger und unbedachtsamer Weise verlassen hat, fürchtet sich, wie wir hören, zurückzukehren. Wir hegen keinen Zorn gegen denselben, da wir die Manieren dieser Art Menschen kennen. Damit er jedoch jeglichen Verdacht fahren lasse, erinnern wir euch an eure uns schuldige Ergebenheit und fordern euch auf, ihm in unserem Namen das Versprechen zu geben, daß, wenn er zu uns zurückkehren wolle, er frei und ungefährdet kommen könne und daß wir ihn mit derselben Gnade aufnehmen werden, die ihm vor seinem Fortgehen von uns zuteil ward. Rom am 8. Juli 1506, unserer Regierung im Dritten.«

Soderini antwortete darauf, Michelangelo sei dermaßen in Furcht gesetzt, daß es trotz der im Briefe enthaltenen Zusicherungen einer besonderen Erklärung Seiner Heiligkeit bedürfe, daß er sicher und unverletzt bleiben werde. Er habe alles bei ihm versucht, um ihn zur Rückkehr zu bewegen, und setze diese Versuche noch immer fort, allein er wisse zu gut, daß, wenn man mit Michelangelo nicht ganz sanft umginge, dieser die Flucht ergreifen würde. Zweimal sei er bereits nahe daran gewesen.

Man denke hier nicht an das, was bei uns gewöhnlich Furcht genannt wird, wenn Soderini Michelangelo impaurito, von Furcht erfüllt nennt. Dieser hatte volle Ursache dem Papste nicht zu trauen. Solche Versprechungen, ja die heiligsten Schwüre auf Ehre und Gewissen waren die gewöhnliche Kriegslist, diejenigen, deren man habhaft werden wollte, in die Falle zu locken. Giulio hatte zu vielen gegenüber öffentlich bewiesen, was auf seine Beteuerungen zu geben sei, Michelangelo folgte den einfachsten Regeln der Klugheit, wenn er der milden Sprache nicht traute. Ein zweites Schreiben von Rom lief ein. Soderini ließ ihn zu sich kommen. »Du bist mit dem Papst auf eine Weise umgegangen, wie es der König von Frankreich nicht gewagt haben würde! Es hat ein Ende jetzt mit dem Sichbittenlassen! Wir wollen deinetwegen keinen Krieg anfangen und das Wohl des Staates aufs Spiel setzen. Richte dich ein, nach Rom zurückzukehren!«

Michelangelo dachte, als die Sache diese Wendung nahm, ernsthaft an Flucht. Der Sultan, zu dem sein Ruf gedrungen war, hatte ihm Anerbietungen machen lassen. Er sollte ihm eine Brücke von Konstantinopel nach Pera bauen. Ein Franziskanermönch machte den Unterhändler bei dieser Berufung. Die Florentiner standen seit der Eroberung von Byzanz mit den Sultanen im besten Einvernehmen. Ohne eigene Flotte und Politik in der Levante, flößten sie, anders als die Genuesen und Venezianer, kein Mißtrauen ein; dadurch aber, daß sie obendrein zu gelegener Zeit die Pläne dieser beiden Nebenbuhler verrieten, hatten sie sich Vertrauen erworben. Eine große Anzahl florentinischer Häuser war in Konstantinopel etabliert und der Verkehr zwischen Florenz und dort ein lebhafter. Öfter schon waren italienische Meister so berufen worden. Michelangelo hätte Beschäftigung, Gunst und Freunde gefunden.

Der Gonfalonier berichtete nach Rom, daß nichts mit ihm anzufangen sei. Der Papst müsse feste Garantien bieten, sonst käme er ihm nicht. Doch werde er noch einmal mit ihm sprechen, da die launenhafte Natur des Mannes vielleicht eine Änderung seiner Entschlüsse hoffen lasse.

Guilios dritter Brief scheint enthalten zu haben, was man wünschte. Soderini hörte nun auch von Michelangelos türkischer Reise. Er stellte ihm vor, wie viel besser es sei, nach Rom zu gehen, wäre es auch, um dort zu sterben, als beim Sultan sein Leben zu verbringen. Aber er brauche nichts zu besorgen. Der Papst sei milde von Natur, er verlange ihn zurück, weil er ihm wohlwolle, und wenn er allen Versicherungen keinen Glauben schenke, werde ihn die Regierung in der Eigenschaft ihres Gesandten reisen lassen. Wer ihm dann etwas zuleide täte, der habe die florentinische Republik in eigner Person beleidigt. Da Michelangelo seiner Geburt und seinem Alter nach längst Mitglied des Consiglio grande war und als solches zu jedem Staatsamte die Fähigkeit besaß, so erscheint Soderinis Vorschlag durchaus praktisch. Man würde heute vielleicht einen angesehenen Mann in ähnlicher Weise einer auswärtigen Gesandtschaft zuordnen.

Michelangelo ging darauf ein. Die Regierung gab ihm ein besonderes Empfehlungsschreiben an den Kardinal von Pavia, des Papstes Günstling, mit, durch den die Verhandlungen seinetwegen vorzugsweise geführt worden waren. In diesem Briefe steht allerdings nichts davon, daß er als Gesandter komme, allein da er nur des Namens wegen zum ambasciadore ernannt werden sollte, so ist dies kein Beweis dagegen, daß ihm überhaupt diese Eigenschaft beigelegt worden sei. Datiert ist der Brief vom 21. August 1506; allein schon am 27. hatte der Papst Rom verlassen, um den Krieg zu beginnen, welcher der Anfang der Kämpfe war, in denen er seine alte kriegerische Laufbahn mit all der Energie wieder aufnahm, deren er fähig war.


 << zurück weiter >>